# taz.de -- Thermalbad in Aachen: Badespaß im Freien | |
> In einem Aachener Kurpark hat eine Bürgerstiftung drei Thermalbecken | |
> hingestellt. Sie waren beliebt, doch das Ende kam schneller als gedacht. | |
Bild: Angenehm, dieses warme Wasser! | |
Aachen taz | Das dampfende Wasser plätschert die breite silbern-glänzende | |
Edelstahlrampe herunter, gut zwei Meter sind das. Gut ein Dutzend Leute | |
sitzt schon in den drei kleinen Pools. Also nichts wie rein: Füße waschen | |
und los. Och, ist das schön warm. Draußen die kühle Novemberluft, jetzt | |
dieser Glücksmoment im naturbelassenen Thermalwasser aus Aachens | |
Untergrund. | |
Alle lächeln vor sich hin. Mit 62 Grad kommt das Wasser oben an, unten hat | |
das Fußbecken 33 Grad, knapp 40 das tiefere Beinbad, 44 vorne der | |
Ganzkörperpool. Es schmeckt leicht salzig, nur minimal schwefelig. Einer | |
rechnet gleich: „Eine halbe Stunde, und du fühlst dich Jahre jünger.“ Und | |
wieder kommen ein paar Neugierige mit Handtuch über der Schulter. | |
Aachen, Ortsteil Burtscheid, der kleine Kurpark. Ein heimeliges Stück | |
Stadt, Rasenflächen, Müßiggang, Flanierzone. Und mittig, direkt hinter dem | |
Springbrunnen, jetzt dieses dreiteilige Pop-up-Thermalwasserbad unter | |
freiem Himmel. Das erste und einzige in Deutschland. Benutzung kostenlos. | |
Name: „Wärm Komp“, Warme Schüssel. | |
## Badelandschaft aus Holz | |
Entstanden ist der Badespaß (Netz: [1][waermkomp.jetzt]) unter Federführung | |
der Bürgerstiftung „Lebensraum Aachen“. Projektplanung: zwei Jahre. 150 | |
Freiwillige, 15.000 unbezahlte Arbeitsstunden. 50.000 Euro Kosten, | |
geschultert meist über Spenden. Die Badelandschaft, eine Holzkonstruktion, | |
ausgekleidet mit Folien, haben Architektur-Studierende der Fachhochschule | |
gebaut. | |
Aachen hat Dutzende unterirdische Quellen, die heißesten nördlich der Alpen | |
(bis 72 Grad). Karl der Große wählte hier seinen Lebensmittelpunkt: Die | |
Heilwasser sollten gegen kaiserliche Leiden wie Gicht und Rheuma helfen. | |
Heute versickert der Schatz aus Abermilliarden mineralienprallen | |
Wassertropfen weitgehend ungenutzt. | |
Die Behörden mussten vom Wärm Komp erst überzeugt werden, Amt für Amt, | |
Abteilung für Abteilung, Stadtplaner, Denkmalschutzbehörde. Davon berichtet | |
Projektleiter Uli Lieser, 66. Der Hydrogeologe und Thermalhistoriker | |
erzählt vom Hürdenlauf vor allem beim skeptischen Gesundheitsamt: Ist | |
dieser komische Komp auch verkehrssicher, hygienisch unbedenklich? | |
## Warum kein Chlor? | |
Vorgabe: wöchentliche Untersuchung. Bald waren die Werte von E.coli und | |
Pseudomonas-Bakterien zu hoch. Keine unmittelbare Gesundheitsgefahr, aber | |
ein Alarmzeichen. Gegenmaßnahmen: Fußdesinfektionsmittel, zugeschnittene | |
Kunststoffmatten, mehr Kontrolle der Badenden. Die Werte stiegen | |
trotzdem. | |
Warum kein [2][Chlor]? „Wollten wir nie“, sagt Lieser, dann sei das | |
naturbelassene Baden dahin. Alles mit großem Schild „Auf eigene Gefahr“? �… | |
„Geht so einfach in Deutschland nicht. Ich gelte als verantwortlicher | |
Heilbadbetreiber. Irgendwann erklärt sich jemand für erkrankt und verklagt | |
dich.“ | |
Zu den Badefreuden gehören diverse Begleitevents: Fußbadyoga, Kabarett, | |
kleine Konzerte. Einmal berichtete eine Japanerin aus Aachen von den 2.700 | |
Thermalquellen („Onsen“) in ihrer Heimat. Eine besondere Delikatesse sind | |
Onsen-Eier, die bei 60 Grad im Thermalwasser lange von innen nach außen | |
garen, statt umgekehrt wie bei uns, die wir sie kochen. Komp-Mitstreiterin | |
Petra Emonts, selbst Kochlehrerin, hatte solche Eier mitgebracht. Das | |
Eigelb war gestockt, das Weiße kein Glibberkram, sondern eine | |
köstlich-sahnige Creme. | |
## Chöre am Beckenrand | |
Am vergangenen Samstag traten sechs Chöre auf, darunter: die „Badenixen“, | |
ein Sänger des früheren Schwulenchors Warme Wellen und, in Bademänteln und | |
-kappen, das Männer-Vokalensemble Bin Singen. Das Publikum staunte, wie | |
viele Klassiker es zum Thema Wasser gibt. | |
„Lieder aus der Bütt – Aachener Chöre gehen baden“ hieß das Motto. Doc… | |
SängerInnen performten nur vor dem dampfenden Badekomp statt darin. Denn | |
mit dem Wohlklang musste das Wohlfühlen beendet werden, sechs Wochen früher | |
als geplant. | |
Das Gesundheitsamt hatte den Weiterbetrieb für „nicht vertretbar“ erklärt. | |
Die Initiative schloss sich dem an. Mutmaßlich ist der benachbarte, von der | |
Stadt lange nicht gereinigte Springbrunnen die Keimquelle. Was über | |
Aerosole einmal in die Becken kam, ist aus kleinsten Ritzen nicht mehr | |
rauszukärchern. Bei 40 Grad vermehren sich Keime explosionsartig. Uli | |
Lieser sagt: „Trotz vorzeitigem Ende: Die Behörden haben gelernt, dass sie | |
uns Bürger nicht unterschätzen dürfen.“ | |
Die Kulturevents gehen weiter. Und es könnte sein, dass sich zur großen | |
Abschlussparty am 7. Dezember Unbelehrbare noch einmal in die wärmenden | |
Wässer stürzen, trotz dieser unbarmherzigen und bürgerfeindlichen Keime. | |
18 Nov 2024 | |
## LINKS | |
[1] https://www.waermkomp.jetzt/ | |
[2] /Liebeserklaerung/!5519322 | |
## AUTOREN | |
Bernd Müllender | |
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