Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Boxerin Imane Khelif: Der beargwöhnte Fight
> Die intersexuelle Boxerin Imane Khelif hat Olympiagold gewonnen. Ihr
> glatter Durchmarsch durchs Turniers befeuert eine ohnehin schon
> unsachliche Debatte.
Bild: Moment der Gewissheit: Imane Khelif (l.) wird Olympiasiegerin gegen die C…
Die intersexuelle Boxerin Imane Khelif hat sehr erfolgreich bei diesen
Spielen gekämpft. Das ist die Nachricht. Das heißt: Das hätte die Nachricht
sein können, aber die Faustkämpfe der 25-jährigen Algerierin sind seit
Tagen zu einem Politikum geworden, zu einer Causa. Und diese Causa Khelif
illustriert pars pro toto eines: Eine wieder mal dysfunktionale
Debattenkultur, die zum erbitterten Streit der Lager ausartet.
Der Kern des Problems wird zwischen den Mahlsteinen der Extreme zerrieben,
und so wird schon längst nicht mehr darüber diskutiert, wie denn nun die
Chancengleichheit im Frauenboxen aufrecht erhalten werden kann, wenn zwar
aufs Gramm genau das Körpergewicht gemessen wird, aber nicht der
chromosomale und hormonelle Status einer Athletin, nein, in fetten Lettern
wird von der einen Seite geplärrt: [1][„Mann verprügelt Frauen!“]
Auf der anderen Seite werden kritische IOC-Beobachter schon mal zu
Parteigängern des Olympiakomitees, weil sie deren Position gut und
progressiv finden: Eine Frau ist dann eine Frau, wenn das so im Pass steht,
sagt das IOC. Wer das unterkomplex und dem Niveau der bisherigen Debatte in
Sachen DSD (Disorder of Sex Development) unwürdig findet, dem wird zu
verstehen gegeben, dass er oder sie damit nicht nur rassistisch sein und
LGBTQ-Rechte verletzen könnte, der macht sich irgendwie auch mit dem
sinistren Umar Nasarowitsch Kremlew gemein, seines Zeichens Präsident des
skandalträchtigen internationalen Boxverbands IBA.
Der wurde vom IOC suspendiert, die olympischen Boxkämpfe stehen unter der
Hoheit des Olympiakomitees. Die IBA, das hat sie auch auf einer in Paris
abgehaltenen Pressekonferenz verdeutlicht, hätte Imane Khelif nicht
zugelassen, weil in Laboruntersuchungen das Y-Chromosom nachgewiesen worden
sein soll – wie wohl auch bei der taiwanesischen Boxerin Lin-Yu Ting, die
das Finale in der Gewichtsklasse bis 57 Kilogramm erreicht hat.
## Verschwörungstheorien sprießen
Mittlerweile sind die Fronten derart verhärtet und die Protagonisten so
stur auf ihrem Pfad unterwegs, dass diverse Verschwörungstheorien die Runde
machen. Das IOC des Thomas Bach sieht sich systematisch von russischer
Seite attackiert, das Pro-Khelif-Lager [2][schwurbelt von einer
„zionistischen“ Weltverschwörung], in rechten Kreisen wittert man einen
woken Coup.
Alle rhetorischen Waffen aus dem Arsenal der Vernebelung werden gezückt:
Whataboutism (Aber sie hat ja schon verloren!), Derailing (Im Sport gibt es
doch immer Stärkere und Schwächere!) oder Bagatellisierung (So hart sind
die Schläge nicht!). Mit jedem Tag, den der Fall köchelt, wird die Position
des Sprechers wichtiger. Das Ringen um Inhalte und Lösungsansätze
degeneriert indessen, die empathische Zugewandtheit sowieso. Nun gilt:
Kremlev oder Bach. Dass dieser Thomas Bach bald statutenwidrig eine neue
Amtszeit anstrebt, dabei vom algerischen Olympiakomitee unterstützt wird
und sich früher gern mit Wladimir Putin zeigte? Offenbar unwichtig.
