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# taz.de -- Homophobie in Argentinien: Brennender Hass
> Drei lesbische Frauen verbrennen in ihrer Wohnung in Buenos Aires, ihr
> Nachbar hat das Feuer gelegt. Wie die Regierung Milei Hasskriminalität
> anheizt.
An einem Sonntagabend im Mai 2024 in Buenos Aires beschließt Justo
Barrientos, vier Frauen anzuzünden. Der 67-Jährige, Spitzname El Negro,
verlässt sein Zimmer mit der Nummer 12 im ersten Stock einer Pension im
Süden der argentinischen Hauptstadt. Er öffnet die Tür seiner Nachbarinnen
im Zimmer Nummer 14 und wirft einen Brandsatz hinein. Die Kleidung, die auf
dem Boden liegt, die Matratze und die Bettdecke fangen sofort Feuer. Die
Flammen breiten sich innerhalb von Sekunden aus und erreichen die Frauen,
die im Bett liegen. Als sie versuchen zu fliehen, schlägt der Mann auf sie
ein und stößt sie zurück ins Feuer. So wird es ein Nachbar später
wiedergeben.
Zwei Tage zuvor gab Nicolás Márquez, ein enger Vertrauter des
argentinischen Präsidenten Javier Milei, ein mehr als einstündiges
Interview in einem der meistgehörten Radiosender Argentiniens, Radio Con
Vos. „Der Staat hat bis zur Erscheinung von Javier Milei die Homosexualität
gefördert und damit zu einem selbstzerstörerischen Verhalten ermutigt“,
sagte Márquez. Homosexualität bezeichnete er als „krankhaft“. Grundrechte
von Frauen und queeren Menschen nennt er immer wieder gerne eine
„Gender-Ideologie“, hinter der vermeintlich der „Kulturmarxismus“ steck…
Es sind Menschen wie Márquez, Anhänger einer Art argentinischen Alt-Right,
mit denen sich der rechtsextreme Präsident Milei umgibt. Er selbst
bezeichnet sich als libertären Anarchokapitalisten und hat sich zum Ziel
gesetzt, die öffentlichen Ausgaben des argentinischen Staats auf ein
Minimum zu reduzieren, um so die Inflation zu bekämpfen. Besonders
abgesehen hat er es dabei auf staatliche Institutionen, die Rechte von
Frauen und queeren Menschen schützen sollen.
Als eine der ersten Amtshandlungen nach seinem Wahlsieg im Dezember 2023
schaffte er das Ministerium für Frauen, Gender und Vielfalt ab. Es folgte
die Schließung des staatlichen Instituts gegen Diskriminierung,
Fremdenfeindlichkeit und Rassismus Inadi. Geschlechtergerechte Sprache ist
in öffentlichen Dokumenten jetzt verboten. Mitglieder von Mileis Regierung
verbreiten frauen- und queerfeindliche Diskurse.
Die Frage, auch angesichts solcher Gewaltverbrechen wie gegen die vier
Frauen, ist also: Führt Hassrede zu Hassverbrechen?
Als der Polizist Julio Alacore in der Nacht auf den 6. Mai seine
Routinerunde dreht, erhält er einen Notruf wegen eines Feuers in einer
Pension in der Straße Olavarría im Stadtviertel Barracas in Buenos Aires.
Als er eintrifft, spricht er mit den Nachbar*innen, die sich auf dem
Bürgersteig versammelt haben. Sie berichten ihm von einem Feuer im ersten
Stock. Er steigt die Treppe hinauf und sieht, dass aus dem Zimmer mit der
Nummer 14 Rauch und Flammen aufsteigen. Auf dem Boden des Gemeinschaftsbads
findet er vier Frauen mit Verbrennungen am gesamten Körper. Er ruft die
Feuerwehr und den Rettungsdienst. Das wird später in der Gerichtsakte
stehen.
María Rachid erfährt am Morgen des 6. Mai über soziale Netzwerke von dem
Brandanschlag. Sie ist Gründerin und Präsidentin der Federación Argentina
de Lesbianas, Gays, Bisexuales y Trans (FALGBT), der größten argentinischen
Dachorganisation, die sich für die Rechte der LGBT-Community einsetzt. Sie
vereint über 150 Organisationen im ganzen Land. Rachid ruft den
Generaldirektor der Krankenhäuser an, um herauszufinden, wo sich die
Überlebenden befinden.
