# taz.de -- Videospiel „Call of Duty: Black Ops 6“: Gut, aber schlecht | |
> Die neue Ausgabe von „Call of Duty“ ist die beste seit Jahren. Doch | |
> wieder mal schürt das Videospiel Feindbilder und glorifiziert das | |
> US-Militär. | |
Bild: Auf Mission für das Gute: Protagonisten in „Call of Duty“ | |
Es ist Nacht. In der Ferne thront der angestrahlte [1][Mount Rushmore] mit | |
seinen vier Präsidenten. Eine Gruppe Unbekannter läuft durch den Wald, auf | |
dem Rücken tragen sie Kletterausrüstungen, auf dem Kopf Lampenhelme. Sie | |
erklimmen den Berg, spannen große Tücher über die Gesichter der Präsidenten | |
und bemalen sie mit Farbe. Erst im Tageslicht sieht man das Ergebnis. | |
Washington, Jefferson, Roosevelt und Lincoln tragen Augenbinden, auf denen | |
in oranger Farbe „The Truth Lies“ steht. | |
Die Bilder des beschmierten Mount Rushmore haben es im Mai sogar auf die | |
Frontseiten der New York Post und USA Today geschafft. Real sind sie nicht, | |
sondern Teil der Werbekampagne für das neue Videospiel „Call of Duty: Black | |
Ops 6.“ Im Zeitalter der Fake News und KI-Videos ist eine solche Werbung | |
riskant. Das kümmert [2][„Call of Duty“] nicht. Das Spiel hat auch sonst | |
keine Skrupel. | |
Der Kalte Krieg ist vorbei, die Dominanz der USA unbestritten. 1991 tobt | |
der Zweite Golfkrieg, Hintergrund von „Black Ops 6“. Die Handlung dreht | |
sich um den abtrünnigen [3][CIA-Agenten] Russell Adler, eine Mischung aus | |
Robert Redford und Brad Pitt, den man bereits aus den Vorgängern kennt. | |
Eine kleine Truppe von CIA-Agenten findet heraus, dass die | |
Geheimorganisation „Pantheon“ die USA unterwandert und im Verborgenen die | |
Fäden zieht. Die Spielenden wollen Adler aus seiner Haft befreien, um ihn | |
zum Mitstreiter zu machen. Sie rekrutieren auch einen ehemaligen | |
Stasi-Agenten. | |
Die Geschichte erinnert in ihrer temporeichen Inszenierung an die „Mission: | |
Impossible“-Filme. Nicht jedes Level dreht sich um Schießereien und die | |
Spielenden werden mit Minispielen wie etwa dem Knacken eines Schlosses oder | |
surrealen Traumsequenzen überrascht. Manche Missionen sind strikte Level, | |
in denen man kaum von dem vorgegebenen Weg abweichen kann. | |
Andere Aufträge öffnen die Spielwelt und geben dem Spielenden die | |
Möglichkeit, frei zu erkunden. Nur finden sich dort kaum interessante | |
Inhalte und so geht man schnell dazu über, die Missionsziele abzuarbeiten. | |
Mal stürmt man den Palast von Saddam Hussein, dann ist man in der Wüste | |
Kuwaits, um auf einer Gala Bill Clinton zu treffen, damals noch Gouverneur. | |
## Vor nichts zurückschrecken | |
Es gab Gerüchte, dass der neueste „Call of Duty“-Teil auch die Anschläge | |
des 11. Septembers behandelt. Doch die Twin Towers bleiben – vorerst – | |
unangetastet. Allerdings ist „Call of Duty“ dafür bekannt, auf | |
Schockmomente zu setzen. Wenn die Reihe einen Skandal braucht, wird sie | |
auch nicht vor dem 11. September zurückschrecken. | |
In „Black Ops 6“ liegt das Schicksal der Welt wieder einmal in den Händen | |
von wenigen. Sie legen das Maß der Mittel fest. Das ist nicht nur | |
machiavellistisch, sondern erinnert auch an die Maxime der | |
US-amerikanischen Außenpolitik. Wenn man im Nahen Osten auf brennenden | |
Ölfeldern kämpft und ohne jeden Skrupel in fremde staatliche Einrichtungen | |
eindringt, wird deutlich, dass die Diplomatie in diesem Universum längst | |
gestorben ist. Die Verbrechen der Vergangenheit zählen nicht, solange man | |
die Gegenwart verteidigt. | |
Nach knapp neun Stunden hat man die Geschichte rund um Russell Adler | |
beendet. Doch die eigentliche Langzeitmotivation liegt wie so oft bei „Call | |
of Duty“ im Mehrspieler-Modus. Dort zeichnet sich ein vertrautes Bild: | |
Die Spielenden hechten wild um die Ecken herum, springen aus Fenster und | |
Türen heraus und töten im separaten Zombie-Modus Horden von Untoten. Auch | |
die kostspieligen Waffentarnungen dürfen nicht fehlen. Neu ist das | |
Tarnungsset „Endeavour Tracer Pack“, das aktiven oder ehemaligen | |
US-Soldat:innen vorbehalten ist. Im Werbespot sprechen ehemalige Soldaten | |
davon, was für harte, intelligente Kämpfer sie sind. | |
Das US-Militär sponserte lange Zeit die E-Sport-Liga von „Call of Duty“ und | |
ist mit eigenen Teams vertreten. Im besten Falle gewinnt die U. S. Army | |
durch das verklärte Kriegsspiel neue Rekrut:innen, andernfalls steigern sie | |
durch die Kooperationen ihre Reichweite. | |
Spielerisch mag es das beste „Call of Duty“ seit Jahren sein, inhaltlich | |
haftet man an denselben bellizistischen Streitpunkten, die die Reihe groß | |
gemacht haben. | |
11 Nov 2024 | |
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## AUTOREN | |
Martin Seng | |
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