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# taz.de -- Die Wahrheit: Im Reisefieber
> Sanfter Tourismus? Rapüh. Mehr Geschäftsreisen, bitte! Upper Digital
> Working Class setzt auf bessere Work-Travel-Balance.
Ich schriebe ja gern, dass mich die jüngste Mitteilung aus der Welt der
Werktätigen beim Zeitungblättern im Flugzeug oder wenigstens im Zug
erreicht hätte. Dann hätte ich aber auf die typische Art der
Geschäftsreisenden gelogen. Jene mobilen Gesellen scheinen mir in dieser
Herbsturlaubszeit ohnehin die Umtriebigsten unter den Normalbeschäftigten
zu sein.
Im Handelsblatt las ich kürzlich online die Schlagzeile: „Jeder Dritte
würde bei zu wenig Geschäftsreisen Job wechseln.“ Donnerwetter! Auf Anhieb
klang mir das nach einem ganzen Batzen Leute, wenn man bedenkt, dass sie
unauffällig unter uns leben und trotzdem alle die gleiche Macke haben.
Sie reisen nämlich für ihr Leben gern. Ihren verhassten Job behalten sie
nur, um möglichst viel Zeit für Geschäftsreisen zu gewinnen.
Selbstverständlich klang die Umfragebeschwerde auch nach dem Pokerspiel
gefragter Erfolgstypen, nach verdruckster Streikdrohung oder unverhohlener
Erpressung: „Chef, ich brauch noch zwei Dienstreisen nach Kapstadt und
Melbourne, sonst schmeiß ich hin! Können gerade Sie sich bei der
augenblicklichen Auftragslage eigentlich nicht leisten. Wollt’s nur gesagt
haben.“
Hab den Artikel letztlich nicht ganz gelesen, weil ich mich vor
Entzauberung fürchtete. Außerdem ist es vernünftig, nur die Überschriften
zu scannen, um nicht vom Kern der Dinge abgelenkt zu werden. Ich für meinen
Teil wollte mir die Vorstellung nicht nehmen lassen, dass ein Drittel der
Menschen, die da draußen rumlaufen, auf bizarre Weise totale Reisefans und
Unterwegstypen sind. Heute hier, morgen dort! Immer am Rucksackpacken,
stets die Hand am Rollkoffergriff, unentwegt kurz vorm Aufbruch in neue
unbekannte Gefilde. Neugierige Menschen, deren Lebenselixier ständige
Bewegung ist!
## Have love, will travel
Gleichzeitig waren diese Leute aber von ungezählten Vorschriften gefesselt
– zwar auf allen Kontinenten unterwegs, aber selbst in fremdesten Städten
wie Hannover oder Pirmasens von tausend Regularien samt Quittungssammelwahn
gepeinigt. Woher wusste ich, dass nicht auch diese scheinbar
beneidenswerten Zeitgenossen stark unter ihrer Obsession litten? Dass sie
letztlich unter der Last der monatlichen Reisekostenabrechnung schier
verzweifeln würden, wenn ihnen nicht ständig die Karotte des
Geschäftsreiseabos oder der BahnCard 100 unter die Nase gehalten würde?
Wie unvorstellbar sauer diese Leute waren, dass ihre kostbaren
Geschäftsreisen kleinlichen Sparmaßnahmen zum Opfer fallen sollten, konnte
ich mir plötzlich doch vorstellen. Wahrscheinlich ging es in dem Artikel
sowieso nur um die angeblich übertriebene Anspruchshaltung jüngerer
Arbeitnehmer. Bestimmt sollte wieder auf irgendeiner Generation rumgehackt
werden. Auf Menschen, die nichts weiter wollten, als alle Vierteljahre
gemütlich im Homeoffice ihre Traumreisen abzurechnen. So wie ich!
29 Oct 2024
## AUTOREN
Mark-Stefan Tietze
## TAGS
Kolumne Die Wahrheit
Dienstreisen
Saisonarbeitskräfte
Tourismus
Apokalypse
Weihnachtsmärkte
Essen
Die Wahrheit
Oktoberfest
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