Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Kritik an Chinas Wirtschaftspolitik: Abschottung und Kontrolle
> Das Geschäft für europäische Firmen in China läuft längst nicht mehr
> rund. Peking drängt den Privatsektor systematisch zurück.
Bild: Arbeit für den Export: Produktion von Photovoltaikmodulen in einer 5G-Sm…
Seoul taz | Im zweiten Quartal wuchs Chinas Wirtschaft um 4,7 Prozent. Das
ist weitaus weniger als in den Boom-Jahren. Und die Wachstumsrate ist
aufgrund der notorischen Intransparenz in der Volksrepublik eher als grober
Richtwert zu sehen. Fakt ist: Das Land steht vor massiven Problemen – von
der immensen Verschuldung der Lokalregierungen über die Immobilienkrise bis
zur hohen Jugendarbeitslosigkeit.
Nicht nur europäische Wirtschaftsvertreter, sondern auch chinesische
Ökonomen fordern, dass das Land seinen in den 1980ern eingeschlagenen
Reformkurs fortführen sollte. Es bräuchte Pragmatismus statt Ideologie,
einen Fokus auf Öffnung statt nationaler Sicherheit. Und vor allem müssten
die chinesischen Haushalte gestärkt werden. Denn diese besitzen gemessen am
Bruttoinlandsprodukt ein viel zu kleines Stück vom Wohlstandskuchen. Ein
Fakt, der in einem historischen Rekord resultiert: In keiner anderen großen
Volkswirtschaft ist der Konsum der Privathaushalte derart niedrig wie in
China.
Doch insbesondere Ökonomen mit politischem Blick argumentieren, dass
Staatschef Xi Jinping vor allem an einem starken Staat interessiert ist.
Ein breiter Wohlstand für die Bevölkerung hingegen dürfte auch Bedürfnisse
wecken, die in den Augen Pekings unerwünscht sind – etwa die Forderung nach
politischer Partizipation.
Fest steht: China stärkt derzeit weniger die Privathaushalte, sondern vor
allem seine Produktionskapazitäten – und möchte sich trotz massiver
Überkapazitäten und winziger Gewinnmargen aus der Krise heraus exportieren.
Besonders ersichtlich wird dies beim Blick auf die aktuellen Handelszahlen
mit Deutschland: Während Chinas Exporte im August um 21,3 Prozent stiegen,
brachen die chinesischen Importe aus Deutschland um 17 Prozent ein. Auch
mit den meisten anderen Handelspartnern aus Europa hat China einen massiven
Überschuss zu verzeichnen.
## Gebrochene Versprechen
Jens Eskelund, Präsident der europäischen Handelskammer in Peking, zeigt
sich ermüdet von den wiederholten Versprechen der Regierung, die oftmals
nicht eingelöst wurden. Marktzugänge, die China mit Eintritt in die
Welthandelsorganisation 2001 in Aussicht stellte, bleiben bis heute
verschlossen. Auch beim Thema geistiges Eigentum gibt es zwar eine solide
Gesetzgebung, jedoch keine einheitliche Umsetzung. So sind Chinas
Online-Plattformen und teilweise auch Einkaufszentren voll von
ausländischen Fake-Produkten.
Gleichzeitig wird es immer schwerer, sich ein akkurates Bild vom Zustand
der chinesischen Volkswirtschaft zu machen. Seit Jahren gibt es den Trend,
dass Statistiken nicht mehr publiziert werden oder kritische Ökonomen einen
Maulkorb verpasst bekommen.
Dass auch ausländische Wirtschaftsvertretungen immens unter Druck stehen,
hat Eskelund am Mittwoch so offen wie selten dargelegt: „Vor gemeinsamen
Treffen mit Regierungsvertretern wird uns manchmal gesagt, dass bestimmte
Gesprächsthemen Tabu sind. Und wir werden zunehmend darum gebeten, Reden
vorher einzureichen und positive Energie zu verbreiten“, so Eskelund.
Das politische Kernproblem kann meist nur mehr von außenstehenden
Beobachtern offen ausgesprochen werden. Einer von ihnen ist der
US-Wirtschaftsexperte David Hoffman. Sein Blick auf den Kurs der
Volksrepublik fällt ernüchternd aus:
„Wir befinden uns eindeutig auf dem Weg zu einer hochgradigen, wenn nicht
gar vollständigen Planwirtschaft, die irgendwann auch eine gewisse
Verstaatlichung beinhalten könnte“, sagt Hoffman in einer aktuellen Folge
des Fach-Podcasts „Pekingology“: „Wir werden sehen, dass der Staat die
Kontrolle über die großen Immobilienentwickler, Risikokapitalgeber und
Aktiengesellschaften hat. Alles wird unter staatlicher Kontrolle, wenn
nicht gar in staatlichem Besitz sein.“
Diese Sichtweise wird durchaus von Indizien gestützt. Schon jetzt können
Privatbetriebe in China nur dann florieren, wenn sie ihre Loyalität zur
Kommunistischen Partei demonstrieren. Und während einige Verbrauchermärkte
in China nach wie vor relativ offen sind, bestimmt der Staat in
Kernindustrien längst die Spielregeln.
12 Sep 2024
## AUTOREN
Fabian Kretschmer
## TAGS
China
Welthandel
Wirtschaftspolitik
GNS
China
China
Deutsche Marine
China
Afrika
## ARTIKEL ZUM THEMA
75. Jahrestag der Staatsgründung: Ideologische Festigkeit à la Xi Jinping
China feiert den 75. Jahrestag der Staatsgründung. Missgunst und
Feindseligkeit haben die Weltoffenheit und Neugier der Nullerjahre
abgelöst.
Politologe über Ausweisung aus China: „Die Anweisungen ignoriert“
Neun Jahre lang forschte der Politikwisschenschaftler Alexander Düben an
einer chinesischen Universität. Dann wurde er über Nacht ausgewiesen.
Warum?
Deutsche Marine im Indo-Pazifik: „Wir müssen uns nicht rechtfertigen“
Deutschlands ranghöchster Soldat, Generalinspekteur Breuer, weist Kritik
Chinas an einer möglichen Durchquerung der Taiwanstraße zurück.
Investitionen in afrikanische Staaten: Chinas neue Charmeoffensive
China will wieder mehr in Afrika investieren: 50 Milliarden Dollar soll es
für den gesamten Kontinent geben. Die Volksrepublik lockt mit Jobs.
Präsident Xi in Afrika: Wetteifern um Chinas Gunst
Afrikas Großmächte wetteifern in Peking um die tiefste und umfassendste
Partnerschaft zu China.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.