| # taz.de -- Jüdischer Restaurantbesitzer über Hass: „Wir lassen uns nicht e… | |
| > In Chemnitz betreibt Uwe Dziuballa das Restaurant „Schalom“. Es läuft | |
| > gut, muss aber von der Polizei beschützt werden. Ist die Stadt noch | |
| > lebenswert? | |
| Bild: Macht weiter, trotz Anfeindungen: der Restaurantbesitzer Uwe Dziuballa | |
| taz: Herr Dziuballa, wie ist es, in Chemnitz das jüdische Restaurant | |
| „Schalom“ am Leben zu halten? | |
| Uwe Dziuballa: Meine Familie und ich betreiben das „Schalom“ seit 24 | |
| Jahren. Und, ja, wir sind da. Das ist schon fast die Nachricht: Wir sind | |
| präsent. Uns gibt es, wir sind da. Die Neugier auf koschere Küche war | |
| prinzipiell da. | |
| Was unterscheidet Ihre Küche von der anderer Restaurants in Chemnitz? | |
| Nun, wir bereiten die Speisen eben nach jüdischen Regeln zu – koscher. Aber | |
| wie das für die jüdische Kultur üblich ist, sind wir immer zum Mix bereit. | |
| Mit Lust bereit. Osteuropäisch, mitteleuropäisch, auch sächsisch, aber | |
| koscher. Das wurde zunächst von einem älteren Publikum sehr geschätzt, dass | |
| es sich jetzt ins Jüngere geändert hat, freut uns. | |
| Haben Sie Anfeindungen erlebt? | |
| Gerade nach dem 7. Oktober, dem Überfall der Hamas-Terroristen gegen | |
| Israel, wurde es schwieriger denn je. Wir wollen nicht meckern, aber | |
| neulich ist meine Frau von einer, vermuten wir, syrischen Frau beleidigt | |
| worden. Wir werden euch alle schlachten, hieß es. Weil der Vorfall gefilmt | |
| wurde, haben wir ihn zur Anzeige gebracht, das geht jetzt vor Gericht. | |
| Und zuvor? | |
| Nach dem 7. Oktober stehen wir permanent unter Bewachung durch die Polizei. | |
| Ehrlich gesagt haben wir das nie gewollt. Aber es hat natürlich negative | |
| Resonanzen gegeben. | |
| Weil Jüdisches mit Israelischem gleichgesetzt wird? | |
| Meinetwegen auch das, aber das stört uns nicht. Was aber auffällt, ist, | |
| dass der 7. Oktober und die israelischen Reaktionen auf die Terroranschläge | |
| zum Vorwand genommen wird, [1][um an uns als Juden sein oder ihr Mütchen zu | |
| kühlen]. | |
| Inwiefern? | |
| Als wir im Herbst auf Social Media ankündigten, für drei Wochen wegen | |
| unseres Urlaubs zu schließen, hieß es bei manchen: Jetzt wollt ihr wohl | |
| auch Kinder töten, ihr Schweine. Als Gastronom, der nicht oft Ferien machen | |
| kann, sagte ich mir nur: Töten steht in der Zeit wirklich nicht auf unserer | |
| Agenda. Wir sind Deutsche jüdischen Glaubens. Wie es auch Deutsche | |
| christlichen Glaubens gibt. Wir sind Teil eines Volks, das nicht homogen | |
| ist und nie war. | |
| Scheint ein antisemitisches Ding zu sein. | |
| Zu Coronazeiten haben wir schlechte Erfahrungen gemacht. Als die Lockdowns | |
| waren, hieß es in den sozialen Medien, [2][die Juden seien dafür | |
| verantwortlich], weil sie an Corona verdienen würden. Es sind Gerüchte, | |
| nichts stimmt an ihnen, wie an antisemitischem Geraune ja nie irgendetwas | |
| zutraf, aber so war und ist es auch heute. | |
| Sie tragen eine Kippa – mit unseren Berliner Erfahrungen im Kopf gefragt: | |
| Können Sie das gefahrlos? | |
| Ich trage sie immer und fast überall. Nicht im Bett und unter der Dusche. | |
| Im Sommer ein Strohhut darüber, weil meine Kopfhaut Sonne nicht so gut | |
| verträgt. Einschüchtern durch hässliche Kommentare lasse ich mich nicht. | |
| Die Polizei weiß Sie zu schützen? | |
| Ja, das tut sie. Junge Beamte, mit denen man gut auskommt, besonders im | |
| normalen Alltag. Ich denke dann immer: Haben die nicht Besseres zu tun, als | |
| uns zu bewachen? Aber [3][so ist die Atmosphäre momentan, auch in | |
| Chemnitz]. | |
| Sind Sie ein tapferer Mann? | |
| Nein. Ich dachte vor zehn Jahren, als wir schon lange unser „Schalom“ | |
| hatten, ach, bestimmte Sachen würden sich auswachsen, die Leute würden sich | |
| an uns gewöhnen, wir müssen nur durchhalten. Aber so ist es nicht geworden. | |
| Ist Chemnitz weiterhin für Sie und Ihre Familie lebenswert? | |
| Ich bin studierter Elektrotechniker, habe lange in Jugoslawien gelebt und | |
| dachte nach der Wende, jetzt wird alles besser. Ist aber nur begrenzt | |
| geworden. Chemnitz ist natürlich lebenswert, wir haben gern unser | |
| Restaurant hier. Auf ein negatives Erlebnis gibt es 25 positive. Solange | |
| das Verhältnis nicht eins zu fünf wird, ist alles relativ gut. | |
| Uwe Dziuballa ist als Gast auf dem [4][taz Panter Forum in Chemnitz] am 24. | |
| August geladen. Kostenlose Anmeldung ab sofort möglich. | |
| 11 Aug 2024 | |
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| ## AUTOREN | |
| Jan Feddersen | |
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