# taz.de -- 300. Mahnwache für Hamburger Gedenkort: Ein Märchenschloss am ein… | |
> Das Stuttgarter Hotel Silber, einst NS-Hauptquartier, ist heute | |
> Gedenkort. Hamburgs Stadthaus hingegen soll etwas werden, was es nie war. | |
Bild: Lukrative Immobilie: Hamburgs Stadthaus, die ehemalige Gestapo-Zentrale | |
Manchmal muss man sich stur stellen. Bockig sein, sich weder blenden noch | |
sonst wie ruhigstellen lassen, wenn es der historische Anstand gebietet: | |
Zum 300. Mal erscheint die Hamburger Initiative [1][Gedenkort Stadthaus] | |
heute zur Freitags-Mahnwache. | |
Ungebeugt wie jene, für die sie stehen, fordern sie vor der einstigen | |
Gestapo-Zentrale einen Gedenkort für NS-Widerstandskämpfer, die dort | |
verhört, gefoltert, in den Suizid getrieben wurden. Denn das Stadthaus – | |
jetzt ein Luxus-Areal mit Hotels und Gastronomie – war zentraler Ort des | |
NS-Terrors für Hamburg und Norddeutschland. | |
Hier saßen nicht nur etliche SchreibtischtäterInnen, die Deportationen und | |
Razzien vorbereiteten. Hier fanden auch die „verschärften Verhöre“ statt, | |
von denen Hörstationen mit Zeitzeugenberichten im „Seufzergang“ zeugen. Er | |
ist trüb und kahl; der einzige echte Gedenkort in diesem Gebäudekomplex; | |
die Arrestzellen von damals existieren nicht mehr. | |
## Spuren beseitigt | |
Auch alle anderen Spuren wurden beseitigt. Erst 1981 brachten | |
MitarbeiterInnen der dort residierenden Baubehörde eine Gedenktafel an. Im | |
Übrigen legte die Stadt das [2][Augenmerk auf den Geldwert] der | |
Gründerzeit-Immobilie. Ohne viel Federlesen verkaufte der Senat das | |
Ensemble 2009 an den Investor Quantum Immobilien AG. Inzwischen gehören die | |
Gebäude der Stadthöfe KG, an der die Ärzteversorgungen Niedersachsen, | |
Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt beteiligt sind. | |
Die neue Eignerin sicherte zu, einen 750 Quadratmeter großen Gedenkort zu | |
betreiben, aber übrig bleiben 70 Quadratmeter in einem „Dreiklang“ aus | |
Café, Buchhandlung und Mini-Ausstellung zur Rolle der Polizei im NS-Staat. | |
Die Stadt war zufrieden, hatte sich der Verantwortung entledigt und das | |
Gedenken privatisiert. | |
## Seit 2018 Mahnwachen | |
Pünktlich zur Eröffnung 2018 begannen die Mahnwachen der | |
Gedenkort-Initiative. Denn der Ort war zu klein, und das Thema Widerstand | |
fehlte. An dieser Kritik änderte die vom Senat initiierte | |
Kunst-Installation „Stigma“ nichts, eine symbolische „Blut“-Spur aus ro… | |
Granulat im Bürgersteig. | |
Bald ging die Buchhändlerin insolvent. Die Stadt gelobte Besserung, setzte | |
die Hamburger Gedenkstätten-Stiftung als Betreiberin ein, entfernte Café | |
und Buchladen und eröffnete 2020 neu. Aber der Platz, den sich Büro, | |
Seminarraum, Ausstellung und Veranstaltungsfläche teilen, reicht trotzdem | |
nicht. Zudem ist der Ort latent bedroht. Denn auf Wunsch der Eigentümer | |
konnte die Stadt lediglich einen Nutzungsvertrag für 20 Jahre abschließen, | |
mit „unbefristeter Option auf Verlängerung“. | |
## Chance vertan | |
Die Stadt ließ sich das gefallen und vertat abermals die Chance, die | |
zugesagten 750 Quadratmeter Ausstellungsfläche einzufordern. Dabei stehe | |
die „Wagenhalle“ nebenan seit Längerem leer, sagt Stadthaus-Aktivistin | |
Cornelia Kerth. Sie ist nicht gegen den für die 1930er-Jahre geplanten | |
Widerstands-Gedenkort im abgelegenen Fuhlsbüttel, auf den der Senat stets | |
verweist. „Aber wir brauchen auch einen Ort im Zentrum.“ | |
Anderswo ist man weiter: Das Stuttgarter Hotel Silber, einst | |
NS-Hauptquartier und gleichfalls attraktive Immobilie, ist heute Gedenkort. | |
Hamburgs Stadthaus dagegen soll werden, was es nie war: ein Märchenschloss | |
für die Reichen und Schönen. Aus diesem Milieu kamen die meisten | |
WiderständlerInnen definitiv nicht. | |
21 Nov 2024 | |
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[1] /NS-Gedenkort-in-Hamburg/!5944070 | |
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## AUTOREN | |
Petra Schellen | |
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