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# taz.de -- Neue Aktionen gegen Einsamkeit im Norden: Einsamkeit soll aus der T…
> Einsamkeitsbeauftragte wie in Berlin gibt es im Norden noch nicht. Wohl
> aber ein neues Bündnis in Hamburg und eine städtische Kampagne in
> Hannover.
Bild: Angenehm allein oder drückend einsam? Eine Frau im Sonnenaufgang an Hamb…
Hamburg taz | Einsamkeit ist Definitionssache. Denn ab wann wohltuendes
Alleinsein in drückende Einsamkeit kippt, hängt vom Individuum ab. Auch
meint Einsamkeit weit mehr als das Fehlen sozialer Kontakte: Selbst in der
Ehe, im Freundes- und Bekanntenkreis kann man sich geistig, emotional,
kulturell isoliert fühlen. Andererseits kann man sich in der Fremde
geborgen fühlen, wenn man um die fernen Freunde weiß.
Es ist ein komplexes Phänomen, dem sich die Bundesregierung in ihrer Ende
2023 beschlossenen [1][Strategie gegen Einsamkeit] widmet, wissenschaftlich
unterfüttert durch das 2024 veröffentliche „[2][Einsamkeitsbarometer]“.
Betroffen sind demnach stark, aber nicht nur, die Älteren, die qua
Bevölkerungspyramide zahlreicher werden und denen die Freunde wegsterben.
Einsamkeit spüren auch viele Jüngere, die Hunderte virtuelle, aber kaum
physische Freundschaften haben. Auch Care-Arbeitende sind gefährdet – jene
oft rund um die Uhr privat Pflegenden, denen mangels Zeit die
Freundschaften abhanden kommen.
All das hat Folgen: Einsame Menschen haben laut „Einsamkeitsbarometer“
weniger Vertrauen in politische Institutionen und sind anfälliger für
Verschwörungsideen. Neben der – wissenschaftlich erwiesenen –
[3][Gesundheitsgefährdung] samt höherem Sterberisiko gibt es also auch
politische Gründe, der Vereinsamung entgegenzuwirken. Das Problem dabei:
Trotz zunehmender öffentlicher Debatte bleibt [4][Einsamkeit] ein
schambesetztes Tabu, gilt als irgendwie selbst verschuldet. Dabei fallen
tragfähige soziale Beziehungen nicht vom Himmel, und ihr (Neu-)Aufbau
erfordert Mut, Geschick und Geduld.
Um den Betroffenen als Staat und als Zivilgesellschaft die Hand zu reichen,
hat Berlin – als bislang einzige Kommune – Anfang 2024 eine
[5][Einsamkeitsbeauftragte] ernannt. Auch Wohnungsbaugenossenschaften,
naturgemäß auch mit dem Gestalten von Nachbarschaft befasst, widmen sich
dem Thema, wie etwa der Lotse der Erfurter „Wohnungsbaugenossenschaft
Einheit eG“ [6][(taz berichtete]).
## Hamburg hat ein Bündnis gegen Einsamkeit
Nordrhein-Westfalen hat, basierend auf einer Ende 2023 präsentierten
Einsamkeitsstudie, die Einsamkeitshotline [7][„Silbertelefon“] und eine
Onlineplattform initiiert. Und nun, etwas verspätet, bewegt sich auch im
Norden etwas: Die „Bergedorf-Bille-Stiftung“, 1998 gegründet zur sozialen
Integration von Menschen und Mitgründerin des Arbeitskreises der Stiftungen
der Hamburger Wohnungsbaugenossenschaften, bietet seit vielen Jahren
Nachbarschaftstreffs an. Mitte 2024 hat sie zudem ein [8][Bündnis gegen
Einsamkeit] gegründet und vor einigen Wochen eine Projektreferentin
eingestellt.
Möglich wurde dies durch Spenden des Hamburger Freundeskreises
Oberaltenallee, eines 1979 gegründeten Nachbarschaftsvereins, der laut
Satzung zum Ziel hat, „die Lebensqualität älterer, auf Pflege und Betreuung
angewiesener Menschen zu verbessern“. Diese Finanzspritze reiche für ein
Jahr, sagt Geschäftsführerin Cornelia Springer-Fouad; danach wolle man,
finanziert aus Geld der Bergedorf-Bille-Stiftung sowie einzuwerbenden
Mitteln, Bündnis und Stelle verstetigen.
An Gemeinschaft stiftenden Angeboten mangele es zwar nicht. Wohl aber an
Kooperation und Koordination; teils wisse man nicht voneinander. Deshalb
werde man nun alle an einen Tisch bringen, um ein Netzwerk aus Sozial- und
Wohlfahrtsverbänden, Vereinen, Wohnungsbaugenossenschaften, den
Bücherhallen, gern auch kleinen Akteuren wie Cafés und Buchläden zu bilden.
