| # taz.de -- Nachruf auf Fotograf Henning Scholz: Abschied vom Knipser | |
| > Der frühere taz-Fotograf Henning Scholz ist gestorben. Er hielt fast ein | |
| > Vierteljahrhundert Hamburger Zeitgeschichte fest. | |
| Bild: Hennings Blick auf die Stadt: Bausenator „Beton“-Eugen Wagner (SPD) g… | |
| Hamburg taz | Der frühere taz-Kollege Henning Scholz ist gestorben. Der | |
| Fotograf begleitete die taz hamburg von 1982 bis 2006. Er nannte sich | |
| selbst meist den „Knipser“, wie der Kunstkritiker Hajo Schiff im Vorwort zu | |
| einer Ausstellung schrieb, die im Jahr 2001 sein Schaffen würdigte. | |
| „Ich hing an jedem Foto. Manche sind fast schon ikonisch“, sagt seine | |
| Ex-Frau Mia Matzen, die damals anlässlich des 50. Geburtstags ihres Mannes | |
| die Ausstellung unter dem Titel „[1][Pressefotografie aus 20 Jahren | |
| taz-hamburg]“ konzipiert hatte. | |
| Eindrücklich sei zum Beispiel ein Bild von 1990, bei dem die Kamera auf den | |
| damaligen SPD-Bausenator Eugen Wagner durch eine riesige Röhre blickt. Oder | |
| ein Foto im starken Schwarz-Weiß-Kontrast, auf dem 1997 SPD-Bürgermeister | |
| Ortwin Runde zur Amtseinführung die Hand zum Schwur erhebt. Oder ein Bild | |
| von orthodoxen Juden, die 1992 auf dem Boden knieend gegen die Bebauung | |
| eines alten Friedhofs protestieren. | |
| Die Bezeichnung Knipser sei bei Henning eher Understatement und eine | |
| „ironische Selbstrücknahme“ gegenüber einer stets hektischen und oft | |
| wichtigtuerischen Reporter-Szene, schrieb Hajo Schiff. Er hebe sich davon | |
| wohltuend ab und lasse sich besonders für seine Porträts viel Zeit. Er | |
| nutze seine Blickschulung, um aus alltäglichen Zeitungsterminen ein | |
| anschaubares Bild zu ziehen. | |
| Die Arbeit in der Fotoredaktion umfasste viel Handwerk. Die Bilder mussten | |
| damals entwickelt, auf Papier abgezogen und dann noch für die Druckvorlage | |
| gerastert werden. „Henning Scholz war eine Konstante in der taz“, sagt der | |
| frühere Chef vom Dienst, Michael Berger. „Er war immer da, immer ruhig, | |
| sehr fleißig und ein angenehmer Kollege.“ Wurde eilig eine Pressekonferenz | |
| anberaumt, nahm Henning die Schreiberlinge im Auto mit zum Rathaus und fand | |
| immer einen Parkplatz. In der Redaktion sah man ihn eigentlich stets mit | |
| einer Foto-Entwicklerdose in der Hand. | |
| Bei Terminen hätten die Kollegen der großen Konkurrenz-Blätter locker drei | |
| Filme mit hundert Bildern verschossen, erinnert sich Dirk Wildt, der in den | |
| 1980ern Hennings Kollege war. „Wir konnten uns das nicht leisten. Ein Film | |
| mit 36 Bildern kostete sieben Mark.“ Deswegen habe man nur zehn Fotos | |
| gemacht, diese in der Dunkelkammer abgeschnitten und den restlichen Film | |
| weiter benutzt. Das habe aber zur Qualität beigetragen, sagt Wildt. „Wir | |
| mussten uns genau überlegen, wann wir abdrücken.“ | |
| Henning war das zweite von vier Kindern eines Norwegers und einer Deutschen | |
| und wuchs in der Fischbeker Heide nahe Hamburg auf. Nach der Schule lernte | |
| er Werbegrafik und studierte anschließend an der Fachhochschule für | |
| Gestaltung Kommunikationsdesign. Noch vor seinem Abschluss als | |
| Diplom-Designer begann er bei der damals frisch gegründeten taz Hamburg. | |
| „Er war ein guter Beobachter, ein guter Fotograf und sehr zurückhaltend“, | |
| sagt seine Schwester Karin Scholz. „Er machte nicht nur politische | |
| Fotografie, das sieht man auf seiner [2][Website].“ Und er sei sehr | |
| ordentlich gewesen. An die 20 Aktenordner mit chronologisch archivierten | |
| Negativen Hamburger Zeitgeschichte hat er hinterlassen. | |
| Das Arbeitsverhältnis zwischen Henning und der taz ging 2006 zu Ende, als | |
| der Verlag die Hamburger Fotoredaktion auflöste. „Nach dem Austritt aus der | |
| taz fiel er in ein tiefes Loch. Das nahm Henning sehr mit“, sagt seine | |
| damalige Lebensgefährtin Barbara Cordt. Zwar gab es eine | |
| Transfergesellschaft, in der sich die ehemaligen taz-Kollegen für neue | |
| Arbeitsbereiche spezialisieren konnten. „Aber damit konnte er nicht viel | |
| anfangen“, sagt Cordt. | |
| Henning arbeitete als freier Fotograf. 2010 erkrankte er an Krebs. „Danach | |
| war sein Fokus, sich um seine Gesundheit zu kümmern“, berichtet Cordt. Er | |
| lebte zuletzt recht zurückgezogen von einer kleinen Rente und Hartz IV. | |
| Einmal im Jahr veranstaltete er eine [3][Ausstellung im Altonaer „Via | |
| Cafélier“] mit einer Künstlergruppe, zu der auch sein Bruder gehörte. In | |
| diesem Mai kam er nach einem Sturz ins Krankenhaus, wo man entdeckte, dass | |
| der Krebs zurück war. | |
| Henning habe immer mal wieder Anfragen von Geschichtswerkstätten gehabt, | |
| die sich für seine Bilder interessieren, auch jüngst noch habe ein | |
| Interessent bei seiner Schwester nachgefragt. Karin Scholz sucht nun nach | |
| einer Möglichkeit, das Werk zu erhalten, wofür die zahlreichen Negative | |
| aber digitalisiert werden müssen. Ein Archiv in Ungarn würde das | |
| übernehmen, sagt sie. „Aber nur bis 1990. Henning hat bis 2000 | |
| Schwarz-Weiß-Fotos gemacht.“ Auch wäre es doch schön, wenn die Bilder in | |
| Hamburg blieben. | |
| Henning starb am 2. Oktober im Krankenhaus und wurde 72 Jahre alt. Am 22. | |
| November findet eine Trauerfeier im kleinen Kreis statt, bevor am Folgetag | |
| seine Urne beigesetzt wird, im Friedwald Buxtehude. | |
| 16 Nov 2024 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Henning-Scholz/!1136882/ | |
| [2] http://www.scholz-fotos.de/ | |
| [3] http://www.scholz-fotos.de/ | |
| ## AUTOREN | |
| Kaija Kutter | |
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