Pamela Cobas stirbt wenige Stunden nach dem Brandanschlag im Krankenhaus.
Roxana Figueroa, deren Körperoberfläche zu mehr als 90 Prozent verbrannt
ist, kämpft ums Überleben. Die Körperoberfläche von Andrea Amarante ist zu
75 Prozent verbrannt. Nur Sofía Castro Riglos ist ansprechbar. Eine
Psychologin und eine Anwältin der LGBT-Ombudsstelle, die Rachid leitet,
fahren ins Krankenhaus, um mit ihr zu sprechen.
„Sie hat uns gesagt, dass sie und die anderen Frauen Angst hatten, das
Zimmer zu verlassen. Sie wurden beleidigt und bedroht, weil sie lesbisch
waren“, sagt Rachid. Castro Riglos wohnte seit vier Monaten in dem Zimmer
Nummer 14 in der Pension, gemeinsam mit ihrer Partnerin Andrea Amarante und
einem befreundeten lesbischen Paar. Die vier Frauen lebten in einem kleinen
Raum mit nur einem Bett und ohne Badezimmer. Die Küche und das Bad teilten
sie sich mit den anderen Bewohner*innen der Pension, auch mit ihrem
Angreifer Justo Barrientos. Keine von ihnen hatte eine feste Arbeit,
manchmal verkauften sie Kosmetikartikel. Deshalb wohnten sie zu viert in
einem sechs Quadratmeter großen Zimmer.
Rachid wirkt erschöpft. Sie spricht langsam, ihre Stimme klingt müde, so
als hätte sie schon über zu viele Fälle von antiqueerer Gewalt gesprochen.
Die 49-Jährige hat viele Kämpfe hinter sich. Sie ist seit den 90er Jahren
Aktivistin für LGBT-Rechte, hat sich für das Gesetz für die Legalisierung
der gleichgeschlechtlichen Ehe und das Geschlechtsidentitätsgesetz
eingesetzt.
## „Von der Regierung legitimierte Queerfeindlichkeit“
Die Gewalt und Diskriminierung, die queere Menschen in Argentinien erleben,
ist vielschichtig, sagt sie. Die Organisation FALGBT erhält monatlich
zwischen 100 und 120 Beschwerden wegen Diskriminierung am Arbeitsplatz, in
der Schule, in der Familie oder durch staatliche Institutionen. 2023
registrierte die Organisation 133 Hassverbrechen, bei denen die sexuelle
Orientierung oder die Geschlechtsidentität der Opfer eine Rolle spielten.
Rachid beobachtet, dass queerfeindliche Hassdiskurse seit dem Amtsantritt
von Milei zunehmen. Es habe sie zwar auch schon vorher gegeben, „aber jetzt
werden sie von der Regierung legitimiert“.
Die Polizei findet Justo Barrientos im zweiten Stock der Pension in
Barracas im Gemeinschaftsbad. Er hat eine Verletzung an der linken Seite
des Halses. Es scheint so, als habe er Suizid begehen wollen. Aber es ist
auch möglich, dass die Nachbar*innen ihn angegriffen haben. Barrientos
verweigert eine Aussage. Er wird in ein Krankenhaus gebracht. Was genau
passiert ist, ist Sache von laufenden Ermittlungen.
Die argentinische Journalistin Agustina Ramos besucht die Pension nach dem
Brandanschlag und spricht mit den Nachbar*innen. Einer von ihnen sagt, dass
Barrientos den Frauen bereits in der Vergangenheit damit gedroht hatte, sie
zu ermorden. Und dass er sie wegen ihrer sexuellen Identität als
„Missgeburten“ beleidigte. Aber Zeugen wie diese, mit denen Ramos für das
lateinamerikanische LGBT-Medium Presentes spricht, werden später nicht vom
Gericht vorgeladen. Der zuständige Richter stuft die Tat als dreifachen
Totschlag und schwere Körperverletzung ein und veranlasst Untersuchungshaft
für Barrientos als Hauptverdächtigen. Ein mögliches Hassverbrechen
berücksichtigt der Richter bisher nicht.
In Argentinien wurde das Strafgesetzbuch 2012 während der Regierung von
Cristina Fernández de Kirchner erweitert, seitdem können Hassverbrechen
und geschlechtsspezifische Gewalt als erschwerende Umstände bei
Tötungsdelikten berücksichtigt werden. Hass auf die sexuelle Orientierung
oder die Geschlechtsidentität werden in Artikel 80 des Strafgesetzbuchs
explizit erwähnt.
