# taz.de -- Krieg zwischen Israel und Hamas: Westjordanland könnte Front werden | |
> Mit einem groß angelegten Militäreinsatz geht Israel im Westjordanland | |
> gegen Militante vor. Der Iran und Siedler treiben die Eskalation voran. | |
Bild: Hinterlassenschaft des Militäreinsatzes: ein von einer israelischen Bomb… | |
Jerusalem taz | In der Nacht auf Mittwoch sind israelische Soldaten in | |
mehrere Orte im Norden des besetzten Westjordanlands eingedrungen, dabei | |
wurden nach Angaben des palästinensischen Gesundheitsministeriums | |
mindestens neun Menschen getötet. Die Armee ging nach eigenen Angaben vor | |
allem in Tulkarem, aber auch in Dschenin und in dem Flüchtlingslager Far’a | |
nahe Tubas vor. Ein Armeesprecher sagte, die Operation stehe im | |
Zusammenhang mit der gestiegenen Anzahl an Anschlägen auf Israelis aus | |
dieser Region, darunter der gescheiterte Bombenanschlag in Tel Aviv Mitte | |
August. Im Einsatz seien Infanteristen, Flugzeuge und Drohnen. | |
Laut dem Gouverneur von Dschenin riegelte die Armee die Stadt im Norden des | |
Westjordanlands ab. Das Gesundheitsministerium meldete, dass Soldaten ein | |
[1][Krankenhaus und andere medizinische Einrichtungen] umstellt hätten. Das | |
Militär würde Krankenwagen auf darin versteckte Kämpfer untersuchen, teilte | |
die Klinik mit. Die Armee meldete, die Soldaten würden das Krankenhaus | |
nicht betreten, auch der Zugang sei weiter möglich. Videoaufnahmen zeigten | |
außerdem gepanzerte Bulldozer in [2][Tulkarem], die Straßen und | |
Infrastruktur zerstören, laut der Armee eine Maßnahme gegen Sprengfallen. | |
Der Einsatz befeuert Befürchtungen, das Westjordanland könnte sich | |
zunehmend zu einer weiteren Front – neben dem Krieg im Gazastreifen und den | |
Auseinandersetzungen mit der Hisbollah an der Grenze zum Libanon – | |
entwickeln. Die Hamas rief die Sicherheitskräfte der Palästinensischen | |
Autonomiebehörde auf, sich „der heiligen Schlacht für unser Volk | |
anzuschließen“. Der bewaffnete Arm der Fatah, der Fraktion von | |
Palästinenserpräsident Mahmud Abbas, erklärte, an den Kämpfen beteiligt zu | |
sein. | |
Die Operation könnte mehrere Tage andauern, berichtete die Zeitung Haaretz | |
unter Berufung auf die Armee. Im Fokus stehe ein Netzwerk, das im August | |
einen Bombenanschlag in Tel Aviv ausführen wollte. Die Rucksackbombe | |
detonierte jedoch, bevor der Attentäter sein Ziel erreicht hatte, tötete | |
ihn selbst und verletzte einen Passanten. Es war der erste | |
Selbstmordanschlag in Tel Aviv seit acht Jahren. Sowohl die Hamas als auch | |
der Palästinensische Islamische Dschihad (PIJ) bekannten sich zu dem | |
Anschlag. Der Attentäter Jaafar Mona kam laut Haaretz aus Nablus. | |
## Mindestens elf Tote durch Siedlergewalt | |
Die Hamas versucht seit ihrem [3][Überfall auf Israel am 7. Oktober,] den | |
Krieg auf das Westjordanland auszuweiten. Zumindest bisher ist sie damit | |
weitgehend gescheitert. Doch die Lage ist so angespannt wie selten zuvor. | |
Die hohe Zahl der zivilen Opfer durch israelische Angriffe auf Gaza haben | |
viele Palästinenser radikalisiert. Die kontinuierlichen Razzien der | |
israelischen Armee, bei denen seit Oktober mehr als 650 Palästinenser | |
getötet wurden, verschärfen die Spannungen weiter. | |
Hinzu kommt eine [4][beispiellose Welle an Gewalt seitens extremistischer | |
Siedler], die seit Kriegsbeginn mindestens elf Menschen getötet haben, | |
mitunter in Anwesenheit israelischer Sicherheitsbehörden. | |
Der Chef von Israels Inlandsgeheimdienst Shin Bet, Ronen Bar, sah sich vor | |
diesem Hintergrund vor zwei Wochen zu einem Brandbrief an Regierungschef | |
Benjamin Netanjahu und sein Kabinett veranlasst. Darin warnt er, der | |
„Terrorismus“ radikaler Teile der jüdischen Siedlerbewegung sei außer | |
Kontrolle und eine Bedrohung für die nationale Sicherheit. | |
Auch der Iran versucht laut Medienberichten, die Lage in dem besetzten | |
Gebiet zur Eskalation zu treiben. Über Jordanien gelangen demnach mit | |
Unterstützung aus Teheran vermehrt Waffen ins Westjordanland. Laut Israels | |
Armee verübten militante Palästinenser aus Tulkarem und Dschenin seit dem | |
Beginn des Krieges in Gaza etwa 150 Anschläge – mit Schusswaffen und mit | |
Sprengsätzen. Der israelische Außenminister Israel Katz schrieb auf Twitter | |
von einem „islamistisch-iranischen Terrornetzwerk“. | |
## Außenminister Katz: „Terrorfront gegen Israel“ | |
Ähnlich wie im Gazastreifen und dem Libanon wolle Teheran im Westjordanland | |
eine „östliche Terrorfront gegen Israel“ aufbauen. Die israelische Armee | |
müsse daher „mit der terroristischen Infrastruktur genau so umgehen, wie in | |
Gaza“. Dazu zähle auch die temporäre Evakuierung von Zivilisten. Die Armee | |
teilte allerdings mit, dass es keine Evakuierungspläne für das | |
Westjordanland gebe. | |
[5][Israels rechtsextremer Minister für Nationale Sicherheit, Itaamar Ben | |
Gvir,] hatte jüngst die Stimmung mit umstrittenen Aussagen zum Tempelberg | |
in Jerusalem weiter angeheizt. Es sei Juden erlaubt, dort zu beten, sagte | |
er dem Armee-Radiosender. Eigentlich herrscht dort ein sensibler Status | |
quo: Juden dürfen das auch für Muslime heilige Gelände besuchen, nicht aber | |
dort beten. Verteidigungsminister Joav Galant kritisierte Ben Gvirs Aussage | |
und nannte sie „unverantwortlich“. | |
28 Aug 2024 | |
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## AUTOREN | |
Felix Wellisch | |
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