# taz.de -- Overtourism in Dubrovnik: Das Unwohlsein der Klonstädte | |
> Ist es wirklich so irre, in einem überlaufenen Touri-Hotspot Urlaub zu | |
> machen? Unsere Autorin wagt es. Und wird unangenehm überrascht. | |
Bild: Die Hauptpromenade Stradun, auch genannt Placa, in der Altstadt von Dubro… | |
Ja, die berühmten Einbahnstraßen für Massentourismus gibt es wirklich. Wie | |
am Flughafen lenken sie den nicht abreißenden Menschenstrom am Tor zur | |
Altstadt von Dubrovnik mit Sperrband in zwei Richtungen. Ein paar | |
Rollkoffer klockern trotz des Verbots durch die Gassen. Fotos mache ich im | |
Gehen, Stehenbleiben ist hier nicht drin. | |
Ich bin im Hochsommer in Dubrovnik, der Kapitale des Overtourism. Der | |
offensichtlichste Grund für meinen Aufenthalt ist, dass meine | |
Fährverbindung über Dubrovnik geht. Aber wenn ich ehrlich bin, habe ich | |
noch ein anderes Motiv: Ich will den Irrsinn sehen. | |
Ich war nie in Machu Picchu, nie am Taj Mahal und nie in Venedig. Einmal | |
will ich [1][krassen Overtourism] erleben. Tourismus, um Tourismus zu sehen | |
– ein Voyeurismus, der schon so manchen an den Ballermann geführt hat. | |
Vorab rechne ich aus, wie viele Tage als prekäre Freiberuflerin bei den | |
Mieten hier überhaupt drin sind. Schmerzgrenze: zwei. | |
Wir machen eine [2][„Game of Thrones“-Tour] durch die Altstadt, was nach | |
meiner subjektiven Beobachtung der Anreisegrund von 80 Prozent aller | |
Besucher:innen zu sein scheint. Dubrovnik wollte so den touristischen | |
Erfolg Neuseelands mit „Herr der Ringe“ reproduzieren – Mission geglückt. | |
Unser Guide Boris, der mies bezahlter Statist bei „Game of Thrones“ war, | |
erzählt, was seither alles um wie viel teurer wurde. „Ihr fragt euch wohl, | |
wer in diesen Häusern wohnt? Die Antwort ist: Zu 95 Prozent Leute wie ihr.“ | |
Ob all das nicht schlimm sei für die Leute in Dubrovnik, frage ich ihn in | |
einem stillen Moment. Er lacht: „Ach was, die jammern immer. Im Sommer | |
jammern sie, dass die Touristen da sind, und im Winter jammern sie, wann | |
sie endlich wiederkommen.“ | |
Ich verstehe seinen Vibe. Gemessen an den Horrormeldungen aus Deutschland | |
finde ich Dubrovnik vage antiklimaktisch. Was soll jetzt so krass sein? Die | |
Altstadt mit Touri-Restaurants und Krimskramsbuden, die vollgestopften | |
Gassen und ein Zentrum, das von wohlhabenden Vermieter:innen und | |
Tourist:innen enteignet wurde? Altstädte am Mittelmeer sehen allerorten | |
so aus, in Spanien, Italien, Kroatien, Marokko, Tunesien. Sie müssen dafür | |
nicht mal besonders berühmt sein. Sie sind polierte kleine Klone, | |
gentrifizierte Freiluftmuseen. Sie sind tot. Diese Landnahme wird auch | |
dadurch normalisiert, dass Medien Hotspots wie Dubrovnik als Gruselorte | |
markieren und den touristischen Rest als „Normalität“. | |
Ich hatte mir hier einen wohligen Schauer erhofft. Aber ein bisschen ist es | |
so, wie im Kino festzustellen, dass die Zombies auf der Leinwand auch in | |
der eigenen Nachbarschaft leben. Der Schauerspaß fällt aus. Das Unwohlsein | |
hält an. | |
26 Aug 2024 | |
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## AUTOREN | |
Alina Schwermer | |
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