# taz.de -- Eskalation in Nahost: Vorbereiten auf iranischen Angriff | |
> Nach der Tötung von Hamas-Kopf Hanijeh wappnet sich das Land. „Man ist | |
> auf alle Eventualitäten vorbereitet“, sagt Premier Benjamin Netanjahu. | |
Bild: Proben für den Ernstfall: Szene aus dem Kibbuz Afek am 31. Juli | |
Jerusalem taz | In Israel herrscht in den Stunden vor dem erwarten | |
iranischen Großangriff gespannte Normalität. In Tel Aviv und Jerusalem | |
gehen die Menschen am Sonntag wie gewohnt zur Arbeit, auf den Märkten | |
herrscht dichtes Gedränge, aber von Hamsterkäufen noch keine Spur. Nachdem | |
der letzte Angriff Teherans mit über 300 Raketen und Drohnen im April | |
erfolgreich abgewehrt wurde, glauben viele Israelis, dass es auch diesmal | |
nicht so schlimm werden wird. Zuvor hatte die israelische Luftwaffe das | |
iranische Konsulat in Damaskus bombardiert. | |
Gleichwohl: Diplomaten in der Region fürchten, dass [1][nicht nur der Iran, | |
sondern auch die Hisbollah aus dem Libanon und die Huthis aus dem Jemen | |
angreifen könnten]. Jordaniens Außenminister Ayman Safadi flog am | |
Sonntagmorgen nach Teheran, um in letzter Minute eine diplomatische Lösung | |
zu finden. | |
„Man ist auf alle Eventualitäten vorbereitet“, sagte Benjamin Netanjahu in | |
einer Fernsehansprache am Samstag. Und obwohl sich Israels Premier gerade | |
erst eine öffentliche Rüge des engsten Bündnispartners abgeholt hatte, | |
scheint er schon jetzt als Gewinner der möglichen Eskalationsspirale | |
festzustehen. US-Präsident Joe Biden sei in Anwesenheit von Vizepräsidentin | |
Kamala Harris in einem Telefonat erstmals gegenüber Netanjahu wütend | |
geworden, berichteten die Times of Israel und andere Medien am Wochenende. | |
„Nehmen Sie die Unterstützung des US-Präsidenten nicht für | |
selbstverständlich und unterzeichnen Sie endlich einen Waffenstillstand“, | |
wurde Biden weiter zitiert. | |
Was in den Stunden später geschah, erklärt, warum der seit 16 Jahren immer | |
wieder politisch für erledigt erklärte Netanjahu trotz aller Krisen immer | |
noch glänzend dasteht. | |
## Israel stehe vor schweren Tagen | |
Schon kurz nach der Ankunft seines wohl auf Weisung Bidens nach Kairo | |
geschickten Teams trat der 74-Jährige wieder vor die Presse. Die indirekten | |
Gespräche mit der Hamas seien gescheitert, ein Abkommen über die | |
Freilassung der Geiseln und einen Waffenstillstand sei in weiter Ferne, so | |
Netanjahu knapp. Am Samstagabend waren wieder tausende Israelis in Tel Aviv | |
und Jerusalem auf der Straße. [2][Wie jede Woche demonstrierten Angehörige | |
der noch bis zu 115 in Gaza festgehaltenen Geiseln] und die | |
Zivilgesellschaft gegen die Strategie Netanjahus. In Tel Aviv vertrieben | |
die Sicherheitsminister Itamar Ben-Gvir unterstehenden Polizeieinheiten die | |
friedlichen Protestierenden mit Schlagstöcken. | |
Doch auch wenn die Zahl seiner Gegner immer größer wird. Netanjahu weiß | |
sich mit einer bewährten Methode zu helfen, die zersplitterte israelische | |
Gesellschaft wieder hinter sich zu bringen: Eskalation. Angesichts des | |
drohenden Raketenangriffs stehe ein Überlebenskampf bevor, den man nur | |
gemeinsam gewinnen könne, so Netanjahu. Dass der Premier mit dem Attentat | |
auf Ismail Hanijeh, den als pragmatisch geltenden Verhandlungsführer der | |
Hamas, die Eskalation selber herbeigeführt hatte, perlt an Netanjahu ab. | |
Dabei hatte es der katarische Außenminister doch undiplomatisch und klar | |
formuliert. „Verhandlungen zur Beilegung der Krise sind unmöglich, wenn | |
eine Seite den Repräsentanten der anderen umbringt.“ | |
In der Ortschaft Tulkarem im Westjordanland wurde angeblich eine | |
Terrorzelle ausgehoben. Bei der Bombardierung eines Flüchtlingslagers kamen | |
am Freitag mehr als acht Palästinenser ums Leben. Nach dem Freitagsgebet | |
nahmen Ben-Gvirs Beamte Scheich Sabri in der Al-Aksa-Moschee in der | |
Altstadt von Jerusalem fest. Der Imam hatte in seiner Rede vor den Betenden | |
den Tod von Hamas-Führer Hanijeh betrauert. „Sicher, man kann das das | |
Verhalten Sabris kritisch sehen“, so der politische Analyst Daniel | |
Seidemann aus Jerusalem. „Aber wenn man ich gefragt worden wäre: ‚Wie kann | |
man die Lage weiter eskalieren lassen?‘, hätte ich die Verhaftung von Sabri | |
empfohlen.“ | |
Netanjahu werde auch einen moderaten Angriff aus dem Iran ohne zivile Opfer | |
mit einem massiven Schlag gegen die Hisbollah beantworten, ist eine in den | |
Cafés von Jerusalem weit verbreitete These. Tatsächlich sieht die | |
derzeitige israelische Regierung nun eine einmalige Chance gekommen, die in | |
Beirut und dem Süden des Libanon populäre Hisbollah zu zerstören. Die dafür | |
nötige US-Unterstützung böte die iranische Vergeltung für das Attentat auf | |
Ismail Hanijeh, trotz Kritik vom US-Präsidenten. Mit einem | |
Hisbollah-Rückzug aus der Grenzregion würde ein ohnehin irgendwann nötiger | |
Krieg nur verschoben, sagen viele israelische Offiziere in den seit 10 | |
Monaten unter Beschuss stehenden Orten Israels. | |
Während in Nordisrael die Luftschutzräume gesäubert, Lebensmittelvorräte | |
angelegt und Blutkonserven aufgestockt werden, wird weiter südlich die Zahl | |
der Polizeipatrouillen erhöht. Bei dem Angriff eines Palästinensers starben | |
am Sonntag unweit von Tel Aviv zwei Passanten, zwei weitere wurden | |
verletzt. Der Attentäter wurde von der Polizei erschossen. Iran-nahe | |
Gruppen würden derzeit versuchen, Terroristen und Waffen ins Land zu | |
bringen, warnte das Innenministerium. Israel stehe vor schweren Tagen, | |
hatte Netanjahu in seiner Rede gesagt – einer seiner wenigen Sätze, denen | |
seine Gegner nicht widersprechen. | |
4 Aug 2024 | |
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## AUTOREN | |
Mirco Keilberth | |
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