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# taz.de -- US-Demokraten: Aus Hoffnung kann Zauber werden
> Niemand kann vorhersagen, ob es wirklich klappt mit Kamala Harris als
> erster US-Präsidentin. Doch der Verzicht von Joe Biden hat Energien
> freigesetzt.
Bild: Harris bei einer Wahlkampfveranstaltung am 20. August in Milwaukee, Wisco…
Wer sich festlegen will, ob Kamala Harris oder Donald Trump am 5. November
die US-Wahl gewinnen wird: „Be my guest“, würden US-Amerikaner.innen sagen.
Mit einem skeptischen „Wenn du meinst, nur zu“ ließe sich das sinngemäß
übersetzen. Denn eine Jubelwoche macht noch keine Siegerin [1][und eine
unfallfreie Rede der Gekürten noch keine Präsidentin]. Doch der
Kamala-Rausch, in den sich die Demokraten in der abgelaufenen Woche auf
ihrem Parteitag in Chicago hineingejubelt haben, birgt trotzdem eine gute
Botschaft, eine, die über die USA hinausweist.
Die [2][ehemalige First Lady Michelle Obama formulierte es so]: „Etwas
wundervoll Magisches liegt in der Luft, ein vertrautes Gefühl, das viel zu
tief viel zu lang begraben war. Ihr wisst, wovon ich spreche. Es ist die
ansteckende Kraft der Hoffnung, wieder einmal an der Schwelle eines
helleren Tages zu stehen. Amerika, Hoffnung hat ein Comeback.“ US-Pathos,
natürlich – nur hat diese ansteckende Hoffnung mit dem Phänomen Kamala
Harris sogar den Sprung über den Atlantik geschafft. Seit US-Präsident Joe
Biden nach innigem Bitten und flehentlichem Betteln seinen Rückzug von
einer erneuten Kandidatur bekannt gegeben und Harris gleich noch als seine
Nachfolgerin positioniert hat, scheint aller Zweifel vergessen.
Die erste Erleichterung über den Rückzug von Biden hat nicht einer
Ernüchterung, sondern vielmehr einer Begeisterung Platz gemacht. Vergessen
scheint, dass Harris nicht die Wunschkandidatin der gesamten Partei war,
vergessen, dass der Vizepräsidentin Schwächen zur Last gelegt werden:
fehlendes politisches Gespür, dürftiges thematisches Profil, mangelnde
Bühnentauglichkeit. Sogar das Menetekel eines Trump-Siegs ist – für den
Moment – in den Hintergrund gerückt. Doch warum all das?
Menschen wollen Hoffnung, nicht Unheil. Es gibt diesen großen Teil der
Gesellschaft, der gerade jetzt auf Hoffnung wartet. Und wenn die
Konstellation stimmt, werden solche starken Kräfte frei. Bis vor wenigen
Wochen schien kein Weg an einer zweiten Trump-Präsidentschaft
vorbeizuführen. Diverse Gruppen arbeiten längst an Plänen für den
Ernstfall, bereiten sich auf das vor, was unter Trump aus Zivilgesellschaft
und progressivem US-Amerika werden könnte. Aber Hoffnung mobilisiert. Für
den Moment hat Harris in der Wähler.innengunst aufgeholt, wo Joe Biden
unterzugehen drohte. Frauen und junge Menschen insbesondere wenden sich
Harris zu, auch Schwarze, Latinas und Latinos.
Das sind Momentaufnahmen, wird dem entgegnet, der Trend ist wendig, und
statistische Ungenauigkeiten wiegen einen Vorsprung von drei oder vier
Prozentpunkten locker auf. Kein Widerspruch. Aber Hoffnung mobilisiert –
und kann die politische Wirklichkeit verändern. Denn, so unglaublich es
scheint, eine Chance zumindest besteht jetzt, dass der nächste US-Präsident
eine Präsidentin ist. Mit einer Kandidatin, die nicht der Liebling aller
führenden Demokraten und Demokratinnen war und bestimmt nicht als zündend
galt, kann nun tatsächlich eine Wende eingeleitet werden. Vielleicht war
Kamala Harris da einfach nur zur rechten Zeit am richtigen Ort.
## Starkes Echo aus Deutschland
Nicht nur den Vereinigten Staaten dräuen noch immer weniger helle Tage.
Auch unsere Gesellschaft droht von innen ausgehöhlt zu werden und zu
verrohen. Auch die politischen Entwicklungen, auf die wir hier zuvörderst
blicken, wecken nicht gerade das, was man als Hoffnung bezeichnen würde:
der Krieg in der Ukraine, das unmenschliche Drama in Gaza. Die Europawahl
ist – mit mehr Zittern als Zuversicht – nicht zugunsten der rechten Kräfte
ausgegangen, und was am kommenden Wochenende bei den Wahlen in Thüringen
und Sachsen recht sicher passieren wird, gibt viel Anlass, hoffnungslos zu
werden.
Der Klimawandel führt dabei sogar eher ein Schattendasein. Es gibt ihn aber
auch hier, diesen großen Teil der Gesellschaft, der gerade jetzt auf
Hoffnung wartet. Deshalb ist es vielleicht keine Überraschung, dass die
Euphorie für die Kandidatur von Kamala Harris hier, in Deutschland, in
Europa, ein so starkes Echo erzeugt hat. Natürlich.
Nur können die progressiven Teile der Gesellschaft daraus überhaupt
irgendetwas ableiten? Konstellationen formen sich nun mal in politischen
und historischen Umständen.
Man stelle sich einfach vor, Joe Biden wäre der Kandidat geblieben. Die
Demokraten hätten nicht die Kraft und den Mut gehabt, ihn zum Rückzug zu
bewegen. Es ist ein angsteinflößendes Szenario. Und es sagt vor allem
eines: Festhalten am Bekannten, nur weil man Angst hat, das Neue könne
schlechter sein, bringt ganz gewiss keine Hoffnung. Mut zur Disruption
braucht es schon.
23 Aug 2024
## LINKS
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## AUTOREN
Barbara Junge
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