| # taz.de -- Italienische Volleyballspielerin: Ein Horror für Rassisten | |
| > Die Volleyball-Olympiasiegerin Paola Egonu gehört zu den allerbesten. Im | |
| > Heimatland Italien ein Politikum, denn sie ist Schwarz. | |
| Bild: Paola Egonu gewann in Paris die Goldmedaille im Volleyball | |
| Mit vier Jahren wird Paola Egonu klar, dass sie nicht dazugehört. Da | |
| bekommt sie in der italienischen Kita für eine Lappalie Arrest und darf | |
| nicht auf die Toilette. Paola Egonu nässt sich ein. Die Erzieherin lacht | |
| sie aus: „Du stinkst, du stinkst!“ Sie weigert sich, das Kind zu säubern. | |
| So erzählte es Paola Egonu, eine der besten Volleyballerinnen der Welt, | |
| [1][2023 der italienischen Ausgabe von Vanity Fair]. Bis heute, so Egonu, | |
| habe sie Hemmungen, auswärts auf Toilette zu gehen. Ihre Eltern hätten | |
| gefordert, dass sie sich an die rassistische Welt anpasse. Sie brachten ihr | |
| bei, sauber zu sein, weil man ihr sagen werde, dass Schwarze stinken. | |
| Und in Läden nicht die Hände in die Taschen zu stecken, um nicht des | |
| Diebstahls beschuldigt zu werden. Sie halte sich bis heute daran. Ob sich | |
| am italienischen Rassismus seither etwas verbessert habe? „Nein“, | |
| antwortete Paola Egonu knapp. Und erzählte vom Alltagsrassismus etwa gegen | |
| ihre Mutter. „Was mich am meisten schmerzt, ist, dass sie nicht einmal | |
| wütend wird:,Das ist normal', sagt sie mir.“ | |
| ## Italienische Berühmtheit | |
| Das Interview mit Vanity Fair hat in Italien große Wellen geschlagen. Wie | |
| so vieles, was Paola Egonu sagt. Über Egonu wird gerade auch in | |
| Deutschland gesprochen: Ein italienisches Mural, das ihren Olympiasieg in | |
| Paris feiert, wurde übersprüht – ihre Hautfarbe wurde rosa gemacht. Doch | |
| die Tat hat eine lange Vorgeschichte. | |
| Paola Egonu ist in Italien sehr berühmt. Die Tochter nigerianischer | |
| Einwanderer hat im [2][Volleyball] alles gewonnen: Europameisterin, | |
| Champions-League-Siegerin, italienische Meisterin und Pokalsiegerin, nun | |
| ist sie auch Olympiasiegerin. Doch auch in der Volleyballnation Italien | |
| kommt man nicht einfach wegen guten Volleyballspiels in die Talkshows. | |
| Paola Egonus Karriere war stets begleitet von politischen Debatten, von | |
| viel Hass und Anfeindungen, aber auch Bewunderung. Denn sie ist schwarz, | |
| queer und nimmt kein Blatt vor den Mund. Sie symbolisiert die Hoffnung auf | |
| ein neues, besseres Italien. Und für andere dessen Untergang. | |
| ## Rassismus neben dem Feld | |
| „Italien ist ein rassistisches Land“ – das ist einer der simplen Sätze | |
| Egonus, die für einen Aufschrei sorgten. Sie spricht in Talkshows oft | |
| lächelnd und leise, keineswegs krawallig. Sie spricht, weil sie irgendwann | |
| über den massiven Rassismus gegen sie nicht mehr schweigen konnte. Und | |
| mittlerweile redet sie über weit mehr. | |
| Die Ausnahmeathletin thematisiert etwa offen ihre Panikattacken, ihre | |
| gespaltene Beziehung zum Spitzensport oder die Vorurteile, die sie von | |
| Familie und Außenstehenden wegen ihrer Bisexualität erfuhr. „Was fällt euch | |
| ein, über mich oder ein homosexuelles Paar zu urteilen, das liebevoll | |
| Kinder großzieht, während die Welt voll ist von dysfunktionalen | |
| traditionellen Familien? | |
| Es ist eine Welt voller Scheiße. Ich hoffe, die Apokalypse kommt bald.“ Und | |
| über [3][Giorgia Meloni]: „Wenn eine Partei, die von einer Frau geführt | |
| wird, nicht den Mut hat, andere Frauen zu verteidigen, dann gibt es keine | |
| Hoffnung.“ Für einen Teil der weißen, heterosexuellen italienischen | |
| Öffentlichkeit viel zu viel der Kritik und Drastik. Speziell für eine | |
| Migrantentochter, die dankbar zu sein hat. | |
| Das erste große Zerwürfnis kam nach der WM 2022. Nach dem Spiel um Platz 3 | |
