# taz.de -- Krieg in der Ukraine: Biden erlaubt Raketenangriffe mit größerer … | |
> Medienberichten zufolge haben die USA der Ukraine den Einsatz von Raketen | |
> mit großer Reichweite gegen Ziele in Russland gestattet. Präsident | |
> Selenskyj möchte dies „nicht mit Worten kommentieren“. | |
Bild: Biden (l.) und Selenskyj beim Nato-Gipfel in Washington im Juli | |
Washington/Moskau/Berlin/Seoul taz | Die Ukraine darf künftig US-Raketen | |
mit großer Reichweite auch für Angriffe auf russischem Staatsgebiet tief | |
hinter der Grenze einsetzen. Die Entscheidung von US-Präsident Joe Biden, | |
über die übereinstimmend mehrere US-Medien am Sonntag unter Berufung auf | |
Regierungskreise berichteten, kommt weniger als zwei Wochen [1][nach dem | |
Wahlsieg von Donald Trump], der in zwei Monaten das Weiße Haus übernimmt. | |
Eine offizielle Bestätigung stand am Montag früh noch aus, und der | |
ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj äußerte sich in seiner | |
abendlichen Ansprache am Sonntag ausweichend: „Heute sprechen viele Medien | |
davon, dass wir die Erlaubnis erhalten haben, entsprechende Maßnahmen zu | |
ergreifen. Aber wir werden diese Maßnahmen nicht mit Worten kommentieren. | |
Solche Dinge werden nicht angekündigt. Die Raketen werden für sich selbst | |
sprechen.“ | |
Monatelang hatte die Ukraine vergeblich darum gebeten, die | |
Militärstellungen zerstören zu dürfen, von denen aus Russland jede Nacht | |
die Ukraine bombardiert. Bisher war die Ukraine dabei auf den Einsatz | |
selbst gebauter Drohnen beschränkt, das allerdings zunehmend effektiv, wie | |
die häufigen Berichte über beschädigte Ölraffinerien und brennende | |
Militärlager tief in Russland zeigen. | |
Mit modernen Raketensystemen wäre das noch viel einfacher. Im Mai 2023 | |
hatten Großbritannien und Frankreich der Ukraine erstmals luftgestützte | |
Kurzstreckenraketen der Typen Storm Shadow und Scalp geliefert, die mit | |
einer theoretischen Reichweite von 155 Meilen (250 Kilometer) Stellungen | |
auch weit hinter der Front treffen können. Die USA lieferten ab September | |
2023 der Ukraine eine abgespeckte Version ihrer Kurzstreckenrakete ATACMS | |
(Army Tactical Missile System) mit einer Reichweite von 165 Kilometern. | |
## Russland musste Logistik verlegen | |
Russische Munitionslager auf der Krim, Kriegsschiffe im Schwarzen Meer, | |
Brücken tief in der Südukraine rückten plötzlich in die Reichweite der | |
Ukraine. Russland musste seine Logistik verlegen – jenseits der Reichweite, | |
auf die die an die Ukraine gelieferten westlichen Raketen programmiert | |
waren. | |
Im Mai 2024 erlaubten die USA unter dem Eindruck massiver russischer | |
Angriffe auf die Millionenstadt Charkiw der Ukraine erstmals, mit US-Waffen | |
auch Stellungen in Russland zu zerstören, von denen aus Charkiw beschossen | |
wurde. Aber eine völlige Freigabe gab es nicht. Nun wird mit der neuen | |
Befugnis für den Einsatz der ATACMS-Raketen die Reichweite auf gut 300 | |
Kilometer erhöht und die Zielfreigabe den Berichten zufolge auf das Umfeld | |
der russischen Grenzregion Kursk erweitert. Eine ganze Reihe wichtiger | |
russischer Luftwaffenbasen könnte damit von der Ukraine angegriffen werden. | |
Wie viele ATACMS-Raketen die Ukraine jetzt zur Verfügung hat, ist nicht | |
bekannt. | |
ATACMS-Raketen fliegen viermal so schnell wie gewöhnliche Marschflugkörper, | |
sehr niedrig und mit dreifacher Schallgeschwindigkeit; die Sprengköpfe | |