Diese Rechtsreform ist eine Errungenschaft der queeren und feministischen
Bewegungen, denn sie ermöglicht eine spezifische Ermittlung bei Femiziden
und queerfeindlicher Gewalt – und macht diese überhaupt erst sichtbar.
Argentinien und Uruguay sind die einzigen Länder in Lateinamerika, in denen
Hasskriminalität im Strafgesetzbuch verankert ist. Trotzdem werden
Hassverbrechen häufig nicht als solche eingestuft, denn diese Entscheidung
treffen Richter*innen in einem patriarchalen Justizsystem.
Bei Hassverbrechen handelt es sich um Straftaten, die sich gegen Personen
oder Gruppen richten, beispielsweise wegen ihrer politischen Einstellung
oder die auf Grund ihrer Hautfarbe, ihrer sexuellen Orientierung, ihrer
Geschlechtsidentität oder aus anderen rassistischen Gründen angegriffen
werden. Es gibt keine international einheitliche Definition von
Hasskriminalität, aber fast alle Länder, die den Begriff in ihr Strafrecht
aufgenommen haben, sind sich über diese Kategorien einig.
María Rachid fordert die argentinische Justiz auf, bei dem Brandanschlag
von Barracas auch wegen Hasskriminalität zu ermitteln. Der Richter lehnt
das bisher ab. „Der Fall wird als Nachbarschaftsstreit ermittelt“, sagt
Rachid. „Aber unserer Ansicht nach handelt es sich um ein Hassverbrechen,
einen Lesbizid.“
Am 8. Mai, einem Mittwoch, drei Tage nach dem Brandanschlag, stirbt Roxana
Figueroa im Hospital del Quemado.
Am Freitag rufen LGBT-Organisationen zu einem Protest auf. „Es ist keine
Freiheit, sondern Hass“, lautet die Parole. Hunderte Menschen versammeln
sich am Nachmittag vor dem Kongressgebäude in Buenos Aires. Es ist kein
Massenprotest, so wie man es von anderen feministischen Protesten in
Argentinien kennt. Es weht ein kühler Herbstwind, gegen 18 Uhr geht die
Sonne unter und Lichter erhellen den Kongresspalast mit seiner gewaltigen
Kuppel, in dem die Abgeordnetenkammer und der Senat tagen. Hier haben viele
der Anwesenden 2010 das Gesetz für die gleichgeschlechtliche Ehe gefeiert,
2020 die Legalisierung von Abtreibung, 2021 die Transquote, die trans- und
nichtbinären Personen ein Prozent der Arbeitsplätze im öffentlichen Sektor
garantiert. Heute sind sie hier, um ihrer Trauer und ihrer Wut Ausdruck zu
verleihen. Denn die errungenen Rechte sind in Gefahr.
Präsident Javier Milei, der jede seiner Ansprachen mit dem Ausruf „Es lebe
die Freiheit“ beendet, gefährdet die Freiheit der LGBT-Community.
Zwei Frauen liegen sich am Rande des Protests in den Armen und weinen. Eine
andere klebt Flugblätter auf den Asphalt: Justicia para Pamela y Roxana.
Eine Gruppe hängt ein großes Laken auf, darauf steht: „Hassdiskurse töten�…
Jemand hat einen Lautsprecher aufgestellt und ein Mikrofon eingesteckt. Die
Teilnehmer*innen auf der Demo schreien ins Mikrofon, als wollten sie
all den Frust herauslassen, der sich in den vergangenen Monaten angestaut
hat. Und sie sind sich in einem einig: El Gobierno es responsable, die
Regierung trägt Verantwortung.
Am Sonntag, eine Woche nach dem Brandanschlag, stirbt Andrea Amarante. Sie
war die jüngste der vier Frauen, 43 Jahre alt.