Inmitten dieses übersteigerten Kulturkampfs ist man froh, wenn sich eine
Stimme wie die von Sebastian Coe erhebt, Präsident des internationalen
Leichtathletikverbands World Athletic. „It’s simple: have a policy“, gibt
er dem IOC mit auf den Weg: Es ist ganz einfach, findet eine vernünftige
Regelung für den Fall der Integration intersexueller Athletinnen. Auch Coe
weiß, dass der Umgang mit DSD-Athletinnen schwierig bleibt, egal ob man nun
der Fairness und dem Schutz des Frauensports das Primat gibt – oder der
Eingliederung von intersexuellen Sportlerinnen.
Man könnte den Testosteronlevel messen. Es ist das Mittel der Wahl. Ein
Testosteronmonitoring hätte zumindest ein bisschen Klarheit in dieser Sache
gebracht. Warum das nicht gemacht worden ist, bleibt ein großes Rätsel;
unter dem Laissez-faire des IOC hat Imane Khelif seit den Tokio-Spielen im
Jahr 2021 sechs Kilo Muskelmasse zulegen können und startet nun, sichtlich
androgenisiert, in einer höheren Gewichtsklasse, nämlich der bis 66 Kilo.
Diese durchaus gelungenen Olympischen Sommerspiele von Paris hätten
Funktionäre verdient gehabt, die wissen, wovon sie in diesem Fall reden. So
ist das IOC nicht unschuldig an der Eskalation der Ereignisse, an der
Verunsachlichung der Debatte.
10 Aug 2024
## LINKS
[1] https://www.msn.com/de-at/sport/other/mann-verpr%C3%BCgelt-frau-fp%C3%B6-vi…
[2] https://www.juedische-allgemeine.de/juedische-welt/algerischer-olympia-verb…
## AUTOREN
Markus Völker
## TAGS
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
Kolumne Front Sportif
Boxen
GNS
Intersexualität
Imane Khelif
Emanzipation
Volleyball
Imane Khelif
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
Imane Khelif
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
## ARTIKEL ZUM THEMA
Skandal um Imane Khelif: Hauptsache, die da ist nicht dabei
Der Verband World Boxing sperrt die algerische Olympiasiegerin Imane
Khelif. Nur gesagt haben will er das nicht. Ein Fall voller Widersprüche.
Angefeindete Boxerin Imane Khelif: Auf einen Schlag
Die krasse Überlegenheit der Boxerin Imane Khelif löste bei Olympia eine
große Genderdebatte aus. Nun will die Algerierin bei den Profis in den
Ring.
Italienische Volleyballspielerin: Ein Horror für Rassisten
Die Volleyball-Olympiasiegerin Paola Egonu gehört zu den allerbesten. Im
Heimatland Italien ein Politikum, denn sie ist Schwarz.
Boxerin Imane Khelif klagt: Eine kräftige Gerade
Die Boxerin Imane Khelif hat Klage eingereicht gegen Elon Musks Plattform X
– und gegen User:innen, die dort gehetzt und gelogen haben. Gut so!
Bilanz der Olympischen Spiele in Paris: Sonne und Skandale
Die Sommerspiele waren faszinierend: Geopolitische Konflikte konnten
überspielt werden, Kulturkämpfe über den Frauensport nicht.
Taylor Swift, rechte Mobs und Olympia: Mit Wut gegen Extreme
Banksy ist wieder aufgetaucht, dafür ist Puigdemont abgetaucht. Sonst noch:
Hat Taylor Swift die besseren Fans?
Imane Khelif steht im Olympia-Finale: Im Olymp der Extremen
Die algerische Boxerin siegt im Halbfinale. Die Debatte um ihr Geschlecht
geht weiter. Dabei sind extreme Körper Voraussetzung für Erfolg im Sport.
Pro und Contra: Quadratur des Kreises
Handelt das IOC im Fall der vermutlich intersexuellen Boxerin Imane Khelif
aus Algerien korrekt?
DSD-Athletinnen im Boxen: Kulturkampf im Ring
Die Algerierin Imane Khelif boxt sich unter den skeptischen Blicken der
Weltöffentlichkeit weiter durchs olympische Turnier.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.