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# taz.de -- Wahlempfehlung der „Washington Post“: Bruch mit der Tradition
> Nach dem Entschluss der US-Zeitung „Washington Post“, keine
> Wahlempfehlung abzugeben, ist die Empörung groß. Hunderttausende
> Leser*innen kündigten Abos.
Bild: Jeff Bezos hat Leser*innen und Redakteur*innen mit der Entscheidung gegen…
Erinnern Sie sich noch an den „Trump Bump“? Nach dem 9. November 2016, dem
Wahltag, an dem [1][Donald Trump] zum Präsidenten der USA gewählt wurde,
stieg die Anzahl der neuen digitalen Abonnent:innen sowohl bei der New
York Times und dem Wall Street Journal als auch bei der Washington Post
deutlich an.
Ein Phänomen, das in den vergangenen Jahren immer wieder als Beispiel dafür
angeführt wurde, dass Qualitätsjournalismus auch außerhalb journalistischer
Kreise noch einen Stellenwert in der Gesellschaft hat.
Im ersten Amtsjahr Trumps knackte die Washington Post die Millionengrenze
bei den digitalen Abonnent:innen. Dieser Anstieg wird darauf zurückgeführt,
dass wieder [2][mehr Menschen bereit waren, für Nachrichten zu bezahlen].
Für eine unabhängige Presse, denn „Democracy Dies in Darkness“, die
Demokratie stirbt in der Dunkelheit. Der Slogan, den die Washington Post
ihren Leser:innen als Versprechen gab, galt für alle großen etablierten
Zeitungen.
## Erfolg gerät ins Wanken
Spätestens seit der Amtszeit von [3][Joe Biden] stagnierte die Zahl der
zahlenden digitalen Leser:innen bei den drei größten Zeitungen der USA,
die Washington Post hatte 2023 jedoch bereits rund 2,5 Millionen zahlende
Leser:innen.
Seit gut einer Woche gerät der Erfolg des „Trump Bump“ ins Wanken: Erst zum
zweiten Mal seit fast 50 Jahren wird die Washington Post keinen
Präsidentschaftskandidaten unterstützen. Sie wird diese Praxis sogar ganz
aufgeben.
Eine Empfehlung für Kamala Harris sei von der Redaktion vorbereitet worden,
hieß es in einem Artikel der Post, doch wenige Tage vor der Wahl sei
entschieden worden, sie nicht zu veröffentlichen. Diese Entscheidung sei
nicht von der Redaktion der Zeitung getroffen worden, berichtete unter
anderem die Washington Post selbst, sondern von ihrem Eigentümer, dem
Amazon-Gründer Jeff Bezos.
Die Redaktion veröffentlichte daraufhin einen Protestbrief von 21
Kolumnist:innen, Kommentare sowie [4][eine kritische Einordnung der
Entscheidung.] Darin heißt es, Bezos leite Amazon zwar nicht mehr selbst,
sein Vermögen bestehe aber zu einem großen Teil aus Aktien des weltgrößten
Onlinehändlers. Außerdem gehört ihm das Raumfahrtunternehmen Blue Origin,
das auf Staatsaufträge angewiesen ist. Eine Trump-Regierung könnte seinen
Unternehmen das Leben schwermachen.
## Mitarbeitende verlassen Zeitung
Die Redakteur:innen bitten nun ihre Leser:innen, ihr Abo nicht zu
kündigen. Schon nach einer Woche sind mehr als 250.000 Kündigungen bei der
Zeitung eingegangen. Damit hat sich jeder zehnte digitale Abonnent von der
Washington Post verabschiedet.
Es gibt auch personelle Folgen der Entscheidung: Am Freitag gaben zwei
Redakteur:innen, Robert Kagan und Danielle Allen, ihren Wechsel zum
ebenfalls in Washington ansässigen Magazin The Atlantic bekannt. Kagan war
einer der führenden Meinungsredakteure.
Allen, eine politische Philosophin und Professorin an der Harvard
University, war dort mehr als 15 Jahre lang Kolumnistin. „Ich denke, die
Entscheidung von Herrn Bezos ist eine beschämende Kapitulation vor der
Desinformation“, schrieb Allen bei der Bekanntgabe am Freitag. „Es ist, als
würde ein guter Lehrer in Zeiten des Lehrermangels das Klassenzimmer
verlassen.“
Auch wenn andere Medien kurzfristig Kapital aus der Kontroverse schlagen,
indem sie Journalist:innen und Kund:innen abwerben, wird langfristig
die gesamte journalistische Landschaft leiden.
## Trump nutzt Nichtunterstützung aus
Trump konnte die Entscheidung wenige Tage vor der Wahl für sich nutzen: Auf
einer Kundgebung in North Carolina behauptete er am Mittwoch, die
Nichtunterstützung der Washington Post sei eigentlich ein Gütesiegel für
seine Kampagne: „Dass sie niemanden unterstützen, heißt eigentlich, dass
die Demokraten nicht gut sind. Und sie denken, dass ich einen guten Job
mache. Sie wollen es nur nicht sagen.“
4 Nov 2024
## LINKS
[1] /T-C-Boyle/!6044655
[2] /Jeff-Bezos-und-die-Pressefreiheit/!6044592
[3] /Biden-in-Deutschland/!6043659
[4] https://www.washingtonpost.com/style/media/2024/10/25/washington-post-endor…
## AUTOREN
Jean Dumler
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