# taz.de -- Die „Junge Welt“ von damals: Als ich Dr. Sommer des Ostens war | |
> Die „Junge Welt“ war nach der Wende mal kurz aufregend. Das ist lange her | |
> und die Liebesgeschichte ist zu Ende. | |
Bild: Aus besseren Tagen: Stapel Junge Welt, 2013 | |
Das mit der Liebe ist ja so eine Sache. Glücklich schätzen kann sich, bei | |
wem sie ein Leben lang hält. Meistens aber wird sie enttäuscht, manchmal | |
nach 20 Jahren, sehr häufig im berühmt-verflixten 7. Jahr, es gab auch | |
schon Fälle, wo die Zuneigung nicht länger als eine Nacht anhielt. Die | |
Gründe für das Schluss-aus-vorbei sind so unergründlich wie die Liebe | |
selbst. Aber manchmal sind sie auch ganz klar. | |
Ich zum Beispiel war mal ganz doll verliebt in die Junge Welt. Unsere Liebe | |
endete – der Klassiker – bitter. Aber der Reihe nach. Die Junge Welt war | |
eine Zeitung in der DDR, bis 1989, als sich die Ostdeutschen aus der | |
toxischen Beziehung zur DDR befreiten, das Zentralorgan der FDJ. Das Blatt | |
hatte eine Auflage von 1,6 Millionen – ob das ein Indiz für bedingungslose | |
Liebe der Ostdeutschen zur Jungen Welt war, ist heute nicht mehr eindeutig | |
verifizierbar. Aber fragte man damals Leute, was sie in der Zeitung lesen, | |
sagten sie: Mittwoch, Seite 6. | |
Das war lustig, weil auf [1][Seite 6 Sex verhandelt wurde]. Also ein | |
bisschen, zu viel Schweinkram ging nämlich nicht in der Rubrik, die sich | |
[2][„Unter vier Augen“] nannte und weit entfernt war von Fragen an Dr. | |
Sommer in der Bravo: Knallt es laut, wenn das Jungfernhäutchen platzt? | |
Warum sind meine Schamlippen so schrumplig? Tut eine Intimrasur weh? Nicht | |
so in der Jungen Welt, die suchte nach dem Klassenstandpunkt in der Liebe. | |
## Kranzgeld | |
Der war ab 1990 egal, ich wurde Redakteurin, wir Jungen schmissen Altkader | |
raus, machten jeden Tag eine kleine, feine Zeitung und planten abends in | |
der Kneipe schon die vom nächsten Tag. Mehr Liebe ging nicht. Ich übernahm | |
„Unter vier Augen“ – und wurde Dr. Sommer des Ostens. Ich war 25, hatte | |
keine Ahnung und eine Kolumne. Im „Sexikon“ ging es um Kranzgeld, | |
Missionarsstellung, Prostitution (für die Recherche stellte ich mich auf | |
den Straßenstrich in der Oranienburger Straße in Berlin, ließ mich von Lude | |
Karsten angrapschen und von echten Prostituierten beschimpfen). | |
Liebe hin, Liebe her, ich machte Schluss mit der Jungen Welt. Wer heiratet | |
schon seine erste Liebe? Wir trafen uns selten, [3][wurden uns fremd und | |
fremder]. Und als sie mir hier wieder begegnete, [4][in einem Text, der vom | |
Grusel erzählt,] fragte ich mich, was das damals mit uns war. Sie heißt | |
jetzt jw, gleicht dem Flugblatt einer K-Gruppe, verharmlost islamistischen | |
Terror, liebt Putin und [5][rollt Egon Krenz, der mal Erster Sekretär der | |
FDJ war, den roten Teppich aus]. Zum Glück bin ich aus der Nummer raus. | |
Schon lange. | |
12 Oct 2024 | |
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## AUTOREN | |
Simone Schmollack | |
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