# taz.de -- Vorständin der St.-Pauli-Genossenschaft: „Wir reden von einer We… | |
> Der FC St. Pauli hat eine Genossenschaft gegründet. Vorständin Miriam | |
> Wolframm erklärt, wieso der Fußballclub diesen Weg geht. | |
Bild: Nachhaltige Anlage: Das Sprießen des grünen Rasens soll künftig Genoss… | |
taz: Warum gründet der FC St. Pauli eine Fußball-Genossenschaft, Frau | |
Wolframm? | |
Miriam Wolframm: Der FC St. Pauli braucht Geld, um im Profifußball bestehen | |
zu können. Das erleben wir derzeit hautnah in den Spielen in der | |
Bundesliga. Es ist in dem Business nicht leicht für einen Aufsteiger wie | |
uns. Und wir wollen uns unabhängig machen von den Banken. Deshalb haben wir | |
uns gefragt: Welche Chance haben wir, mit dem FC St. Pauli an Geld zu | |
kommen, ohne das zu verkaufen, wofür wir stehen? Das ist das Spannungsfeld, | |
in dem der Verein immer steht. Da passte das Modell, eine Genossenschaft | |
als Spiegelbild zum Verein, wie die Faust aufs Auge – mit | |
Anteilseignerinnen, die mit ihrem Anteil eine Stimme haben, egal wie viel | |
Geld sie bezahlen. Alle sind gleich. Das ist genauso basisdemokratisch, wie | |
wir es auch im Verein leben. | |
taz: Was wäre die Alternative? | |
Wolframm: Investoren, große Konzerne zum Beispiel, also all das, was wir | |
nicht möchten. Es gibt einen Mitgliederbeschluss, dass wir den Stadionnamen | |
nicht verkaufen, dass wir Tribünennamen nicht verkaufen. Wir präsentieren | |
keine Ecken, wir präsentieren keine Gelben Karten, wir präsentieren keine | |
Bälle, wir präsentieren hier einfach Fußball. | |
taz: Und was ist die Rolle der Genossenschaft darin? | |
Wolframm: Unser Satzungszweck ist die Förderung des FC St. Pauli. Wir | |
wollen Anteile verkaufen und damit Geld sammeln, um die Mehrheit am | |
Millerntor-Stadion zu erwerben. Der FC St. Pauli bekommt das Geld und löst | |
damit Kredite ab, um dann keine Zinsen mehr an Banken zahlen zu müssen. Und | |
von diesen Einnahmen kann die Genossenschaft, wenn die Mitglieder das so | |
möchten, eine Dividende auszahlen | |
taz: Ist das ein Kaufanreiz? | |
Wolframm: Ich glaube, die potenziellen Genoss:innen haben gar nicht das | |
Hauptinteresse, eine Dividende zu bekommen. Das, wovon wir immer reden, ist | |
eine Werte-Anlage. Das ist kein kurzfristig wahnsinnig lukratives | |
Finanzprodukt. Wenn man schnell viel Geld machen möchte, dann wird man | |
nicht Genossenschaftsanteile kaufen. Wir gehen auch nicht davon aus, dass | |
das der Treiber ist. Aber wir wollen natürlich Überschüsse erwirtschaften. | |
Was damit passiert, wird dann die Mitgliederversammlung der Genossenschaft | |
beschließen – ob ein Überschuss als Rendite ausgezahlt oder weiter | |
investiert wird. | |
taz: Zum Beispiel in einen Ausbau des Stadions … | |
Wolframm: Das erste Projekt ist der Kauf der Mehrheitsanteile am Stadion. | |
Aber es gibt natürlich auch noch weitere Projekte, die wir machen könnten. | |
Das könnten zum Beispiel Ausbauten sein, zum Beispiel die Ecken des | |
Stadions zuzubauen. Da gibt es noch Potenziale. In Bezug auf | |
Barrierefreiheit gibt es auch Potenziale. Auch das | |
Nachwuchsleistungszentrum könnte ein interessantes Projekt sein. Wir wollen | |
die Infrastruktur liefern, damit der Verein bestmöglich performen kann. | |
taz: Wird der Verein dann Mieter der Genossenschaft? | |
Wolframm: Wir haben einen Pachtvertrag zwischen der Genossenschaft und dem | |
Verein. Es gibt eine GmbH, an der die Genossenschaft den höheren Anteil | |
erwirbt und der Verein den niedrigeren hält. Er zahlt eine Pacht als | |
alleiniger Nutzer des Stadions. Wir sind dann offiziell Vermieter. | |
taz: Wenn andere Clubs das Stadion nutzen wollten, etwa für Pokalspiele, | |
müsste die Genossenschaft interessiert sein, das Geld einzunehmen. Im | |
Verein könnte man das anders sehen. | |
Wolframm: Der Verein hat immer ein Vetorecht, trotz seiner | |
