| # taz.de -- Kinotipps für Berlin: Nicht nur die Haare schön | |
| > Das Arsenal würdigt die Punk-Ikone Debbie Harry, das Babylon Mitte den | |
| > Animationsfilmer Tim Burton. Weniger lustig sind die Filme von Ingmar | |
| > Bergman. | |
| Bild: „Hairspray“, Regie: John Waters (USA 1988) | |
| Betrachtet man Punk nicht als musikalische Stilrichtung, sondern als einen | |
| Sammelbegriff für zwei nahezu zeitgleich auftretende Szenen in New York und | |
| London der Jahre 1976/77, dann gehörte Debbie Harry mit ihrer Band Blondie | |
| zweifellos dazu. Mochte die Musik anfangs vor allem nach brillant | |
| zusammengepuzzelten Versatzstücken aus den 1960er Jahren klingen, die | |
| energiegeladene Rotzigkeit mit der sie vorgetragen wurde, war absolut | |
| zeitgemäß. | |
| Zu sehen und zu hören ist das etwa in dem Film „The Blank Generation“ | |
| (1976) von Amos Poe und Ivan Král, der die New Yorker Musikszene der Zeit | |
| dokumentiert und jetzt als einer der sechs Filme [1][einer kleinen Debbie | |
| Harry-Hommage im Kino Arsenal] läuft. Denn neben der bis heute währenden | |
| Musikkarriere – auch mit mittlerweile 79 Jahren ist Harry mit Blondie noch | |
| auf Tour – war die Musikerin auch immer wieder als (ausgesprochen | |
| wandlungsfähige) Schauspielerin aktiv und wirkte im Laufe der Jahre in | |
| ungefähr 50 Lang- und Kurzfilmen sowie Fernsehfilmen und –serien mit. | |
| Eröffnet wird die kleine Reihe mit John Waters' „Hairspray“ (1988), einer | |
| schrägen Parodie auf einen Tanzwettbewerb in den frühen 60er-Jahren, in dem | |
| Harry mit hochtoupierten Haaren als rassistische Mutter eines Teenagers | |
| auftritt. | |
| Mindestens ebenso sehenswert ist Harry auch in David Cronenbergs Horrorfilm | |
| „Videodrome“ (1983) als masochistische Radiomoderatorin Nikki, die sich als | |
| Kandidatin bei einem Gewaltporno-Sender bewirbt („Hairspray“: 24.8., 19 | |
| Uhr, „Videodrome“ 24.8., 21 Uhr, „The Blank Generation“, 30.8., 21 Uhr, | |
| Kino Arsenal). | |
| Emily hat schöne große Augen. Allerdings rollt ihr ab und zu einmal eines | |
| davon weg. Emily hat auch hübsche lange Beine. Allerdings fällt ihr | |
| gelegentlich mal eines davon ab. Denn Emily ist die titelgebende | |
| Leichenbraut in „Tim Burton's Corpse Bride“ und fault bereits – jedenfalls | |
| so ein ganz klein wenig – vor sich hin. | |
| Der Puppenanimationsfilm gehört zu den Klassikern im stets | |
| wiedererkennbaren Universum des amerikanischen Regisseurs Tim Burton, das | |
| immer gern mit phantastischen Handlungselementen, ziemlich skurrilen | |
| Charakteren und erfrischend makabrem Humor aufwartet. Dabei wird die | |
| Geschichte vom schüchternen Victor, der anstelle der reizend stupsnäsigen | |
| Victoria versehentlich die ebenfalls charmante, aber leider tote Emily | |
| ehelicht und alsbald zwischen den beiden Frauen und zwei Welten hin und her | |
| gerissen wird, höchst unschuldig erzählt. | |
| Denn das Jenseits ist in „Corpse Bride“ entgegen landläufiger Vorstellungen | |
| ein ziemlich fröhlicher Ort, wo im Wortsinne die Puppen tanzen. Im | |
| Gegensatz zum bunten und wuseligen Jenseits erscheint die | |
| pseudo-viktorianische Welt der Lebenden kalt und grau, jedoch im Detail – | |
| etwa, wenn sich die Architektur an der Gestalt ihrer Bewohner orientiert – | |
| oftmals kaum weniger komisch. | |
| „Corpse Bride“ ist als Teil einer umfassenden Tim-Burton-Reihe im Babylon | |
| Mitte zu sehen, in der auch so vergnügliche Werke laufen wie „Sleepy | |
| Hollow“ (mit Johnny Depp als Polizist im 18. Jahrhundert, der mit einem | |
| kopflosen Reiter konfrontiert wird) und „Charlie and the Chocolate Factory“ | |
| – mit wahnwitzigen Süßwarenlandschaften und ihren sadistischen Fallen für | |
| verzogene Gören (Corpse Bride, 26.8., 17.45 Uhr, Sleepy Hollow, 27.8., 20 | |
| Uhr, Charlie and the Chocolate Factory, 27.8., 19.30 Uhr, [2][Babylon | |
| Mitte]). | |
| Lustig geht es nicht zu im Zirkus Alberti. Das ist auch kein Wunder, denn | |
| schließlich ist „Abend der Gaukler“ (1953) ein Film von Ingmar Bergman. F�… | |
| den schwedischen Regisseur ist das Leben der fahrenden Artisten ein | |
| Gleichnis für das Schicksal des Künstlers, der stets sein Bestes gibt und | |
| doch nur andauernden gesellschaftlichen Demütigungen ausgesetzt wird. | |
| Bürgerlichkeit bleibt eine unerreichte Illusion (25.8., 20 Uhr, | |
| [3][Filmkunst 66]). | |
| 22 Aug 2024 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.arsenal-berlin.de/kino/filmreihe/a-tribute-to-debbie-harry/ | |
| [2] https://babylonberlin.eu/ | |
| [3] https://www.filmkunst66.de/ | |
| ## AUTOREN | |
| Lars Penning | |
| ## TAGS | |
| taz Plan | |
| Kolumne Frisch gesichtet | |
| Filmgeschichte | |
| Regisseur | |
| Animationsfilm | |
| taz Plan | |
| Filmreihe | |
| taz Plan | |
| taz Plan | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Kinoempfehlungen für Berlin: Leichtgängig und politisch | |
| Das Arsenal würdigt die spät entdeckte Regisseurin Stephanie Rothman, das | |
| Babylon Mitte Tim Burton, Labor Berlin zeigt seine besten | |
| Experimentalfilme. | |
| Kinotipp der Woche: Wo es um Kohle geht | |
| Die Reihe „Schlagende Wetter“ im Zeughauskino widmet sich erneut dem | |
| Bergbau im Film und weitet den Blick von Deutschland auf das internationale | |
| Kino. | |
| Kinoempfehlungen für Berlin: Vom Sandkasten bis zur Bahre | |
| Mit einer Ausstellung und Filmen bespielt die Künstlerin Beth B das silent | |
| green, die UFA-Filmnächte eröffnen, „Blow Up“ macht ein Geheimnis sichtba… | |
| Kinoempfehlungen für Berlin: Von Superhelden und Eisenmännern | |
| Bei Christopher Nolan wird Batman zum Grübler, in „The Lego Movie“ spielt | |
| er eine heitere Nebenrolle, und im Planetarium landet eine Wunderwaffe. |