# taz.de -- Medienbericht zu Sparmaßnahmen: Bahn dementiert Digital-Stopp | |
> Dass die Bahn bei der digitalen Modernisierung spart, durch die mehr Züge | |
> fahren könnten, bestreitet der Konzern. Ein Sparprogramm steht aber an. | |
Bild: Digitalminister Wissing begutachtet die Bauarbeiten bei der Riedbahn, die… | |
Berlin taz | Sagt die [1][Bahn] die Digitalisierung ihres Bahnnetzes ab? | |
Einem Bericht des Südwestrundfunks (SWR) zufolge will die für die | |
Infrastruktur zuständige Bahn-Tochter InfraGO einen Stopp der | |
Modernisierungspläne. Dabei gehe es sowohl um digitale Stellwerke als auch | |
um das europäische Zugsicherungssystem ETCS, mit dem eigentlich das gesamte | |
Netz nach und nach ausgestattet werden soll. | |
Der große Vorteil der Technik liegt in einem erheblichen Kapazitätsgewinn. | |
Auf den Strecken können bis zu 30 Prozent mehr Züge verkehren, wenn die | |
Taktung digital gesteuert wird. Momentan ist ETCS nur auf der noch jungen | |
Trasse zwischen München und Berlin installiert. | |
Auch die Riedbahn zwischen Mannheim und Frankfurt am Main, die gerade für | |
eine Generalsanierung gesperrt ist, wird mit dem Zugsicherungssystem | |
ausgestattet. ETCS ist eigentlich auch ein Kernstück des Projekts Stuttgart | |
21. Laut SWR, der sich auf interne Papiere der Bahn beruft, will der | |
Konzern nun weniger Geld in die Digitalisierung stecken und beispielsweise | |
auf eine ältere elektronische Stellwerkstechnik zurückgreifen. | |
Die Bahn dementiert derlei Sparpläne. „Die aktuelle Berichterstattung des | |
SWR ist falsch“, teilte der Konzern am Freitag mit. Die Deutsche Bahn halte | |
an der Digitalisierung von Bahnstrecken fest. Am Knotenpunkt Stuttgart | |
laufe derzeit das größte Digitalisierungsprojekt der Schiene in Europa. | |
Auch würden die Stellwerke serienmäßig digital ausgerüstet. | |
## Enormer Stellenabbau geplant | |
Klar ist aber auch: Bei der Bahn steht ein großes Sanierungsprogramm an. | |
„S3“ heißt es, das Kürzel steht für eine bessere Infrastruktur, einen | |
verlässlicheren Betrieb und wirtschaftliche Verbesserung. Die Ziele sind | |
nicht neu. Doch nun muss Bahnchef Richard Lutz [2][auf Geheiß von | |
Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) auf einen verschärften | |
Sanierungskurs zusteuern]. | |
Innerhalb von drei Jahren soll der Konzern aus einem Verlust von mehr als | |
einer Milliarde Euro einen Betriebsgewinn von zwei Milliarden Euro machen. | |
Das geht aus der Vorlage des Konzepts für den Aufsichtsrat der Bahn hervor. | |
Insofern wäre zumindest die zeitliche Streckung der | |
Digitalisierungsinvestitionen nicht verwunderlich. Als 2019 die Pläne zur | |
Digitalisierung des Bahnnetzes aufgenommen wurden, lagen Kostenschätzungen | |
dafür bei bis zu 50 Milliarden Euro. Inzwischen dürfte der Betrag | |
angesichts der Preisentwicklung in den vergangenen Jahren noch deutlich | |
höher sein. Zugleich wollen Bund und Bahn die wichtigsten 41 Korridore bis | |
zum Ende des Jahrzehnts generalsanieren. Das erfordert ebenfalls viele | |
Milliarden Euro. | |
Der Bahnvorstand will mehr Wirtschaftlichkeit unter anderem durch einen | |
erheblichen Stellenabbau erreichen. [3][Rund 30.000 Arbeitsplätze will er | |
streichen]. Davon betroffen sind vornehmlich Verwaltungsposten, etwa in der | |
Konzernzentrale. Bei Zugpersonal, bei Lokführern oder Technikern stellt die | |
Bahn weiterhin Leute ein, allein in diesem Jahr 25.000. Insgesamt | |
beschäftigt die Bahn 225.000 Leute, davon sind 75.000 mit Dienstleistungen | |
oder der Organisation befasst. | |
Auch das Angebot für die Fahrgäste soll sich verbessern, etwa in Sachen | |
Pünktlichkeit. Derzeit kommen nur gut 60 Prozent der Fahrten fahrplangemäß | |
ans Ziel. Bis 2027 sollen es wieder 75 bis 80 Prozent sein. Das wäre zwar | |
von einstigen Spitzenwerten noch weit entfernt, aber schon ein erheblicher | |
Fortschritt. | |
## Kritik an den Sparplänen | |
Doch in vielen Bereichen bleibt das Sanierungskonzept noch schwammig. Nicht | |
klar wird etwa, wer vom Personalabbau tatsächlich betroffen sein wird. So | |
heißt es im Abschnitt zum Fernverkehr in einer blumigen Überschrift: „Wir | |
ermöglichen allen Mitarbeitern, produktiver zu arbeiten“. Das dürfte den | |
Gewerkschaften sauer aufstoßen, denn die Beschäftigten dort arbeiten schon | |
vielfach am Limit. | |
Kritik an Wissings Vorstellungen, die der Vorstand nun umsetzen soll, gab | |
es auch schon vom bahnpolitischen Sprecher der Grünen, Matthias Gastel. | |
„Die sieben Forderungen des Bundesministers sind eine Kombination aus | |
Selbstverständlichkeiten, Populismus, Widersprüchen und schwammigen | |
Formulierungen“, sagte er. Ähnlich sieht das auch ein mit „S3“ vertrauter | |
Bahner: „Das ist alter Wein in neuen Schläuchen“. | |
Derzeit fehlen der Bahn eher Fachkräfte. So können manche Stellwerke gar | |
nicht mehr besetzt werden, vor allem in wenig attraktiven ländlichen | |
Gebieten. Aber: Dort stehen oft auch noch uralte Anlagen. Werden sie durch | |
elektronische Stellwerke ersetzt, entfallen diese Arbeitsplätze. | |
Auch Künstliche Intelligenz (KI) verhilft zu einer höheren Produktivität | |
bei geringerem Personaleinsatz, etwa wenn sie bei der Wartung von Zügen | |
automatisierte Aufgaben übernimmt. Schließlich forderte Wissing auch, | |
Leistungen an Drittfirmen auszugliedern. | |
Auf seiner Sitzung im Dezember soll der Aufsichtsrat das Sanierungspaket | |
beschließen. Ob es wirkt, will Wissing dann selbst alle drei Monate | |
überprüfen und sich vom Bahnchef die Fortschritte schildern lassen. | |
6 Sep 2024 | |
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## AUTOREN | |
Wolfgang Mulke | |
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