# taz.de -- Gesetz für bessere Krankheitserkennung: Viel zu viele kranke Herzen | |
> Jeder dritte Sterbefall wird durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen | |
> verursacht. Die sind oft vermeidbar. Kann das „Gesundes-Herz-Gesetz“ | |
> Abhilfe schaffen? | |
Bild: Eine letzte Kippe, dann zum Gesundheitscheck | |
Berlin taz | Deutschland ist Spitze bei den Gesundheitsausgaben, aber alles | |
andere als Spitze bei der Lebenserwartung. Im Durchschnitt leben hier | |
Geborene zwei bis drei Jahre kürzer als etwa in der Schweiz. Auf einem | |
mickrigen 22. Platz liegt Deutschland im EU-Vergleich, Tendenz abwärts. | |
Einer der Hauptgründe: Zu viele Deutsche sterben an | |
Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Im Bundestag wird am Mittwoch der Entwurf zum | |
„Gesundes-Herz-Gesetz“ diskutiert – und er ist durchaus umstritten. | |
Die drei häufigsten Todesursachen in Deutschland sind: Atemwegserkrankungen | |
(jeder 14. Sterbefall), Krebs (jeder 5.) und mit Abstand ganz vorn | |
[1][Herz-Kreislauf-Erkrankungen] (jeder 3.). Angeborene | |
Stoffwechselstörungen, Rauchen, ungesunde Ernährung und zu wenig Bewegung | |
treiben das Risiko für einen Herztod nach oben. | |
Wie stark sie gefährdet sind, erfahren Betroffene häufig erst in einem | |
bereits dramatischen Stadium der Herzerkrankung. Diagnose, Behandlung und | |
Vorbeugung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen gelten allesamt in Deutschland | |
als verbesserungswürdig. Erkrankungen des Kreislaufsystems kosten [2][das | |
Gesundheitssystem] laut Gesundheitsministerium jährlich rund 57 Milliarden | |
Euro. | |
Dass es weniger dramatische Herzerkrankungen in Deutschland geben könnte, | |
zeigt ein Beispiel: Mindestens 1 von 500 Kindern wird mit einer | |
Fettstoffwechselstörung geboren, die häufig schon im jungen | |
Erwachsenenalter zu schweren Herzproblemen führt. Früh erkannt, ist diese | |
Störung gut behandelbar. Aber: Nur ein Bruchteil der Fälle wird im | |
Kindesalter festgestellt, die Erkrankung gilt in Deutschland seit Jahren | |
als unterdiagnostiziert und unterbehandelt. | |
## Sportverbände fürchten um Geld für Prävention | |
Die standardmäßigen Kinderuntersuchungen will das Gesundes-Herz-Gesetz nun | |
entsprechend erweitern, was medizinische Fachverbände und | |
Patient*innenorganisationen begrüßen. Um Risikofaktoren wie | |
Übergewicht frühzeitig zu diagnostizieren, sollen die Krankenkassen zudem | |
noch einmal extra zu der oft vernachlässigten, weil nicht meldepflichtigen | |
Jugenduntersuchung J1 im Alter von 12 bis 14 Jahren einladen. | |
Gesetzlich Versicherte sollen von ihren Krankenkassen außerdem Einladungen | |
für einen zusätzlichen Herz-Kreislauf-Checkup im Alter von 25, 40 und 50 | |
Jahren bekommen und die Apotheken in die Früherkennung eingebunden werden. | |
Umstritten sind die Pläne des Gesundheitsministeriums in Sachen Therapie | |
und Vorbeugung. So ist ein gesetzlicher Anspruch auf die Behandlung mit | |
Lipidsenkern, sogenannten Statinen, vorgesehen. Statine sollen den | |
Cholesterinspiegel senken und so etwa Herzinfarkten vorbeugen. Im Moment | |
sind sie bei Risikopatient*innen vor allem dann vorgesehen, wenn | |
nichtmedikamentöse Maßnahmen wie Diäten oder mehr Bewegung nicht greifen. | |
Außerdem soll auch die Behandlung mit Medikamenten zur Tabakentwöhnung | |
ausgeweitet werden. | |
Von der Patientenvertretung Deutsche Herzstiftung und den herzmedizinischen | |
Fachgesellschaften werden auch diese Maßnahmen unterstützt. Mit der | |
Erleichterung der Verordnung von Statinen würde eine Unterversorgung | |
adressiert, heißt es in einer Stellungnahme der Herzstiftung. Das | |
Kosten-Nutzen-Verhältnis der Therapie sei bei Hoch-Risiko-Patient*innen | |
sehr effektiv. Nichtmedikamentöse Präventionsangebote seien aber | |
beizubehalten. | |
Gerade die sind aber laut Krankenkassen und Sportverbänden in Gefahr. | |
„Tatsächlich handelt es sich beim Gesundes-Herz-Gesetz um ein | |
Präventionskürzungsgesetz, in dem die Mittel für die Primärprävention | |
zugunsten einer weiteren Medikalisierung zusammengestrichen werden“, heißt | |
es etwa von Stefanie Stoff-Ahnis, Vorstandsvorsitzende des Spitzenverbands | |
der Gesetzlichen Krankenversicherung. Dass dadurch die angestrebte | |
Verringerung der Krankheitslast erreicht werden könne, sei mehr als | |
fraglich. | |
Auf taz-Anfrage heißt es aus dem Bundesgesundheitsministerium, dass die | |
Krankenkassen ihre Leistungen zugunsten der gezielten Prävention von | |
Herz-Kreislauf-Erkrankungen umschichten sollten und es an anderer Stelle | |
zusätzliche Präventionsmaßnahmen gebe. Am Mittwochnachmittag wird der | |
Gesetzentwurf im Bundestag beraten. Vor einem endgültigen Beschluss dürfte | |
es noch Diskussionen geben. | |
6 Nov 2024 | |
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## AUTOREN | |
Manuela Heim | |
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