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# taz.de -- Endorsements im US-Wahlkampf: Ab jetzt ohne Empfehlung
> Die „Washington Post“ und „LA Times“ brechen mit der Tradition, eine
> Wahlempfehlung auszusprechen. Aus journalistischer Sicht ist das genau
> richtig.
Bild: Trump oder Harris? US-Amerikaner*innen müssen jetzt ohne Empfehlung der …
Aufruhr in den USA: Vergangene Woche kündigte die LA Times an, dass sie
2024 keine Wahlempfehlungen für das Weiße Haus aussprechen wird. [1][Auch
die Washington Post] wird darauf verzichten. Damit brechen beide Zeitungen
mit der jahrelangen Tradition des politischen „Endorsement“, bei dem in
einem Leitartikel für eine oder einen Präsidentschaftskandidat*in
argumentiert wird.
Folgen ließen nicht lange auf sich warten: Mariel Garza, Redakteurin im
„Editorial Board“ der LA Times – das Meinungsressort der Zeitung, das auch
für Wahlempfehlungen zuständig ist –, kündigte prompt am Mittwoch ihren
Rücktritt an. Zwei weitere Mitglieder des Editorial Boards folgten am
Donnerstag, darunter der Pulitzer-Gewinner Robert Greene.
Bei der Washington Post hat der Editor-at-Large Robert Kagan gekündigt.
„Beunruhigende Rückgratlosigkeit in einer Institution, die für ihren Mut
bekannt ist“, schrieb Martin Baron, ehemaliger Chefredakteur der Zeitung.
Auch Post-Veteranen Bob Woodward und Carl Bernstein kritisierten die
Entscheidung öffentlich. Beide Zeitungen verlieren nun Tausende
Abonnent*innen.
Doch die Entscheidung, keine Wahlempfehlung auszusprechen, ist aus
journalistischer Sicht die richtige. Die Aufgabe von Medien soll sein:
Leser*innen so zu informieren, dass sie selbst fundierte politische
Entscheidungen treffen können – nicht selbst Wahlkampf zu machen.
Kritisiert werden müssen dabei alle Parteien und Politiker*innen. Das ist
die wichtige Rolle der Medien in einer Demokratie.
## Eine Gefahr für die Demokratie
Dass Trump [2][eine Gefahr für eben diese Demokratie darstellt], dass sogar
sein Ex-Stabschef ihn inzwischen als „Faschisten“ bezeichnet, dass er in
einer zweiten Amtszeit die US-Demokratie radikal um- und abbauen würde –
über all das haben die Washington Post, die LA Times und auch viele andere
Medien schon mehrfach ausführlich und kritisch berichtet.
Wer Trump trotzdem wählt, tut das meist [3][aus tiefer Überzeugung], aus
einer Ablehnung von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, aus einer Resistenz
gegenüber Fakten – und wird sich nicht durch die offizielle Wahlempfehlung
einer Zeitung beeinflussen lassen. Im Gegenteil: Trumps Narrativ einer
befangenen Lügenpresse, der „Fake News Mainstream Media“, findet unter
seinen Stammwähler*innen dadurch noch mehr Glaubwürdigkeit. Denn es ist
kein Geheimnis, dass die Post und die Times sich nicht für ihn
ausgesprochen hätten.
Die Tradition des Endorsement ist dabei gar nicht so tradiert, wie manche
behaupten. In Deutschland ist die Praxis ungewöhnlich. Die LA Times war
seit ihrer Gründung 1881 eine eher konservative Zeitung, die die
Republikaner unterstützte. Nachdem sie 1972 Richard Nixon empfohlen hatte
und er nach dem Watergate-Skandal zurückgetreten war, beendete sie die
Praxis – bis 2008. Dann sprach sie sich für Barack Obama aus und empfahl
seitdem immer die demokratischen Kandidat*innen in
Präsidentschaftswahlen.
Bei der 1877 gegründeten Washington Post gehörte es eigentlich zur
Tradition, keinen Kandidaten zu unterstützen. Erst ab 1976 begann die
Zeitung, regelmäßig Wahlempfehlungen auszusprechen und hat seitdem immer
die Demokraten unterstützt (mit Ausnahme der Wahl 1988, bei der es keine
gab).
## Hilfe zur Selbsthilfe
Bei beiden Zeitungen setzten sich die Eigentümer durch, die Praxis zu
beenden, wie mehrere Medien berichten. Der Unternehmer Patrick Soon-Shiong,
der seit 2018 die LA Times besitzt, wolle lieber Leser*innen anhand
unparteiischer Informationen selbst entscheiden lassen, wen sie wählen
wollen, schrieb er auf X. Amazon-Gründer Jeff Bezos, der 2013 die
Washington Post kaufte, hat sich dazu nicht geäußert. Aber William Lewis,
seit Herbst 2023 Chef der Zeitung, begründete den Schritt ähnlich wie
Soon-Shiong.
Die Argumentation ist an sich richtig, die Entscheidung begrüßenswert, auch
wenn manche zynische Geschäftsgründe dahinter wittern. Trotzdem muss man
sie bestenfalls ambivalent sehen. Denn sie kommt zur Unzeit. Die Praxis des
Endorsement ausgerechnet jetzt zu beenden, wo Trump und Harris immer noch
Kopf an Kopf in den Umfragen stehen, wo Trumps Rhetorik immer enthemmter,
dystopischer und vor allem wahnsinniger wird, wo immer mehr Expert*innen
davor warnen, dass ein Trump-Sieg der Anfang vom Ende der US-Demokratie
sein könnte, ist bitter, wenn nicht fatal.
Die richtige journalistische Praxis ist die eine Sache. Die Rettung der
liberalen Demokratie jedoch eine völlig andere, die mit allen möglichen
Mitteln unterstützt werden muss. Denn nach deren Abschaffung wird es keine
freie Presse mehr geben.
27 Oct 2024
## LINKS
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## AUTOREN
Nicholas Potter
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