Einen Tag darauf äußert sich schließlich die Regierung zum ersten Mal zu
dem Verbrechen. Eine Journalistin bittet den Regierungssprecher Manuel
Adorni auf einer Pressekonferenz um eine Stellungnahme zum Lesbizid. „Ich
möchte diesen Fall nicht als Angriff auf eine bestimmte Gruppe definieren“,
sagt er. Gewalt sei „allgemein verwerflich“, und: „viele Frauen und Männ…
wären davon betroffen. Als eine linke Abgeordnete ihn auf X auffordert,
von einem Lesbizid zu sprechen, reagiert er mit dem Screenshot eines
Wörterbuchs: [1][„Das Wort ‚Lesbizid‘ ist nicht im Wörterbuch
registriert.“]
Am selben Abend laufen etwa 200 Personen von der Plaza Colombia zur
Pension, in der die vier Frauen angegriffen wurden. Sie halten Blumen und
Kerzen in den Händen und tragen Schilder mit den Namen der mittlerweile
drei Verstorbenen: Andrea Amarante, Roxana Figueroa, Pamela Cobas. „Er hat
sie angezündet, weil sie lesbisch und arm waren“, sagt eine der
Demonstrierenden.
Mileis Biograph Nicolás Márquez kommentiert unter dem Post einer
Journalistin zu dem Verbrechen auf X: „Dann werde halt nicht lesbisch, dann
wirst du auch nicht ermordet. Ein guter Grund für die Heterosexualität.“
Der Soziologe Pablo Villareal forscht am Labor für Studien zu Demokratie
und Autoritarismus der Universidad Nacional de San Martín in Buenos Aires
zu den Folgen von Hassdiskursen der neuen Rechten für die Demokratie. Ein
zentraler Bestandteil von Hassdiskursen sei die Entmenschlichung. „Andere
Menschen als Ungeziefer oder als Tiere zu bezeichnen, legitimiert eine
Gewaltaktion, weil suggeriert wird, dass diese Personen ausgelöscht werden
müssen“, sagt Villareal. Mileis Außenministerin Diana Mondino verglich die
gleichgeschlechtliche Ehe einmal damit, Läuse zu haben. Milei selbst setzte
Homosexualität in einem Interview mit Sex mit Elefanten gleich.
„Es ist das erste Mal in der Geschichte, dass wir eine Regierung haben,
deren Politik und Kommunikation größtenteils auf sozialen Netzwerken
stattfindet“, sagt der Soziologe. Und dort, im digitalen Raum, werden
Hassdiskurse verbreitet: Mileis Anti-Staats-Diskurs richte sich gegen
Frauen und queere Menschen, die seiner Ansicht nach den Staat ausnutzten
und unnötige Ausgaben verursachten. Milei mache sie indirekt für die
Wirtschaftskrise, die Inflation und die staatliche Korruption
mitverantwortlich: Indem Milei Hass auf diese Menschen im Rahmen einer
Kritik am Staat artikuliere, akzeptierten die Menschen sie eher, sagt
Villareal. „Aber es sind eben genau Frauen, Homosexuelle und trans
Personen, die den Staat brauchen, damit sie Gewalt nicht schutzlos
ausgeliefert sind.“
Am 26. Juni werden Andrea Amarante, Roxana Figueroa und Pamela Cobas auf
dem Friedhof in Chacarita beerdigt. Etwa 100 Menschen laufen hinter den
drei Leichenwagen, sie halten eine Flagge mit orangenen, pinken und weißen
Streifen hoch, die Lesbische Pride-Flagge. Es ist eine kleine Gruppe, die
die Beerdigung begleitet, die meisten gehörten zur LGBT-Communtiy. Unter
ihnen ist Sofía Cortés Riglos, die einzige Überlebende des Hassverbrechens
von Barracas. Sie beerdigt an diesem Tag ihre Partnerin und ihre besten
Freundinnen. Cortés Riglos hat Verbrennungen ersten Grades an beiden Händen
und der linken Seite ihres Gesichts. Ihre Partnerin Andrea Amarante hatte
sich über sie geworfen, um sie vor dem Feuer zu schützen. Nur deshalb hat
sie überlebt. Sie wirft eine Blume in ihr Grab und sagt: Adíos, amor mío.
Sofía Castro Riglos wird von queeren Organisationen unterstützt und
begleitet. Sie haben für sie eine Wohnung gemietet, eine Therapeutin und
eine Anwältin zur Verfügung gestellt. Vom Staat erhält sie keine Hilfe. Sie
ist schwer traumatisiert. Deshalb, und weil der Gerichtsprozess noch nicht
abgeschlossen ist, sprechen weder sie noch ihre Anwältin mit
Journalist*innen über den genauen Tathergang.