Denn es gehe um weitere niedrigschwellige, also kostenfreie Angebote, etwa
für Kulturveranstaltungen.„Theater könnten sich als Charitybeitrag auf die
Fahnen schreiben, auch für diese benachteilige Gruppe kostenlose Tickets
anzubieten“, sagt Springer-Fouad. Man werde also einerseits bündeln, was
schon da sei, und es Anfang 2025 in einer „Kick-off“-Veranstaltung
öffentlich präsentieren. Anderseits wolle man weitere Akteure werben. „Dazu
zählen auch Ehrenamtliche, die Besuchs- oder Abholdienste übernehmen oder
Menschen zu Veranstaltungen begleiten.“
Einen ersten Workshop, um hierfür zu motivieren, bietet die
Bergedorf-Bille-Stiftung am 19. Oktober an. Zusätzlich brauche man – neben
der Bündelung der Angebote und deren Bewerbung – eine
Einsamkeits-Telefonhotline wie in NRW, sagt Springer-Fouad. Das werde
allerdings nicht ausschließlich mit Ehrenamtlichen funktionieren. „Und dann
stellt sich die Frage: Liegt das in Trägerschaft der Zivilgesellschaft, der
Wohlfahrtsverbände oder des Staates“, sagt Springer-Fouad. „Wünschenswert
wäre zum Beispiel eine Einsamkeitsbeauftragte auch für Hamburg.“
Einen entsprechenden Bürgerschaftsantrag stellte die SPD-Fraktion bereits
im August 2023. Wie weit die Planungen gediehen sind, verrät Hamburgs
Sozialbehörde jetzt, ein Jahr später, aber noch nicht. „Wir sind aktuell
dabei, hierzu eine Antwort vorzubereiten, der wir nicht vorgreifen wollen“,
schreibt deren Sprecher.
Die Frage, wie man von Einsamkeit bedrohte Menschen erkennt und erreicht,
treibt auch Andrea Töllner um, Leiterin des Kommunalen Seniorenservices der
Stadt Hannover. Sie hat die im November geplante [9][Kampagne „]Wir sind
da. Mach mit. Gemeinsam gegen Einsamkeit in Hannover“ initiiert, die
speziell Senioren in den Blick nimmt. Sozialarbeiterinnen hätten in den
Vierteln beobachtet, dass auch die Älteren seit Corona immer seltener
Vor-Ort-Angebote aufsuchten.
„Wir dachten also: Wir müssen präsenter werden, besser informieren,
Menschen ansprechen, die von Einsamkeit bedroht sein könnten, und dazu ist
die Kampagne ein Schritt.“ Also habe man sich mit Wohlfahrts- und
Sozialverbänden zusammengetan, um zwei Wochen lang auf verschiedenen Wegen
– sei es online, sei es mit Papier-Handouts – für Angebote im Stadtteil zu
werben. „Unsere Mitarbeiterinnen gehen dorthin, wo Menschen, die nur noch
selten ihre Wohnung verlassen, noch auftauchen: in die Apotheke, zum
Supermarkt, zum Wochenmarkt. Dann kommen sie ins Gespräch, erwähnen die
Angebote, und dann merkt man ja schnell, ob jemand interessiert ist“, sagt
sie.
Mit dem ambivalenten Wort „Einsamkeit“ gehe man da natürlich sensibel um.
„Aber im Kampagnen-Slogan haben wir es erwähnt, um klarzustellen, worum es
geht. Schließlich wollen wir das Thema auch in Hannover aus der Tabuzone
holen.“
Eine Einsamkeitsbeauftragte brauche man dafür allerdings nicht. „Dieses
Thema ist – je nach avisierter Betroffenengruppe – in Hannover in den
jeweiligen Fachbereichen der Sozialbehörde sehr gut aufgehoben.“ Das
niedersächsische Sozialministerium ließ die Frage nach einer
Einsamkeitsbeauftragten bis Redaktionsschluss unbeantwortet.
10 Oct 2024
## LINKS
[1] https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/themen/engagement-und-gesellschaft/strategie-g…
[2] https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/service/publikationen/einsamkeitsbarometer-202…
[3] /Wege-zur-psychischen-Gesundheit/!6040748
[4] /Einsamkeit-in-Berlin/!6014771
[5] /Einsamkeit-in-Berlin/!6014771
[6] /Rundfahrt-mit-Einsamkeitsbeauftragtem/!6011456
[7] https://www.engagiert-in-nrw.de/aktuelle-meldungen/landesregierung-foerdert…
[8] https://stiftung.bergedorf-bille.de/buendnis-gegen-einsamkeit-hamburg
[9] https://www.hannover.de/Service/Presse-Medien/Landeshauptstadt-Hannover/Akt…
## AUTOREN
Petra Schellen
## TAGS
Einsamkeit
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Senioren
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