# taz.de -- Landtagswahl in Thüringen und Sachsen: Blühende Landschaften in 1… | |
> Ein Zeitreisender verrät, warum in 100 Jahren durch den Wahlerfolg der | |
> AfD in Thüringen und Sachsen das größte Naturschutzgebiet Europas | |
> entsteht. | |
Bild: Die Zukunft wird wunderbar, vor allem für die Natur | |
Auch eine Woche nach den [1][Landtagswahlen in Sachsen] und [2][Thüringen] | |
fühle ich mich noch wie gerädert. Meine demokratische Seele schmerzt. Als | |
mein zeitreisender Freund Felix mich aus dem Jahr 2124 besucht, habe ich | |
noch nicht einmal die Kraft ihm zu erklären, was los ist und halte ihm nur | |
die Zeitung mit den Wahlergebnissen hin. | |
„Na endlich, das wurde aber auch Zeit!“, ruft er freudestrahlend. | |
„Spinnst du?“, frage ich völlig entgeistert. „So viele Stimmen für die … | |
und mehrheitlich nicht aus Protest, sondern [3][weil die Wählerinnen und | |
Wähler die Nazis wirklich gut finden]. Das ist eine Katastrophe!“ | |
„Das scheint jetzt nur so“, sagt Felix und führt mich für einen | |
Beruhigungstee in die Küche. „Aber in Wahrheit ist das der erste Schritt zu | |
einer wunderbaren Entwicklung.“ | |
„Was soll daran wunderbar sein?“ | |
„Pass auf: Nach den Wahlerfolgen 2024 [4][behinderte die AfD die | |
parlamentarische Arbeit] in den Landtagen, wo sie nur konnte, und | |
verbreitete noch mehr antidemokratische Propaganda und Fake News. Als 2029 | |
die letzte Landtagswahl in Sachsen und Thüringen stattfand, erhielt sie die | |
absolute Mehrheit und vereinigte die beiden Bundesländer per Volksentscheid | |
zum ‚Reichsreich‘, das sich umgehend vom Rest Deutschlands lossagte.“ | |
„Bürgerkrieg?“, rufe ich entsetzt. | |
„Aber nein. Die Bundesregierung entschied sich dagegen, die abtrünnigen | |
Gebiete mithilfe der Bundeswehr zurückzuholen. Stattdessen wurde das | |
Reichsreich anerkannt und ein Grenzabkommen geschlossen: Menschen, die | |
nicht in dem neu gegründeten faschistischen Staat leben wollten, durften in | |
die Bundesrepublik ausreisen, wo sie finanziell und sozial unterstützt | |
wurden. Nach kurzer Zeit war der Fachkräftemangel in der Bundesrepublik | |
kein Thema mehr. Im Gegenzug durften Bundesbürger*innen, die Demokratie und | |
Vielfalt ablehnten, in das Reichsreich übersiedeln. Da das Reichsreich | |
nicht Teil der EU sein wollte, wurden die Grenzen um das neue Staatsgebiet | |
für alle anderen Personen, Güter und Dienstleistungen von innen | |
dichtgemacht.“ | |
„Das ist ja schrecklich“, flüstere ich. | |
„Aber nein! Es war eine Win-win-Situation! Nachdem alle Menschen, die nicht | |
weiß, biodeutsch, cis, hetero und rechtsextrem waren, das Reichsreich | |
verlassen hatten, konnten die Faschisten dort ihr völkisches Paradies | |
aufbauen. Keine BIPoC mehr, die das blasse Erbgut durchmischten; keine | |
Wissenschaft, die die Tradition störte; keine anstrengenden | |
Künstler*innen oder Intellektuelle, die die Reichsreichsideologie | |
kritisierten; keine Demokrat*innen, die Mitsprache forderten. An der Spitze | |
standen mehrere Fürsten, weil sich die Anhänger der unterschiedlichen | |
preußischen Herrschaftslinien nicht darauf einigen konnten, wer der | |
legitime Thronfolger für das Gesamtreichsreich sein sollte. Deshalb waren | |
die einzelnen Teilgebiete schon nach kurzer Zeit in Erbfolgekriege | |
verstrickt, die einen Großteil der politischen und wirtschaftlichen Kräfte | |
banden. | |
Der finanzielle und kulturelle Ruin war nicht mehr aufzuhalten. Immer mehr | |
Menschen verließen das Reichsreich, sodass es im Jahr 2100 nur noch eine | |
Million Einwohner*innen zählte – bei einem Altersdurchschnitt von 71. | |
Da es [5][kaum noch Frauen, kein Pflegepersonal] und schon lange keine | |
ausreichende medizinische Versorgung mehr gab, war das Land zu diesem | |
Zeitpunkt ein auf Subsistenzwirtschaft reduzierter Zwergstaat, der sich | |
durch seine malerischen Ruinen, seine 1.111 Kartoffelrezepte und seine | |
humangenetische Verarmung auszeichnete. Im Jahr 2123 starb der letzte | |
Einwohner. Heute ist das ehemalige Reichsreich das größte zusammenhängende | |
Naturschutzgebiet Europas. Nirgendwo sonst gibt es eine so große | |
Artenvielfalt an Flora und Fauna. Stell dir vor: Blühende Landschaften, so | |
weit das Auge reicht.“ | |
8 Sep 2024 | |
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## AUTOREN | |
Theresa Hannig | |
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