| # taz.de -- Metal-Komödie „Heavier Trip“: Vom Schlachthof in den Metal-Oly… | |
| > Jukka Vidgren und Juuso Laatio blicken in „Heavier Trip“ selbstironisch | |
| > auf die Metal-Szene. Skurriler Humor und Verständnis zeichnen die Komödie | |
| > aus. | |
| Bild: Die Band Impaled Rectum in „Heavier Trip“ | |
| Donnernde Drums und dröhnender Bass, krachende Gitarrenriffs und | |
| aggressiver Schreigesang: Schon die Tatsache, dass „Heavy Trip“ voll von | |
| der Musik ist, von deren Anziehungskraft der Film erzählt, machte ihn | |
| damals für Liebhaber des härteren Rock so interessant. | |
| Dass die 2018 erschienene Komödie schließlich schnell zum Kultfilm unter | |
| Metal-Fans avancierte, hatte allerdings auch mit der tiefen Kenntnis und | |
| der spürbaren Verbundenheit der verantwortlichen Filmemacher mit dieser | |
| speziellen Subkultur zu tun. | |
| Mit ihrer abenteuerlichen Geschichte um vier Außenseiter, die auf einem | |
| verschlafenen finnischen Dorf von der großen Bandkarriere träumen, | |
| würdigten Jukka Vidgren und Juuso Laatio die Hingabe zur | |
| [1][Heavy-Metal-Kultur] – und parodierten zugleich deren kaum zu | |
| leugnende Sonderbarkeiten wie ihre gern zur Schau gestellte „Härte“. | |
| „Heavy Trip“ spielte geschickt mit dem gängigen Klischee, dass sich hinter | |
| dieser allerdings meist ein besonders weicher Kern verbirgt. Sänger Turo | |
| (Johannes Holopainen), Gitarrist Lotvonen (Samuli Jaskio), Bassist Pasi | |
| (Max Ovaska) und Drummer Jynkky (Antti Heikkinen) irritierten die | |
| engstirnige Nachbarschaft zwar mit ihrer offensiven Faszination für das | |
| Makabre, das Finstere und Groteske, waren im Grunde aber schlicht vier | |
| freundliche Musiknerds. | |
| Verlacht von Dorfbewohnern | |
| Während sie auf der Straße von den anderen Dorfbewohnern für ihr | |
| auffallendes Auftreten und ihre (vermeintlichen) „Hippie-Frisuren“ verlacht | |
| wurden, suchten sie im Keller des Rentierschlachthofs der Eltern ihres | |
| weitgehend talentfreien Gitarristen passioniert nach dem perfekten Sound. | |
| Dass sie diesen dann ausgerechnet durch einen defekten Fleischzerkleinerer | |
| entdecken, ist typisch für den skurrilen Humor in „Heavy Trip“. | |
| Dieser steigerte sich zu einem wahren Slapstick-Feuerwerk, als der | |
| schüchterne Turo (Johannes Holopainen) einen großen Gig im Nachbarland | |
| Norwegen erfand, um die örtliche Floristin zu beeindrucken. Daraufhin waren | |
| die vier Freunde gezwungen, äußerste Kreativität an den Tag zu legen, um | |
| trotz nicht vorhandener finanzieller Mittel schnell ein professionelles | |
| Image zu kreieren. | |
| Doch selbst ein Blitzer kann als Bandfotograf herhalten, wenn nur eines der | |
| Mitglieder mutig genug ist, in waghalsigem Tempo darauf zuzusteuern. | |
| Die Lüge geriet schließlich derart außer Kontrolle, dass sie Drummer Jynkky | |
| das Leben kostete. Am Ende des liebevoll überdrehten Metal-Märchens standen | |
| die jungen Männer als Impaled Rectum dann dennoch auf der großen Bühne, | |
| wurden wegen der unterwegs (teils versehentlich) begangenen Verbrechen aber | |
| kurz darauf festgenommen. | |
| Fortsetzung fünf Jahre später | |
| Die ebenfalls von Jukka Vidgren und Juuso Laatio geschriebene und | |
| inszenierte Fortsetzung „Heavier Trip“ setzt etwa fünf Jahre später ein. | |
| Die vier Musiker, zu denen mittlerweile auch der zuvor aus einer | |
| psychiatrischen Klinik geflohene Oula (Chike Ohanwe) gehört, sitzen in | |
| einem Alcatraz-ähnlichen Gefängnis auf einer norwegischen Insel ihre | |
| Strafen ab. | |
| Statt ihres „symphonischen postapokalyptischen | |
