# taz.de -- Nach Angriff auf Öltanker: Rotem Meer droht Umweltkatastrophe | |
> Nach einem Angriff der Huthi-Rebellen auf einen Öltanker droht eine | |
> Umweltkatastrophe im Roten Meer. Der Tanker muss geborgen werden. Doch | |
> wie? | |
Bild: Explosionen auf dem Öltanker Sounion am 29.08.2024. nachdem Huthi Rebell… | |
Berlin taz | Vor etwas mehr als zwei Wochen, am 21. August, attackierte die | |
jemenitische Huthi-Miliz den Öltanker „Sounion“ im Roten Meer. An Deck | |
befanden sich 25 Besatzungsmitglieder, russische und philippinische | |
Staatsangehörige, die alle gerettet werden konnten. Doch an Bord verbleiben | |
gut eine Million Barrel Rohöl. | |
Wenige Tage nach dem Angriff veröffentlichten die Huthi-Rebellen ein Video, | |
das den genauen Ablauf der Attacke zeigt. Darin ist zu sehen, wie maskierte | |
Männer das Schiff stürmen, Sprengstoff anbringen und die Bomben zünden. | |
Rauchwolken steigen empor, gefolgt von einem lauten Knall. Dann steht das | |
Schiff in Flammen. Auf den Aufnahmen sind fünf Brandherde, die sich über | |
die gesamte Länge des Schiffs erstrecken, zu erkennen. | |
Das Video offenbart auch das [1][drohende Ausmaß einer sich anbahnenden | |
Umweltkatastrophe]. Ohne rasche und wirksame Maßnahmen könnten bis zu | |
159.000 Tonnen Öl ins Rote Meer fließen – mehr als viermal so viel, wie bei | |
der Havarie der Exxon Valdez 1989 vor der Küste Alaskas. | |
Damals prallte der Schiffsrumpf des Öltankers auf den Meeresgrund und bekam | |
Risse, so dass etwa 35.000 Tonnen Rohöl in den Ozean gelangten. Die Folgen | |
waren verheerend: Hunderttausend Fische und Seevögel verendeten durch die | |
Verseuchung. | |
## Schiff darf nicht kentern | |
Laut Angaben des US-Außenministeriums scheinen die Huthis entschlossen zu | |
sein, „das Schiff und seine Ladung im Meer zu versenken“. Nadja Ziebarth, | |
Meeresschutzbeauftragte beim Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND), mahnt: | |
„Das wäre das Schlimmste, das passieren könnte.“ Denn wenn ein Schiff erst | |
einmal sinkt, verliert man die Kontrolle darüber und somit auch über das an | |
Bord gelagerte Öl. | |
So ein Vorfall ereignete sich zum Beispiel 2010, [2][als die Bohrinsel | |
„Deepwater Horizon“ im Golf von Mexiko explodierte und absank]. Knapp 800 | |
Millionen Liter Öl und 500.000 Tonnen Gas traten aus. Der Vorfall ging als | |
die größte Ölkatastrophe in die Geschichte ein. Und die Bilder von | |
ölverschmierten Pelikanen, braunen Ölteppichen und an Strand gespülten | |
Delfinen um die Welt. | |
Ziebarth sieht dennoch einen Hoffnungsschimmer: „Solange das Schiff | |
schwimmt und es kein Leck gibt, kann eine Naturkatastrophe abgewendet | |
werden“. Aber sie warnt: „Jeder Tropfen Öl ist eine Gefahr für Meeresböd… | |
Vögel und Meerestiere.“ | |
Ein weiteres Problem ist allerdings der anhaltende Brand auf dem Tanker. Am | |
Mittwoch wüteten die Flammen noch immer, was die Bergungsarbeiten erheblich | |
erschwert. „Bevor die Bergung beginnen kann, muss eigentlich der Brand | |
gelöscht werden“, erklärt Rudolf Kreutzer, Professor für Seefahrt und | |