Minderheitsbeteiligung an dieser GmbH. Tatsächlich sind das | |
Governance-Themen, die wir mit dem e.V. sehr klar geregelt haben und die | |
natürlich für die Mitglieder wahnsinnig wichtig sind. Immer wieder kommen | |
solche Fragen hoch: Könntet ihr das Stadion aus Versehen blau streichen? | |
Natürlich wird das nicht passieren. Mitgliederbeschlüsse sind bindend. Wir | |
vermieten aus gutem Grund nicht an alle Vereine oder an politische | |
Institutionen. Wir vergeben das gesamte Stadion an den e.V. Der zahlt dafür | |
die Pacht, macht aber alles, was da drin stattfindet, immer noch selber. | |
taz: Da können wirtschaftliche Interessen auch mal hinten anstehen? | |
Wolframm: Wir versuchen, ein richtigeres Leben im falschen möglich zu | |
machen. Das ist für mich etwas, wofür der Verein ganz klar steht. Seit 2003 | |
bin ich aktiv in der Fanszene und habe mit anderen Menschen Dinge | |
erstritten und erkämpft, die für uns wahnsinnig wichtig sind und für die | |
wir als Menschen stehen, die diesen Verein unterstützen. Das haben wir alle | |
seit den Achtzigern immer sehr stark hereingebracht in diesen Verein. | |
taz: Kann die Genossenschaft unbegrenzt wachsen? | |
Wolframm: Nein, wir haben ein Projekt, für das sammeln wir jetzt aktuell | |
das Geld. Wir werden – hoffentlich – bis zu 30 Millionen Euro einnehmen, um | |
die Mehrheit am Stadion zu kaufen. Das deckeln wir dann. Wenn man im | |
Profifußballkontext von 30 Millionen redet, ist es für die großen Clubs und | |
Konstrukte nicht viel Geld, muss man ehrlich sagen. Für uns ist es aber | |
wahnsinnig viel Geld. Wenn wir später eine große, neue Kampagne machen | |
würden, würden wir auch noch mal neue Genossinnen zulassen. | |
taz: Was kostet ein Anteil? | |
Wolframm: 750 Euro plus eine Verwaltungskostenpauschale von 32 Euro sowie | |
eine Rücklage von 68 Euro. Wir wissen, dass 850 Euro für viele Menschen | |
sehr viel Geld sein können. Deshalb haben wir ein Ansparmodell | |
mitentwickelt, Fans und Mitglieder des FC können ansparen, damit sie in | |
dieser ersten Welle mit dabei sein können. Auch wenn sie es bis Januar | |
nicht geschafft haben, haben sie die Chance, im Nachgang ein Jahr lang noch | |
den Rest des Anteils zu zahlen, um dann voll stimmberechtigt zu sein. Es | |
ist uns wichtig, allen die Möglichkeit zu geben, mitzukommen auf diese | |
einmalige Reise. | |
taz: Ist die Zahl der Anteile pro Erwerber beschränkt? | |
Wolframm: Nein, aktuell noch nicht, weil wir auch nicht davon ausgehen, | |
dass wir es müssen. Aber das können wir situativ entscheiden. Jeder, jede | |
Genoss:in braucht die Zulassung durch uns als Vorstand. Da kann jetzt | |
natürlich nicht jemand sagen: Ich gebe 30 Millionen und bin die einzige | |
Person, die Anteile hat. | |
taz: Ist diese Zulassung an Voraussetzungen geknüpft? | |
Wolframm: Nein, grundsätzlich steht die Genossenschaft allen Interessierten | |
offen. Wir haben keine Blacklist. Aber wir haben gewisse Vorstellungen und | |
Werte, die wir vertreten, und die eine oder andere Sache passt vielleicht | |
nicht unbedingt dazu. | |
taz: Zielt die Genossenschaft auch auf Fans außerhalb von Hamburg? | |
Wolframm: Absolut! Wir werben dafür in ganz Deutschland aktiv. Wir gehen | |
davon aus, dass da ein großes Interesse bestehen wird. Aber auch Menschen, | |
die nicht in Deutschland leben, können Anteile zeichnen. | |
taz: Wenn die Genossenschaft ein Erfolg wird, könnte das Modell auch | |
anderswo Fans bewegen, den Fußball von den Investoren zurückzukaufen? | |
Wolframm: Erst mal muss es ein Erfolg werden. Aber dann würde es mich | |
wundern, wenn andere Fanszenen sich das anschauen und denken: Ach, finden | |
wir aber schon besser, wenn Rheinmetall das mit seinen Kampfpanzern | |
finanziert. | |
24 Sep 2024 | |
## AUTOREN | |
Jan Kahlcke | |
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