# taz.de -- Human Rights Film Festival Berlin: Demokratien in Gefahr | |
> Um das Erstarken autoritärer Regime, den Alltag von Obdachlosen und | |
> politische Konflikte geht es beim siebten Human Rights Film Festival | |
> Berlin. | |
Bild: Victor Orban in „Democracy noir“ von Connie Field | |
„Choosing Humanity“ sprayt ein maskierter Künstler im vollen Saal des Kinos | |
in der Kulturbrauerei auf eine Aufstellwand. „Choosing Humanity“ | |
(„Menschlichkeit wählen“) ist das Motto des diesjährigen [1][Human Rights | |
Film Festival Berlin,] der siebten Ausgabe. Genau darum soll es gehen: | |
Geschichten auf die Leinwand zu bringen von Menschen, die für | |
Gerechtigkeit, Demokratie und Freiheit kämpfen mit Mut, Solidarität und | |
eben: Menschlichkeit. | |
Besonders präsent ist während des Festivals die Situation der Menschen in | |
Gaza, Israel und Libanon. Schon bei den Eröffnungsreden kommt der | |
[2][Angriff der Hamas vor nun genau einem Jahr immer wieder zur Sprache]. | |
„Die Zukunft der israelischen und palästinensischen Bevölkerung und die | |
Hoffnung liegt bei denen, die Frieden suchen“, heißt es. Es soll noch eine | |
Schweigeminute geben, doch verzweifelte Schreie einer Zuschauerin | |
unterbrechen die Eröffnung. Mehrere Minuten braucht es zur Beruhigung. | |
Dann wird der Saal verdunkelt. Der Eröffnungsfilm „Democracy noir“ leitet | |
das Festival ein und zugleich eines seiner wichtigsten Themen: die | |
Gefährdung von Demokratien und der Presse- sowie Meinungsfreiheit. Die | |
US-amerikanische Regisseurin Connie Field hat sich die Entwicklung Ungarns | |
angeschaut. | |
Über mehrere Jahre begleitete sie drei Frauen, die Widerstand gegen das | |
immer [3][autoritärer werdende Regime Viktor Orbáns] leisten: die | |
Politikerin und frühere Aktivistin Tímea, die Aktivistin und | |
Krankenpflegerin Niko und die lesbische Investigativjournalistin Babett | |
Oroszi. Immer beklemmender wird für die drei die Situation in ihrem | |
eigentlich geliebten Heimatland. | |
## Wie kann man sich engagieren? | |
„Die Situation ist heute immer noch so wie im Film. Kaum freie Medien, | |
überall nur Propaganda. Es ist traurig“, bemerkt die Protagonistin Babett | |
Oroszi nach Ende des Films. Sie ist zusammen mit Connie Field vor Ort, um | |
mit dem Publikum zu sprechen. Field betont, dass die Gefahr des Zerfalls | |
von Demokratien nicht nur ein ungarisches Problem sei: „Es passiert auch in | |
den USA.“ | |
Auf die Frage, was man tun kann gegen solch eine Situation wie in Ungarn, | |
antwortet Oroszi fast etwas resigniert: „Weiß ich nicht. Falls ihr eine | |
Antwort habt, sagt sie uns bitte.“ Was kann ich tun? Wie kann ich mich | |
aktiv engagieren für Menschenrechte, Freiheit und Demokratie? Das Festival | |
will den Zuschauer:innen Anregungen zum Engagement geben und bietet über | |
Links Zugang zu NGOs und Projekten, die man als Einzelner unterstützen | |
kann. | |
Darunter fallen die großen Themen wie Krieg, Hunger, Verfolgung – das | |
Festival wird ausgerichtet von den NGOs Aktion gegen den Hunger und | |
Reporter ohne Grenzen – aber auch alltägliche wie Suchterkrankungen und | |
[4][Obdachlosigkeit vor unserer Haustür.] | |
## Unterstützung von Obdachlosen | |
Der Abschlussfilm „Hausnummer Null“ von Studenten der Uni Babelsberg | |
beleuchtet diese Thematik. Es geht um die Geschichte von Chris und seinem | |
Kumpel Alex, die versuchen, in Berlin auf der Straße zu überleben. Als | |
Chris nach einer Überdosis in der Klinik landet, gibt ihm das Kraft für | |
eine Veränderung. Ein sehr respektvoller Film auf Augenhöhe mit den | |
Protagonisten. | |
Die Regisseurin Lilith Kugler lernte Chris 2021 kennen, als sie nach | |
Friedenau zog. Bald entstand die Idee – vor allem durch Chris’ Initiative | |
–, ihn und sein Leben zu filmen, erzählt sie beim Q&A nach der Vorführung. | |
Sie habe dabei eine Nachbarschaft kennengelernt, die sich wie eine kleine | |
Utopie in Friedenau angefühlt hat. Da gibt es Mila und Jens – zwei Nachbarn | |
der beiden Obdachlosen, die sich über Jahre um Chris und Alex kümmern. | |
Wenige Stunden später geht es in der Kulturbrauerei um einen ganz anderen | |
Konflikt: den Irakkrieg und Wikileaks. In „Guardians of Truth: Julian | |
Assange and the Dark Secrets of War“ konzentrieren sich die Filmemacher | |
[5][Can Dündar] und Sarah Mabrouk auf zwei Menschen, die beim Angriff auf | |
Zivilisten 2007 in Bagdad aufeinandertrafen: der Überlebende Sajjad | |
Mutashar und der US-Soldat Ethan McCord. Es ist ein bewegendes | |
Zusammentreffen, das Trauma und Schmerz wieder aufflammen lässt. | |
Beim anschließenden Panel geht es um Fragen nach Vertrauen in die Medien | |
und um Gerechtigkeit. „Journalisten müssen Aktivisten für die Wahrheit | |
sein“, sagt Julian Assange in einem eingespielten Clip. Und der anwesende | |
WikiLeaks-Chefredakteur Kristinn Hrafnsson ergänzt: „Journalisten dürfen | |
nicht schweigen. Egal ob es sich um Völkermord oder Kriegsverbrechen | |
handelt.“ Er fügt hinzu: „Es wäre eine Art von Gerechtigkeit, wenn die | |
Menschen heutzutage von den Fehlern im Irak lernen würden.“ | |
8 Oct 2024 | |
## LINKS | |
[1] https://www.humanrightsfilmfestivalberlin.de/de | |
[2] /Ein-Jahr-nach-dem-7-Oktober/!6038224 | |
[3] /Die-EU-nach-der-Oesterreich-Wahl/!6036981 | |
[4] /Umnutzung-des-oeffentlichen-Raums/!6035963 | |
[5] /Reporter-Duendar-und-Tuerfent-ueber-Tuerkei/!6021562 | |
## AUTOREN | |
Ruth Lang Fuentes | |
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