| # taz.de -- Umsetzung der Teillegalisierung: Berlin blockiert Cannabis-Abgabe | |
| > Berlin ist das einzige Bundesland, in dem die Anträge von Cannabis Social | |
| > Clubs nicht bearbeitet werden. Die wollen sich das nicht länger gefallen | |
| > lassen. | |
| Bild: Beim Smoke-in am 1. April in Berlin waren die Hoffnungen auf eine baldige… | |
| Berlin taz | Im Mauerpark in Prenzlauer Berg in Berlin gab es am | |
| Mittwochnachmittag ein Kiffertreffen der besonderen Art: Mehrere | |
| Vereinsvorstände von Cannabis Social Clubs kamen dort zusammen, um sich | |
| angesichts der Untätigkeit der Hauptstadt bei der Umsetzung des | |
| [1][Cannabisgesetzes] auf ein gemeinsames Vorgehen zu einigen. Die | |
| Betreiber*innen wollen die „Verweigerungshaltung“ von CDU und SPD in | |
| Sachen Cannabisabgabe nicht länger tatenlos hinnehmen. | |
| Denn im Gegensatz zu anderen Bundesländern ist es in Berlin auch drei | |
| Monate nach der Teillegalisierung und einen Monat nach dem Startschuss für | |
| die Social Clubs noch immer nicht möglich, eine Lizenz zu beantragen. | |
| Oliver Waack-Jürgensen, Vorstand im Social Club High Ground, berichtet, wie | |
| er im vergangenen Monat mit fast allen Bezirken telefoniert hat, in der | |
| Hoffnung, dass wenigstens einer seinen Antrag annehmen würde. Freundlich, | |
| aber bestimmt habe man ihm überall eine Absage erteilt, berichtet er. | |
| Damit ist er nicht alleine. Denn während alle anderen Bundesländer | |
| pünktlich zum 1. Juli eine Zuständigkeitsverordnung vorgelegt haben, steht | |
| diese [2][in der Hauptstadt noch immer aus]. Die Verordnung, die regelt, | |
| wer die Anträge für die Genehmigungen bearbeitet, werde derzeit noch | |
| „vorbereitet“, so ein Sprecher der Senatsgesundheitsverwaltung auf | |
| taz-Anfrage. Wann sie in Kraft treten wird, könne man noch nicht sagen. An | |
| der Umsetzung werde jedoch „intensiv gearbeitet“. | |
| Auf die Frage, warum es in Berlin so lange dauert, verweist die Verwaltung | |
| unter Gesundheitssenatorin Ina Czyborra (SPD) auf die kurze Zeitspanne seit | |
| Inkrafttreten des Cannabisgesetzes am 1. April sowie Abstimmungsprozesse | |
| zwischen verschiedenen „Playern“. Warum das in anderen Bundesländern in | |
| demselben Zeitraum ohne Probleme möglich war und in Berlin nicht, darauf | |
| weiß man allerdings auch keine Antwort. | |
| ## Bezirke sammeln die Anträge, bearbeiten sie aber nicht | |
| In absehbarer Zeit ist jedenfalls nicht mit einer Regelung zu rechnen: | |
| Selbst wenn sich die verschiedenen Senatsverwaltungen irgendwann auf eine | |
| Zuständigkeit einigen, muss die Verordnung noch dem Senat, dem Rat der | |
| Bezirksbürgermeister*innen und dem Abgeordnetenhaus vorgelegt | |
| werden. Angesichts der parlamentarischen Sommerpause dürfte sie also | |
| frühestens im Herbst vorliegen. | |
| Bis dahin seien gemäß „Auffangzuständigkeit“ die Bezirke für die | |
| Bearbeitung der Anträge zuständig, so die Senatsverwaltung. Die sehen sich | |
| mangels personeller Kapazitäten [3][dazu aber nicht in der Lage] und winken | |
| ab. „Hierbei handelt es sich um eine Aufgabe, die sinnvollerweise zentral | |
| und in Berlin einheitlich erledigt werden sollte. So, wie es aktuell läuft, | |
| funktioniert es nicht“, sagt die Bezirksbürgermeisterin von | |
| Friedrichshain-Kreuzberg, Clara Herrmann, der taz. | |
| Das bestätigt eine taz-Umfrage in den zwölf Berliner Bezirken. Ohne eine | |
| Verwaltungsvorschrift des Senats werden dort die Anträge der Cannabis | |
| Social Clubs zwar gesammelt, aber nicht bearbeitet, heißt es unisono. | |
| „Sowohl das Ordnungsamt als auch das Gesundheitsamt lehnen eine Wahrnehmung | |
| der betreffenden Aufgaben mangels fachlicher Betroffenheit/Expertise ab“, | |
| heißt es etwa aus Pankow. In Mitte erklärt man sich in Sachen Anbaulizenzen | |
| für nicht zuständig und verweist auf eine Mail-Adresse, die die | |
| Senatsgesundheitsverwaltung für Anfragen rund um das Cannabisgesetz | |
| eingerichtet hat. Auf eine Anfrage der taz gab es dort auch nach einer | |
| Woche keine Antwort. | |
| Nur in Marzahn-Hellersdorf sieht man kein Problem: Bislang sei nur ein | |
| Antrag eingegangen, eine Überlastungssituation gebe es daher nicht, so | |
| Bezirksstadtrat Gordon Lemm. Der SPD-Politiker hält es für sinnvoll, wenn | |
| künftig ein Bezirk für alle die Anträge bearbeiten würde. Als leuchtendes | |