| Rentier-Schredder-Christus-verachtenden | |
| Extreme-War-Pagan-Fennoskandinavischen Metal“ steht damit nun zahmer | |
| Tanztee auf der Tagesordnung. | |
| Doch Impaled Rectum gilt mittlerweile als die „gefährlichste Band der Welt“ | |
| – und dieser Ruf arbeitet in der Subkultur für sie: Eines Tages verspricht | |
| ihnen mit Maxwell Efraim Fisto (Anatole Taubman) ein namhafter Manager | |
| einen Auftritt auf dem wohl angesehensten Metal-Festival der Welt, [2][dem | |
| deutschen „Wacken Open Air“]. | |
| Dafür allein würde sich ein Ausbruch für die Vier natürlich schon lohnen. | |
| Um die dramatische Spannung zu erhöhen, steht allerdings auch noch die | |
| Zukunft des besagten Schlachthofs auf dem Spiel, die sie, | |
| selbstverständlich, nur durch ihre Gage sichern können. | |
| Überzeichnung als Stilmittel | |
| Dass die Ausgangslage von „Heavier Trip“ konstruiert wirkt, stört wie schon | |
| beim Vorgänger kaum, schließlich schöpft auch die Fortsetzung einen | |
| Großteil ihrer Komik aus der Überzeichnung. Ohnehin funktioniert sie nach | |
| ganz ähnlichen Mechanismen: Mit viel Selbstironie feiert das Regie- und | |
| Autorenduo die oft schrillen Aspekte der Metal-Szene, greift dafür auf gut | |
| platzierte Insiderwitze und ihre düsteren Soundlandschaften zurück, die | |
| dieses Mal vom finnischen Gitarristen Mika Lammassaari kreiert wurden. | |
| Dass der Unterhaltungswert des Films dennoch hinter dem Original | |
| zurückbleibt, mag mit dem veränderten Setting zu tun haben: Während „Heavy | |
| Trip“ vor einem ländlich-konservativen Hintergrund angesiedelt war, spielt | |
| sich der zweite Teil nun im Wesentlichen [3][innerhalb der Musikszene | |
| selbst] ab. | |
| Dadurch gehen dem Film nicht nur die besonders lustigen | |
| Culture-Clash-Momente verloren, die gerade aus der Abweichung der zentralen | |
| Figuren von ihrem Umfeld erwuchsen – sondern auch viel des anarchischen | |
| Charmes der Erzählung, der wiederum durch das enorme Durchhaltevermögen der | |
| vier eingeschworenen Außenseiter zustande kam. | |
| Ausverkauf der Subkultur | |
| Stattdessen setzt „Heavier Trip“ nach dem chaotischen, aber dennoch | |
| erfolgreichen Gefängnisausbruch der Freunde zu einer altgedienten Parabel | |
| auf die Verlockungen des Ruhmes an, die bekanntlich nicht nur den Charakter | |
| verderben, sondern auch den Ausverkauf ganzer Subkulturen bedeuten können. | |
| Mr. Fisto – nomen est omen – verleitet Turo, wie schon viele vor ihm, mit | |
| der Aussicht auf den ganz großen Erfolg zu zahlreichen Alleingängen, die | |
| ihn zunehmend von seinen Freunden entfremden. | |
| Dass Jukka Vidgren und Juuso Laatio auf diese Weise Kritik an der | |
| Kommerzialisierung der Heavy-Metal-Kultur üben, ist zwar durchaus | |
| sympathisch. Aufgrund des bewusst leichtfüßigen Tons bleibt sie allerdings | |
| plakativ und führt zwangsläufig zu einem vorhersehbaren Verlauf der | |
| Handlung, an deren Ende natürlich zuerst eine Läuterung und dann eine | |
| Versöhnung stehen muss. | |
| Doch auch wenn der Ausgang der Geschichte absehbar ist, hält der Weg | |
| dorthin auch dieses Mal witzige Slapstickmomente, herrlich merkwürdige | |
| Figuren und sogar Cameo-Auftritte wie des „Wacken“-Mitgründers Thomas | |
| Jensen bereit. Eingefleischte Metal-Fans und all jene, deren Herz für | |
| „düstere“ Subkulturen schlägt, dürften damit auch an der Fortsetzung ihre | |
| finstere Freude haben. | |
| 15 Oct 2024 | |
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| ## AUTOREN | |
| Arabella Wintermayr | |
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