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# taz.de -- Fanproteste in Frankreich: Die Wochenendrebellen
> In der französischen zweiten Liga sind die Fans auf den Barrikaden gegen
> das Kapital. Der Sender BeIN Sports hat fast alle Spiele unter die Woche
> gelegt.
Bild: Beim Zweitligaspiel zwischen Red Star Paris und Stade Lavalois spre…
An diesem Freitag werden sie beim katarischen Sender BeIN Sports wohl
ausnahmsweise nicht über Frankreich seufzen. Denn in der Länderspielpause
pausiert auch die widerspenstige zweite französische Liga der Männer. Seit
Saisonbeginn sind die organisierten Fans dort auf den Barrikaden gegen
BeIN. Der Sender klagt, sein Image werde „völlig beschmutzt“. Sie fahren
Stimmungsboykotte, [1][werfen Tennisbälle] auf den Rasen, stören die
Kameras mit Laserpointern oder verdecken die Sicht aufs Feld mit TV-Stäben
und Transparenten. Und es sieht nicht aus, als ob sie so schnell klein
beigeben werden.
Die Wut hat einen konkreten Anlass: Nachdem BeIN recht kurzfristig als
einziger Interessent die Rechte an der zweiten Liga erworben hatte, ließ
der Sender alle Ligaspiele auf Freitag oder Montag verlegen. Nur eines
verblieb am Samstag. Der Aufschrei der Fans ließ nicht lange auf sich
warten. Das Motto der Proteste: „Le foot c’est le weekend“ – „Fußbal…
am Wochenende“. Der Konflikt zwischen globalem Kapital und lokalen
Interessen zeigt sich im französischen Unterbau in fast schon grotesk
zugespitzter Form.
Am 12. September [2][hat BeIN Sports] in einem Sondertreffen mit
Funktionär:innen und Fan-Repräsentant:innen zugestanden, ein weiteres
Spiel auf Samstag zu verlegen. Zu mehr ist der Sender nicht bereit. „Unser
Katalog ist sehr umfangreich“, begründete Florent Houzot, Redaktionsleiter
von BeIN Sports, und die Zahl der Kanäle sei begrenzt. In Katar und
anderswo kann man sich zur Prime Time sicher Besseres vorstellen als die
Ligue 2. „Falls die Klubs mehrheitlich dafür stimmen, einen großen Block
der Spiele am Samstag auszutragen, wird das ohne BeIN Sports sein.“ Das
wären 40 Millionen Euro weniger für die ohnehin finanziell angeschlagene
Ligue 2 und wahrscheinlich ein weiterer Wertverfall der Rechte.
Vincent Mezence ist bei den Verhandlungen mit BeIN dabei gewesen. Er ist
Fan des Zweitligisten Red Star Paris und Sprecher der Red Star Fans, einer
der führenden Gruppen in der Protestbewegung. „Sie bezeichnen es als
Kompromiss, aber für uns ist das nicht akzeptabel“, sagt er. Es sei enorm
schwer für Fans, ihre Aktivitäten am Freitag oder Montag zu organisieren.
Die Anstoßzeiten seien ungünstig für Familien und viele Leute würden direkt
von der Arbeit ins Stadion hetzen. Seit der Verlegung sind die
Zuschauerzahlen teils deutlich gesunken.
Von BeIN fühlen sich die Fans nicht ernst genommen. „Es ist kein
technisches Problem, es ist ein philosophisches Problem“, glaubt Mezence.
„Wir haben zwei grundverschiedene Visionen von Fußball. Wenn man mit ihnen
spricht, fühlt sich das manchmal surreal an.“ Für die Protestierenden ist
klar: Sie wollen eine große Mehrzahl der Spiele am Samstag erstreiten. „Das
war nur der Anfang, die Proteste werden weitergehen. Und sie werden in den
nächsten Wochen auch über die Tribünen der zweiten Liga hinausgehen. Wenn
nötig, machen wir jahrelang weiter.“
Ungewöhnlich ist die Situation deshalb, weil ein Teil der Klubs hinter den
Fans steht. Als regionale Marken sind sie auf ihre Fanbasis vor Ort
angewiesen und halbleere Stadien sind nicht in ihrem Interesse. Bei Red
Star Paris etwa liefen Spieler mit Protestshirts ein. BeIN-Direktor Houzot
beschwerte sich über mangelnde Unterstützung. „Wenn die nicht kommt, müssen
sie mit den Konsequenzen leben.“ Der Deal könnte also durchaus platzen.
Fraglich aber ist, woher dann das Geld kommen soll.
Der französische Fußball ist seit der Pandemie bedenklich in Schieflage
geraten. Besondere Turbulenzen verursachten die plötzliche
Zahlungsunfähigkeit des spanischen TV-Partners Mediapro, worauf Rechte
hektisch weit unter Wert auf den Verkaufstisch kamen und ein langer
Rechtsstreit mit Canal Plus.
Die LFP, [3][das französische Pendant zur DFL], hatte die neuen Rechte für
die Ligue 2 ursprünglich schon im Oktober 2023 ausgeschrieben. Doch die
gewünschten Preise wollte niemand zahlen. Auch die Ligue 1 ist ihre Rechte
statt für eine Milliarde Euro pro Saison nur zum halben Preis losgeworden.
Seitdem das Zugpferd Paris Saint-Germain für Katar an Bedeutung verloren
hat und Stars wie Mbappé und Neymar weg sind, verliert die Liga auch an
Attraktivität. Der katarische Sender BeIN zahlte zuletzt mehrfach
verspätet, was die Klubs weiter unter Druck setzt.
„Wir sind zu abhängig geworden“, klagt Fanvertreter Mezence. „Erstens von
Katar und BeIN Sports und zweitens von amerikanischen Investmentfonds, die
hier seit vier oder fünf Jahren vieles aufkaufen.“ Der Konflikt in der
zweiten Liga wirft mithin ganz grundsätzliche Fragen auf. Vincent Mezence
hätte am liebsten die deutsche 50+1-Regel für den französischen Fußball und
ein Gesetz gegen Multi-Club-Ownership. Es gebe, berichtet er, unter Fans
eine Arbeitsgruppe dazu. „Wir kontaktieren lokale Politiker:innen
überall, um sie zu überzeugen.“ Chance auf Neugestaltung oder weiterer
Ausverkauf? Mezence fordert: „Wir müssen die Mentalität im Fußball
grundsätzlich verändern.“
11 Oct 2024
## LINKS
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## AUTOREN
Alina Schwermer
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