Maritime Wissenschaften. | |
## Brand löschen, Leine legen, Öl umpupmen | |
Um den Brand zu löschen, wird Löschschaum, der aus Luft, Wasser und Schaum | |
besteht, verwendet. Wie ein Teppich legt sich der Schaum auf das Feuer und | |
entzieht ihm den Sauerstoff. | |
Erst dann können Fachkräfte versuchen, das Schiff zu sichern und ein | |
Kentern zu verhindern. Zum Beispiel wird eine Leine gelegt, um das Schiff | |
zu stabilisieren. Oder um es in einen Hafen zu ziehen, wo das Öl am besten | |
abgepumpt werden kann. „Über Schläuche wird das Rohöl dann in kleinere | |
Tanker gepumpt“, beschreibt der Schifffahrtexperte Kreutzer den Vorgang, | |
den meist hochspezialisierte private Unternehmen übernehmen. | |
Doch im Jemen kompliziert die politische Situation die Bergung zusätzlich. | |
Denn: Einen sicheren Hafen gibt es in unmittelbarer Nähe nicht. Die Huthis | |
kontrollieren weite Teile des Küstenabschnitts, [3][so auch den | |
zweitgrößten Hafen des Landes in Hudaida.] | |
Am Dienstag erklärte die für die Bergung zuständige EU-Operation Aspides | |
die Bergungsarbeiten erstmals für beendet: „Die verantwortlichen | |
Unternehmen sind zu dem Schluss gekommen, dass die Bedingungen für die | |
Durchführung des Abschleppens nicht erfüllt waren und dass es nicht sicher | |
war, fortzufahren“. Als direkte Reaktion auf die Schiffsangriffe der Huthi, | |
[4][die vom Iran unterstützt werden und sich mit den Palästinensern | |
solidarisieren], wurde die Marinemission Aspides im Februar 2024 gegründet. | |
Sie soll für Law und Order auf dem Roten Meer sorgen. | |
## Seerettung ohne Verpflichtungen | |
Auf die Frage, ob die Unterbrechung der Bergungsarbeiten durch den Brand | |
oder die politisch instabile Lage im Jemen, einschließlich drohender | |
Huthi-Angriffe, verursacht wurde, gab die zuständige EU-Operation eine vage | |
Antwort und verwies auf die beteiligten Unternehmen. Diese hätten wegen | |
„technischer Gründe“ entschieden, „die Aktion zu unterbrechen“, teilte… | |
Sprecher der taz mit. | |
Neben der EU-Marinemission arbeiten derzeit auch die US-Streitkräfte für | |
den Nahen Osten und Zentralasien (Centcom) an der Rettung des Tankers. Dass | |
die EU und die USA an der Bergung eines Schiffes außerhalb ihres | |
Territorialgewässers beteiligt sind, sei unüblich, erklärt Nele Matz-Lück, | |
Professorin für Seerecht an der Universität Kiel. | |
„Weder die USA noch die EU sind rechtlich dazu verpflichtet, sich um die | |
Bergung zu kümmern – sie tun es, weil es sonst niemand macht.“ Zwar sind | |
die Betreiber der Öltanker dazu verpflichtet, sich gegen Schäden zu | |
versichern, doch ob diese Versicherungen auch dann greifen, wenn man | |
beschossen wird, ist unklar. „Wohl eher nicht“, so Matz-Lück. | |
6 Sep 2024 | |
## LINKS | |
[1] /Huthi-Angriff-auf-Tanker-im-Roten-Meer/!6029861 | |
[2] /Umweltkatastrophe-im-Golf-von-Mexiko/!5143567 | |
[3] https://www.aljazeera.com/news/2024/7/30/yemens-hodeidah-port-an-economic-l… | |
[4] /Wer-sind-die-Huthis-im-Jemen/!5984961 | |
## AUTOREN | |
Clemens Schreiber | |
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