| # taz.de -- taz Queer Talk mit Zaal Andronikashvili: Schicksalswahl in Georgien… | |
| > Georgien steht vor einer Schicksalswahl. Zaal Andronikashvili gibt im taz | |
| > Queer Talk Einblicke in die Lage für queere Georgierinnen und Georgier. | |
| Bild: Am Internationalen Tag gegen Homophobie schwenken georgische Aktivist:inn… | |
| Georgien steht vor einer Schicksalswahl. Am 26. Oktober sind | |
| Parlamentswahlen. Die russlandfreundliche und queerfeindliche Partei | |
| Georgischer Traum hat laut Prognosen Aussichten, stärkste Kraft zu werden. | |
| Seit 2012 stellt die vom Oligarchen Bidsina Iwanischwili gegründete Partei | |
| die Regierung. | |
| Ihre Nähe zu Russland manifestierte sich zuletzt in zwei Gesetzen: Erstens | |
| im Gesetz gegen „ausländische Einflussnahme“, mit dem die Arbeit von NGOs | |
| deutlich stärker kontrolliert und eingeschränkt werden soll. Georgiens | |
| EU-Beitrittsprozess liegt seitdem auf Eis. Zweitens hat Iwanischwilis | |
| Partei ein Gesetz zur Einschränkung der Rechte von LGBT erlassen. Konkret | |
| sind zum Beispiel Geschlechtsangleichungen oder Adoptionen von Kindern | |
| durch gleichgeschlechtliche Paare verboten. Dem russischen Vorbild folgend | |
| sind auch öffentliche Aufklärung, positive Berichterstattung oder | |
| Zusammenkünfte wie Prides verboten. | |
| Der Literaturwissenschaftler [1][Zaal Andronikashvili] gibt [2][im taz | |
| Queer Talk] mit Jan Feddersen Einblicke in die aktuelle politische | |
| Situation des Landes und für queere Personen: „Diese Wahlen sind anders als | |
| die früheren Wahlen, weil sich entscheiden wird, ob Georgien sich endgültig | |
| zu einem autoritären Land entwickelt, sich von Europa komplett abwendet und | |
| in die russische Einflusssphäre zurückkehrt.“ | |
| Zuletzt bekräftigte der Oligarch Iwanischwili die autoritäre Ausrichtung | |
| seiner Partei, indem er ankündigte, Oppositionsparteien im Falle eines | |
| Wahlsiegs per Verfassungsänderung verbieten zu wollen. Iwanischwili, der in | |
| den 1990er Jahren in Russland zum Milliardär wurde, steht exemplarisch für | |
| die Formen des russischen Einflusses, wie Andronikashvili erläutert: | |
| „Georgien war in vielen Sachen dem russischen Einfluss, auch dem direkten | |
| Krieg ausgeliefert. Wir haben in diesen 30 Jahren unter ständiger Bedrohung | |
| gelebt und im Grunde auch in einem permanenten Kriegszustand, der am Anfang | |
| hybrider war, dann später nicht mehr so hybrid. Georgien hat es anders als | |
| baltische Staaten nicht geschafft, nach dem Zerfall der Sowjetunion das | |
| alte sowjetische Machtsystem zu demontieren. Es ist ein innenpolitischer | |
| Kampf für die Demokratie und es ist ein außenpolitischer Abwehrkampf gegen | |
| Russland.“ | |
| ## Verwestlichung – Verqueerung? | |
| Teil der [3][autoritären, antiliberalen Ideologie] ist der Kampf gegen | |
| alles, was mit dem Westen verbunden wird. Dazu gehört auch der Schutz von | |
| Minderheiten. Andronikashvili zufolge platzieren der „Georgische Traum“ und | |
| Iwanischwili eine Verwestlichung, zum Beispiel durch „Verqueerung“ als | |
| Gefahr für Georgien. Eine Abwehr der Verwestlichung wird auch als | |
| Friedensgarant verkauft, im Wahlkampf wurden Bilder von Zerstörungen in der | |
| Ukraine dem unversehrten Georgien gegenübergestellt – als Warnung. | |
| Zaal Andronikashvili sieht in dieser Politik eine eindeutige Handschrift | |
| Moskaus und eine spezifische Form von Queerfeindlichkeit, die er als | |
| politische Homophobie bezeichnet: „Ja, also es ist nicht nur einfach eine | |
| Queerfeindlichkeit, die im Alltag vorkommt und die kommt auch vor, auch in | |
| Georgien, auch im Kirchenmilieu, sondern politische Homophobie ist die | |
| Instrumentalisierung der Queerfeindlichkeit für politische Zwecke. Und | |
| diese Art der Queerfeindlichkeit oder Homophobie wurde tatsächlich in | |
| Russland erfunden.“ | |
| ## Das traditionelle Russland | |
| Kerninhalt dieser Ideologie sei das traditionelle Russland, das [4][mit | |
| Orthodoxie], traditionellen Werten in Verbindung gebracht werde, und in der | |
| Propaganda dem „verweichlichten, verqueerten Westen“ gegenübergestellt | |
| werde. Andronikashvili weist darauf hin, dass das sehr tiefe Wurzeln habe, | |
| die bis in die sowjetische Geschichte zurückreichten. | |
| Im sowjetischen Staat spielte Gewalt eine zentrale Rolle, wie | |
| Andronikashvili erläutert: „Wenn man im Westen zum Beispiel davon ausgeht, | |
| dass Konflikte im Dialog gelöst werden können, kannte das sowjetische | |
| System nur Gewalt als Lösung eines Konfliktes. Und der Staat war natürlich | |
| der oberste Gewalttäter und der kleine Bürger war der staatlichen Gewalt | |
| ausgesetzt. Aber symbolisch in der Bildsprache war diese Figur aus dem | |
| Lager, also die Figur der sexualisierten Gewalt ausgesetzt wird, ein Symbol | |
| dessen, wer die absolute Gewalt erleidet. Dieses Bild wurde reaktiviert in | |
| Putins Russland. Das heißt, durch dieses Bild wird gezeigt, dass Russland | |
| auf Stärke, auf Männlichkeit basiert – so etwas wie diese kriminelle | |
| Gewalttätigkeit ausstrahlt, während der Westen schwach verweichlicht ist. | |
| Und eine Figur [für diese Verweichlichung] ist Queerness, um nicht zu sagen | |
| Homosexualität.“ | |
| ## Ein nötiges Feindbild | |
| Die Regierungspartei „Georgischer Traum“ und ihr Chefdenker brauchen LGBT | |
| als Feindbild, da sie aufgrund der an sich hohen Zustimmungswerte zur EU in | |
| der georgischen Bevölkerung sonst wenig habe, um den Westen und | |
| insbesondere Europa zu dämonisieren, liefert Andronikashvili als einen | |
| Erklärungsansatz. | |
| Dennoch zeigt er sich im Gespräch optimistisch: „Noch ist Georgien nicht | |
| verloren. Georgierinnen und Georgier können etwas machen. Das Mindeste, was | |
| sie machen können, ist wählen gehen. Aber auch die Unterstützung aus Europa | |
| ist sehr wichtig, sei es symbolische, sei es, dass man überhaupt weiß, was | |
| in Georgien vor sich geht.“ | |
| 25 Oct 2024 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Proteste-in-Georgien/!6008744 | |
| [2] https://www.youtube.com/watch?v=0m62uMtSVPE | |
| [3] /Ideologische-Logik-hinter-Putins-Krieg/!5835258 | |
| [4] /Russisch-Orthodoxe-Kirche/!t5009132 | |
| ## AUTOREN | |
| Till Randolf Amelung | |
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