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# taz.de -- Gedenk-Bank in Chemnitz: Für den überlebenden Toten
> Seit dem 9. November hat Chemnitz eine Sitzgelegenheit, die an die
> Judenverfolgung erinnern will – und an Justin Sonder, einen überlebenden
> Vermittler.
Bild: Die Bronzeplastik „Bank für Justin Sonder“ nach ihrer Enthüllung au…
Berlin taz | Wenn eine neue Bank aufgestellt wird, sei es in einem Park
oder an einer Straße, ist das normalerweise kein Grund dafür, dass ein
Ministerpräsident, ein ehemaliger Bundespräsident, der Oberbürgermeister,
eine große Familie und hunderte weitere Menschen zusammenkommen. Doch die
Bank, die am vergangenen Samstag, dem 9. November, dem Jahrestag des
Pogroms von 1938, im [1][sächsischen Chemnitz] eingeweiht wurde, ist keine
normale Sitzgelegenheit. Sie erinnert an einen klein gewachsenen und
zurückhaltenden Mann, der sein halbes Leben lang für Verständigung geworben
hat, Verständigung zwischen den Nachkommen der Opfer und der Täter.
Justin Sonder, der vor vier Jahren im Alter von 95 Jahren verstorben ist,
stammte aus einer [2][Chemnitzer jüdischen Familie]. Die Nazis deportierten
ihn nach Auschwitz. Sonder überlebte 16 Selektionen, er überstand bei
Auflösung des Lagers den Todeszug in den Westen, den Marsch durch Bayern,
bis er im Frühjahr 1945 von US-Truppen befreit wurde. Danach ist der junge
Mann nach Chemnitz zurückgekehrt. In der späteren DDR ging er zur Kripo und
jagte Verbrecher – keine „Politischen“, wie er erzählte, das war
Angelegenheit der Staatssicherheit. „Er wollte alten und neuen Nazis nicht
das letzte Wort überlassen“, sagte Christoph Heubner vom Internationalen
Auschwitz Komitee bei der Feierstunde dazu.
Über die Jahre seiner [3][Verfolgung hat Justin Sonder lange geschwiegen,
wie so viele Überlebende]. Doch 1987 kehrte die Vergangenheit zurück. Da
stand mit Henry Schmidt der frühere Judenreferent der Dresdner Gestapo vor
Gericht. Sonder trat in Dresden als Zeuge auf, der von Schmidt deportiert
worden war – als Jude, nicht als Kommunist.
Nach der Wende 1989 begann ein zweites Leben von Justin Sonder. Er sprach
als Zeitzeuge, unermüdlich immer wieder, auch noch im hohen Alter. „Er hat
Geschichte lebendig gemacht“, so drückte es der Oberbürgermeister von
Chemnitz Sven Schulze während der Feier am Samstag aus. Sonders Enkel
Jonathan Claus sagte: „Seine wichtigste Botschaft war: ‚Ihr könnt nichts
dafür und seid dafür nicht verantwortlich. Aber ihr müsst alles dafür tun,
dass sich solche Taten nicht wiederholen.‘“
## „Ein besonderer Platz in der Stadt“
Der Chemnitzer Ehrenbürger Sonder nahm die Strapazen und die Aufregung
eines Gerichtsverfahrens in Kauf und stellte sich als Zeuge und Nebenkläger
gegen den SS-Mann Reinhold Hanning zur Verfügung. Im Detmolder Gerichtssaal
berichtete er von den Torturen in Auschwitz. Bei all diesen öffentlichen
Verpflichtungen blieb Sonder ein durch und durch „zarter, wunderbarer
Mensch“, wie es Heubner ausdrückte.
Heubner war es auch, dem die Idee mit der Bank kam, aufgestellt in Chemnitz
vor dem Gebäude, in dem Justin Sonder vor mehr als 90 Jahren die Schulbank
drückte. „Einen besonderen Platz in der Stadt“ nannte der Chemnitzer OB
diese Wahl. „Grandios“, sagte der frühere Bundespräsident Christian Wulff
zu der Idee mit der Bank. Er hatte Sonder bei einer Reise zur Gedenkstätte
Auschwitz kennengelernt. Der sächsische Ministerpräsident Michael
Kretschmer fand deutliche Worte gegen diejenigen, für die der Holocaust nur
ein „Fliegenschiss“ ist.
Jeder ist fortan eingeladen, auf der von der Bildhauerin Julia Kausch
gestalteten Bank neben der Skulptur Sonders Platz zu nehmen und sich Zeit
zum Nachdenken zu nehmen. Wie das damals alles geschehen konnte. Und was zu
tun ist, damit sich Ähnliches nicht wiederholt.
Sonders Enkel Jonathan Claus fand die wohl bewegendsten Worte für die
Erinnerung an seinen Großvater: „Er hätte es geliebt, dass diese Bank vor
dieser Schule steht. So hoffen wir, dass Justins Bank seine
Lebensgeschichte vielen Menschen näher bringt.“
11 Nov 2024
## LINKS
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## AUTOREN
Klaus Hillenbrand
## TAGS
Antisemitismus
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