| Vorbild wird der eine Antrag in Marzahn-Hellersdorf deshalb nun auch | |
| bearbeitet. | |
| ## 15 Anträge auf Anbauvereinigungen | |
| Angesichts des Behördenpingpongs haben bislang nur wenige | |
| Anbaugemeinschaften überhaupt einen Antrag gestellt. Laut | |
| taz-Bezirksabfrage sind bis Ende Juli insgesamt 15 Anträge eingegangen. | |
| Spitzenreiter ist Pankow mit 5 Anträgen, gefolgt von Steglitz-Zehlendorf | |
| mit 3, in Friedrichshain-Kreuzberg und Charlottenburg-Wilmersdorf sind | |
| jeweils 2 und in Tempelhof-Schöneberg und Marzahn-Hellersdorf 1 Antrag | |
| eingegangen. Alle anderen Bezirke vermeldeten keine Anfragen. | |
| Dass die Anträge nicht bearbeitet werden, stellt die Social Clubs vor große | |
| Probleme. Denn eigentlich sollten die Anbaulizenzen nach drei Monaten | |
| vorliegen – also spätestens am 1. Oktober. Im Mauerpark berichten die | |
| Vorstände mehrerer Clubs, bereits Flächen für den Anbau von Hanfpflanzen in | |
| Aussicht zu haben, [4][viele davon in Brandenburg]. | |
| Doch die meisten zögern, schon jetzt einen Mietvertrag zu unterschreiben, | |
| da sie nicht wissen, wie lange das Durcheinander bei Senat und Bezirken | |
| anhält. Anbauflächen ungenutzt lassen können sie sich auf längere Zeit | |
| finanziell nicht leisten. Potenzielle Vermieter*innen ließen sich aber | |
| auch nicht ewig hinhalten. | |
| ## Niedersachsen hat schon Genehmigungen erteilt | |
| In anderen Bundesländern haben es die Clubbetreiber*innen leichter, | |
| wie eine taz-Umfrage ergibt. Bis auf Nordrhein-Westfalen, wo die fünf | |
| Bezirksregierungen für die Lizenzen zuständig sind, werden die Anträge | |
| überall zentral bearbeitet. | |
| Ganz vorne mit dabei ist Nordrhein-Westfalen mit 46 Anträgen, | |
| Baden-Württemberg zählt 36, in Bayern sind es 16, in Rheinland-Pfalz 13 und | |
| in Niedersachsen 12. Alle anderen Bundesländer melden einstellige Eingänge. | |
| Insgesamt gibt es bundesweit 182 Anträge auf Anbauvereinigungen. | |
| Niedersachsen ist dabei das einzige Bundesland, das schon erste | |
| Genehmigungen erteilt hat: 7 Anträgen wurde stattgegeben, 5 abgelehnt. | |
| Davon ist Berlin meilenweit entfernt. Eine Blamage, findet der | |
| drogenpolitische Sprecher der Linken, Klaus Lederer: „Diese Stadt hat | |
| eigentlich eine Tradition progressiver Drogenpolitik“, so Lederer zur taz. | |
| Die Verschleppung des Cannabisgesetzes durch den Senat sei „ein | |
| Armutszeugnis“. | |
| Für den Streik der Bezirke hat der ehemalige Bürgermeister angesichts des | |
| Personalmangels jedoch Verständnis. Zumal es wenig sinnvoll sei, dass sich | |
| alle Bezirke in das komplizierte und in seinen Augen überregulierte | |
| Legalisierungsrecht einarbeiten. „Das ist völlig dysfunktional. Am Ende | |
| haben wir zwölf unterschiedliche Verfahren.“ | |
| ## Cannabis Clubs finden keine Räume | |
| Neben dem Behördenchaos gibt es noch ein weiteres Problem: Die Vorstände | |
| der Social Clubs berichten, dass sich die Suche nach einem Ort, an dem die | |
| Clubs in Zukunft ihre Blüten an Vereinsmitglieder abgeben können, schwierig | |
| gestaltet. | |
| Diese sollten möglichst innerstädtisch sein. Wer im Zentrum wohnt, möchte | |
| schließlich nicht für ein paar Gramm Gras jedes Mal an den Stadtrand oder | |
| gar nach Brandenburg fahren. Aber in Zentrumslage geht kaum etwas. Ein | |
| Vorstand berichtet, sich bereits bei 18 Vermieter*innen Absagen | |
| eingeholt zu haben. Die Bereitschaft, an einen Club für Kiffer vermieten zu | |
| wollen, scheint gering zu sein. | |
| Auch die Sache mit der Suchtberatung geht laut den Social Clubs nicht | |
| voran. Jeder Cannabisverein braucht laut Gesetz einen geschulten | |
| Suchtberater. Doch in Berlin würden solche Schulungen derzeit überhaupt | |
| nicht angeboten. | |
| Am Ende ihres Treffens gründen die 16 Vorstände dann eine | |
| Cannabisclub-Vereinigung. Die will nun einen Gegenschlag vorbereiten: In | |
| einer konzertierten Aktion sollen die Bezirksbürgermeister*innen und | |
| die Senatsverwaltung mit Anträgen geflutet werden. Sollte nach drei Monaten | |
| immer noch nichts passieren, wollen die Cannabisclubs eine | |
| Untätigkeitsklage einreichen. | |
| 1 Aug 2024 | |
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| ## AUTOREN | |
| Marie Frank | |
| Andreas Hartmann | |
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