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# taz.de -- Ländle-Grüne kriseln: Kretschmann hat Krach mit Grünen
> In Baden-Württemberg streiten der grüne Ministerpräsident und seine
> Landtagsfraktion über ein Gleichbehandlungsgesetz. Zur Freude der CDU.
Bild: Winfried Kretschmann im Bundeskanzleramt am 20. Juni in Berlin
Stuttgart taz | Die Zahlen werden nicht besser für die Grünen, nicht mal
dort, wo sie sich noch auf den Amtsbonus von Winfried Kretschmann stützen
können. In diesem Monat stellte infratest dimap etwa eineinhalb Jahre vor
der nächsten Landtagswahl die Sonntagsfrage. Danach würden bei einer
Landtagswahl nur noch 18 Prozent der baden-württembergischen Wähler Grün
wählen.
Die CDU, der derzeitige Juniorpartner, käme dagegen auf 32 Prozent. Die AfD
liegt bei 16 Prozent, die SPD bei 13 und die FDP in ihrem Stammband gerade
mal noch bei 5 Prozent. Für die Grünen ist das der schlechteste Wert seit
2010.
Schwierige Voraussetzungen für einen grünen Nachfolgekandidaten, der
[1][höchstwahrscheinlich Cem Özdemir] heißen wird und sich bis Dezember
erklären muss. Dann wählen die Südwestgrünen ihre Landesliste für die
Bundestagswahl. Will Özdemir Kretschmann beerben, wird er da nicht mehr
kandidieren.
Kretschmann verbreitet aber [2][trotz des grünen Tiefs] Zuversicht. Die
Lage für seine Partei sei zwar „schwierig, aber nicht aussichtslos“, sagte
der Ministerpräsident diese Woche. Die Antistimmung beträfe weniger seine
Politik im Land als die der Ampel im Bund. Man müsse nun „die offenen
Flanken schließen“, sagte Kretschmann. In der Flüchtlingspolitik geschehe
das derzeit bereits. Dann könne man sich wieder auf die grünen Kernthemen
wie Klimaschutz konzentrieren.
Zu diesen vermeintlich offenen Flanken zahlt er offenbar auch zwei grüne
Prestigeprojekte, die für Kretschmanns Staatsministerium jetzt nicht mehr
in die Zeit zu passen scheinen. Dabei sind beide im Koalitionsvertrag
vereinbart. Mit einer Mobilitätsgarantie soll der öffentliche Nahverkehr
zwischen 5 Uhr und 22 Uhr auch in ländlichen Regionen garantiert werden.
Das Projekt war durch das Deutschlandticket in Gefahr geraten, weil sich
das Land daran mit erheblichen Mitteln beteiligen musste. Geld, das im
Haushalt eigentlich für die Mobilitätsgarantie vorgesehen war. Auch weil
die CDU bremst, steht das Projekt ganz infrage.
Noch kritischer sieht es beim Gleichbehandlungsgesetz aus, das die Rechte
von Bürgern gegenüber den Behörden stärken sollte. Wer sich von
Landesbehörden oder in Gemeinden diskriminiert fühlt, sollte sich bei einer
Ombudsstelle beschweren können, nach einem Mediationsversuch bliebe der
Klageweg. Das war der Kompromissvorschlag, auf den sich die Fachpolitiker
der Koalition nach langen Verhandlungen geeinigt hatten.
Beim Gemeindetag und auch im Kultusministerium kam der Gesetzentwurf jedoch
nicht gut an. Man befürchtete eine Flut notwendiger Stellungnahmen nach
Beschwerden. Auch der frisch besetzte Normenkontrollrat des Landes, dem
[3][der ehemalige grüne Freiburger Oberbürgermeister Dieter Salomon]
vorsitzt, nannte das Gesetz überflüssig und warnte vor zu viel Bürokratie.
Wohl mit dem Ziel, das Gesetz endgültig zu stoppen, schrieb im September
der grüne Chef der Staatskanzlei Florian Stegemann an den grünen
Landtagsfraktionschef Andreas Schwarz, er werde diesen Gesetzentwurf nicht
mehr einbringen, da er die Erfolge des Bürokratieabbaus, den das Land
unternommen habe, gefährde. Zudem führte er eine Stimmungslage ins Feld,
die die Regierung nicht „ignorieren könne und dürfe“.
Nun ist Stegmann in Kretschmanns Haus nicht nur der Beauftragte für
Bürokratieabbau, sondern auch ein enger Vertrauter des Ministerpräsidenten,
weshalb kaum ein Grüner an einen Alleingang des Staatsministers glaubt.
Auch wenn Kretschmann beteuert, der Brief sei nicht mit ihm abgesprochen
gewesen.
Entsprechend groß ist die Empörung in der Fraktion. Es ist von „Verrat“ u…
„in den Rücken fallen“ die Rede. Es wird gezweifelt, ob man mit Stegmann
noch vertrauensvoll zusammenarbeiten könne. Andere Abgeordnete sehen in dem
Brief ein Zeichen dafür, dass der Gestaltungswille im Staatsministerium
„komplett lost ist“. Es gibt Rücktrittsforderungen an Stegmann.
Der grüne Innenpolitiker Oliver Hildenbrand will an dem Gesetzentwurf, der
das Gleichstellungsgesetz des Bundes für kommunale und Landesbehörden
ergänzt, festhalten. „Ich kämpfe seit dem Koalitionsvertrag um das Gesetz
und werde nicht aufgeben.“ Der schwarze Koalitionspartner streut derweil,
dass man mit „diesen zerstrittenen Grünen“ nichts mehr hinbekomme.
24 Oct 2024
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## AUTOREN
Benno Stieber
## TAGS
Winfried Kretschmann
Grüne
Baden-Württemberg
Landtag
Bündnis 90/Die Grünen
Cem Özdemir
Artensterben
Schwerpunkt Klimawandel
Omid Nouripour
Bündnis 90/Die Grünen
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