Im August wird bekannt, dass Argentiniens Ex-Präsident Alberto Fernández
seine ehemalige Partnerin Fabiola Yañez geschlagen und misshandelt haben
soll. Während seiner Amtszeit wurde das Ministerium für Frauen, Gender und
Vielfalt geschaffen. Milei nutzt diesen Umstand aus, um seine eigene
antifeministische Politik zu rechtfertigen: „Ich bin stolz darauf, dass wir
das Frauenministerium und das Inadi abgeschafft haben, die zur
ideologischen Verfolgung genutzt wurden“, sagte er bei einer Rede. Sein
Regierungssprecher Manuel Adorni bezeichnet Geschlechterpolitik als
„sinnlos“. Die Vorwürfe gegen Fernández würden bestätigen, dass sie den
Frauen nicht geholfen habe.
Mileis Justizminister Cúneo Libarona, der Ende August in die Kommission für
Frauen und Vielfalt in der Abgeordnetenkammer eingeladen war, um über die
Geschlechterpolitik der Regierung zu sprechen, sagte dort: „Wir lehnen die
Vielfalt der sexuellen Identitäten ab, die nicht mit der Biologie
übereinstimmen. Das sind subjektive Erfindungen“.
„Alles, was wir in den vergangenen Jahren erreicht haben, ist jetzt in
Gefahr“, sagt Rachid, die Präsidentin der queeren Organisation FALGBT.
„Institutionen werden geschlossen, Gelder gekürzt, Personal entlassen.“ Um
Gesetze wie das für die gleichgeschlechtliche Ehe, das Abtreibungsgesetz
oder das Geschlechtsidentitätsgesetz abzuschaffen, braucht Milei die
Zustimmung im Parlament, aber seine Partei hat dort keine Mehrheit. Die
Parlamentswahl ist in Argentinien von der Präsidentschaftswahl abgekoppelt,
die nächste findet voraussichtlich 2025 statt. „Die Regierung wartet auf
die nächste Wahl, um mehr Abgeordnete zu haben und die Gesetze
abzuschaffen, die wir erkämpft haben“, sagt Rachid.
Der Soziologe Villareal sagt, dass es wichtig sei, zu berücksichtigen, von
wem die Hassdiskurse ausgehen. Je mehr Follower*innen die Person auf
sozialen Netzwerken habe und je bekannter sie sei, desto wahrscheinlicher
sei der Schritt vom Wort zur Aktion. „Wenn Hassdiskurse von einem
Staatsoberhaupt verbreitet werden, dann schafft das die Bedingungen für
Hasskriminalität“, sagt Villareal. Seiner Ansicht nach gibt es deshalb eine
Verbindung zwischen den Hassdiskursen der Regierung von Milei und der
Zunahme von antiqueerer Gewalt in Argentinien.
## Der Richter will die Nebenklage nicht akzeptieren
Die Anwältin von Sofía Castro Riglos arbeitet derzeit an einer
Anklagestrategie im Barracas-Fall, die die Hasskriminalität sichtbar machen
soll. Die Organisation FALGBT und weitere LGBT-Organisationen haben einen
Antrag gestellt, um – neben den Angehörigen der Todesopfer – als
Nebenkläger*innen zugelassen zu werden. „Ein Hassverbrechen verletzt
nicht nur eine Einzelperson, sondern die gesamte betroffene Gruppe“, heißt
es in der Anklageschrift von FALGBT. Aber der Richter hat die Klage von
FALGB bisher nicht akzeptiert.
„Wir werden Berufung einlegen und, wenn es nötig ist, bis vor den obersten
Gerichtshof ziehen“, sagt Rachid. Das Strafmaß würde sich zwar nicht
zwangsläufig erhöhen, sollte der Fall als Hasskriminalität verhandelt
werden. Denn Barrientos wird für seine Tat vermutlich ohnehin eine
lebenslange Haftstrafe erhalten. Aber der LGBT-Community geht es noch um
etwas anderes: darum, dass die Gewalt gegen sie anerkannt und sichtbar
gemacht wird. Es ist eine Möglichkeit, sich gegen eine Regierung zu wehren,
die ihre Rechte abschaffen will und damit ihre Leben gefährdet.
8 Sep 2024
## LINKS
[1] https://x.com/madorni/status/1790134205524983817
## AUTOREN
Sophia Boddenberg
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