enthalten Streumunition, die das angesteuerte Ziel komplett zerstören | |
können. Ein britischer Militärexperte sagte dem Daily Telegraph, ein | |
ATACMS-Angriff sei mit der gängigen Raketenabwehr fast unmöglich | |
abzuwehren: „Es ist höchstens etwa 30 Sekunden lang in deinem | |
Einsatzgebiet, also musst du sehr schnell darauf feuern und es ist kein | |
einfaches Ziel.“ | |
Der US-Kurswechsel wird als Reaktion auf den Einsatz von Truppen aus | |
Nordkorea durch Russland dargestellt. Tausende Nordkoreaner sind gegen | |
ukrainische Truppen im Einsatz, [2][die ein kleines Gebiet der russischen | |
Region Kursk besetzt halten]. Bei den meisten der über 10.000 Mann soll es | |
sich um Spezialkräfte aus dem berüchtigten 11. Korps handeln. Nordkorea | |
exportiert außerdem große Mengen Munition nach Russland und laut Financial | |
Times sollen 50 Haubitzen und 20 Mehrfachraketenwerfer aus nordkoreanischer | |
Produktion in Russland eingetroffen sein. Diktator Kim Jong Un lässt sich | |
für seine Söldner nicht nur mit Geld bezahlen, sondern auch mit | |
Militärtechnologie. Zudem können die nordkoreanischen Soldaten gegen die | |
Ukraine praktische Erfahrungen sammeln, die Nordkorea auch gegen Südkorea | |
nutzen könnte. | |
Nordkoreas Allianz mit Russland hat einen geopolitischen Domino-Effekt | |
ausgelöst. Während Südkorea und Japan enger an die Nato heranrücken, | |
kooperieren China, Nordkorea, Russland und Iran immer enger miteinander. Da | |
passt, was die EU am Montag nach ausgiebiger Prüfung festgestellt hat: Dass | |
Drohnen aus einer chinesischen Fabrik „nach Russland geliefert und im Krieg | |
gegen die Ukraine eingesetzt werden“, wie es auf dem | |
EU-Außenministertreffen hieß. Und die EU sowie Großbritannien verhängten am | |
Montag zusätzliche Sanktionen gegen Iran: ein Ausfuhrverbot für alle zum | |
Drohnenbau nutzbaren Komponenten und einen Handelsstopp mit allen Häfen, | |
die für den Transfer solcher Technologie nach Russland genutzt werden. | |
Ob Frankreich und Großbritannien dem US-Schritt folgen und auch ihrerseits | |
der Ukraine den Einsatz ihrer Waffensysteme gegen Ziele auf russischem | |
Staatsgebiet erlauben, war am Montag zunächst noch offen. Allerdings hatten | |
sowohl Premierminister Keir Starmer als auch Präsident Emmanuel Macron | |
diesen Schritt längst eingefordert. Die Regierung der Ukraine wiederum | |
hatte dem US-Verteidigungsministerium bereits im August eine Liste | |
potenzieller russischer Ziele vorgelegt. | |
Russland gibt sich äußerlich unbeeindruckt. Kremlsprecher Dmitri Peskow | |
sagte, die scheidende US-Regierung wolle „Öl ins Feuer gießen“ und eine | |
„weitere Eskalation provozieren“. Der kremlloyale Militärexperte Konstantin | |
Siwkow nannte „drei Antworten“ des Kremls: Raketen abschießen („das haben | |
wir mittlerweile gelernt, trotz erheblichem Schaden, den das anrichtet“), | |
russische Langstreckenwaffen an US-Gegner übergeben wie Libanons Hisbollah | |
oder Jemens Huthi-Rebellen, oder US-Stützpunkte außerhalb den USA | |
angreifen. | |
Für den ehemaligen russischen General Andrej Guruljow scheint alles klar: | |
„Einfach mit dem Atomknüppel draufhauen! Erst auf die Briten, dann auf die | |
USA! Sowohl Biden als auch Trump vom Erdboden tilgen!“ | |
18 Nov 2024 | |
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## AUTOREN | |
Hansjürgen Mai | |
Inna Hartwich | |
Fabian Kretschmer | |
Dominic Johnson | |
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