| gelangte ein Mitschnitt an die Öffentlichkeit, in dem Paola Egonu ihrem | |
| Agenten unter Tränen vom Rassismus der Medien und Fans berichtet. „Sie | |
| haben mich gefragt, warum ich Italienerin bin. Das war mein letztes Spiel | |
| für die Nationalmannschaft.“ | |
| Die Rücktrittsankündigung nahm sie später öffentlich zurück, machte | |
| aber aus ihrem gespaltenen Verhältnis zu Italien keinen Hehl: „Ich frage | |
| mich, warum ich solche Leute repräsentieren muss.“ Ein Teil der | |
| italienischen Öffentlichkeit nahm ihr das schwer übel. Die Athletin | |
| berichtete später im Podcast des Moderators Gianluca Gazzoli über | |
| Anfeindungen: Man habe sie aufgenommen, und sie wende sich gegen Italien. | |
| ## Egonus Mural | |
| Das verunstaltete Mural der Künstlerin Laika trägt den Namen italianità – | |
| was mit „Italianität“ übersetzt werden kann. Paola Egonu schlägt darauf | |
| einen Ball gegen Hass und Rassismus. | |
| Diese italianità, auch ein Kampfbegriff der Neuen Rechten für ein eher vage | |
| definiertes Italienischsein, hatte Roberto Vannacci, Ex-Generalmajor der | |
| Armee und heute Europaabgeordneter der rechtspopulistischen Lega, in seinem | |
| rassistischen und queerfeindlichen Rant „Verdrehte Welt“ Egonu | |
| abgesprochen. | |
| Die hat erfolglos dagegen geklagt. Die postfaschistische | |
| Ministerpräsidentin Giorgia Meloni versuchte Anfang diesen Jahres, die | |
| Wogen zu glätten, und ließ sich öffentlich beim Volleyballspiel mit Paola | |
| Egonu ablichten. Die unbekannten Vandalist:innen haben Egonu nun erneut | |
| die italianità abgesprochen. | |
| In Italien hat das große Debatten angestoßen, unter anderem über | |
| Versäumnisse der rechten Regierung beim italienischen Bürgerrecht. Quer | |
| durch die Parteien beeilten sich Politiker:innen, den Vorfall zu | |
| verurteilen – welche Ironie, waren es doch die Parteien, die mit ihrer | |
| migrationsfeindlichen Politik und dem Hofieren von Vannacci ein solches | |
| Klima erst schufen. | |
| Vannacci selbst äußerte eine groteske Nonpology: Der Angriff aufs Mural sei | |
| ein Angriff auf die Meinungsfreiheit – ähnlich wie die | |
| „Cancel-Culture-Ideologie“, bei der Bücher umgeschrieben und Julia (die von | |
| Romeo) von einer Schwarzen gespielt werde. | |
| Doch es gab auch riesige Solidarität mit Egonu. La Stampa titelte: „Warum | |
| wir alle Paola Egonu sind“. Paola Egonu ist gesellschaftlich sehr präsent, | |
| modelt für Armani, war Synchronsprecherin und moderierte 2023 beim | |
| großen Festival von Sanremo. Das Mural wurde mittlerweile von einer | |
| unbekannten Passantin wieder mit schwarzer Hautfarbe übermalt. | |
| Auffällig ist dagegen das laute Schweigen von Giorgia Meloni. Die | |
| Neofaschistin, die zuvor noch lautstark [4][für die Boxerin Angela Carini | |
| gegen die als intergeschlechtlich betitelte Imane Khelif] lobbyiert hatte, | |
| hatte zum Angriff auf die Volleyball-Olympiasiegerin nichts zu sagen. | |
| Ihre Worte musste Paola Egonu immer schon selbst finden und wird es gewiss | |
| weiter tun. Bei Vanity Fair hat sie eine Zukunft als Aktivistin | |
| angekündigt. „Wir Sportler:innen sind diplomatisch, um die Vereine nicht | |
| zu verärgern und um keine Spannungen in der Mannschaft zu erzeugen. Wenn | |
| ich nicht mehr spiele, kann ich vielleicht die ganze Wahrheit sagen.“ Die | |
| italienische Rechte darf sich fürchten. | |
| 16 Aug 2024 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.vanityfair.it/article/paola-egonu-razzismo-intervista | |
| [2] /Homophobie-im-russischen-Sport/!6001838 | |
| [3] /Neues-Buendnis-in-Italien/!6022551 | |
| [4] /Zukunft-des-Boxsports/!6025002 | |
| ## AUTOREN | |
| Alina Schwermer | |
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