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# taz.de -- Angriffe auf Hisbollah- und Hamas-Führer: Ein Spiel ohne Grenzen
> Nach dem gezielten Doppelschlag Israels droht eine weitere Eskalation in
> Nahost. Es zeigt sich, dass in der Region alles mit allem zusammenhängt.
Bild: Teheran, 31. Juli: Iraner trauern um Hanijeh. Eine Lenkrakete traf um 2 U…
Beirut taz | Möchte man [1][die Ereignisse der Nacht vom Dienstag und die
frühen Morgenstunden am Mittwoch] zusammenfassen, könnte man im
Fußball-Jargon resümieren: 2:0 für den israelischen Premier Benjamin
Netanjahu. Am Abend schlug die israelische Armee in Beirut zu, um Fuad
Schukr zu treffen, einen der wichtigsten militärischen Führer der
Hisbollah. Schukr saß im sogenannten Dschihad-Rat der Hisbollah, dem
höchsten militärischem Gremium – dort werden die relevanten
militärstrategischen Entscheidungen der Organisation gefällt. Dann, in den
Morgenstunden, die „außergerichtliche Tötung“ des politischen Führers der
Hamas Ismael Hanijeh in Teheran: ein Angriff, der den vorherigen
Militärschlag noch in den Schatten stellt.
Ob Netanjahu damit für mehr Sicherheit für Israel gesorgt hat, ist
zweifelhaft. Das Spiel ist noch nicht abgepfiffen, um im Bild zu bleiben.
Sowohl die Hisbollah als auch die Hamas haben eine Antwort angekündigt. Je
nachdem, wie diese ausfällt, wird sich zeigen, ob die gezielten Tötungen in
der Nacht den Beginn einer weiteren Eskalation in der Nahostregion
darstellen.
Schließlich haben auch die [2][Huthis im Jemen] und der Iran, der alle drei
Organisationen sponsert und auf dessen Boden der Anschlag gegen Hanijeh
stattgefunden hat, ihrerseits Reaktionen angekündigt. Diese müssen nicht
unbedingt in den nächsten Stunden und Tagen folgen.
Klar ist, dass vor allem die Hamas nach dem Tod ihres Anführers Hanijeh in
einem Schockzustand ist. Viel Spielraum um zu reagieren, hat sie nicht, da
sie sich angesichts der israelischen Offensive im Gazastreifen in einem
existenziellen Kampf befindet. Allerdings beschränkt sich der Einfluss der
Hamas nicht auf den Gazastreifen.
## Die Hamas als Ideologie wird sich nicht besiegen lassen
Möglich ist, dass sie wieder zu einem Mittel greift, mit dem sie Anfang der
2000er Jahre in Erscheinung trat, und es innerhalb Israels wieder Anschläge
geben wird. Darüber hinaus ist nicht nur die Hamas, sondern sind auch viele
Palästinenser über Israels Vorgehen wütend. Diese Wut könnte sich in
Unruhen im Westjordanland oder in Ostjerusalem entladen. Und das sind nur
die kurzfristigen Folgen dieser einen Nacht von Dienstag auf Mittwoch. Alle
Akteure denken darüber hinaus langfristig und strategisch.
Für die Hamas wird sich wenig ändern. Bereits vor 20 Jahren hat Israel den
damaligen politischen Führer und Gründer der Organisation, Scheich Jassin,
kurz nach seiner Befreiung aus israelischer Haft mitten in Gaza ermordet.
Der Hamas hat das schon damals keinen nachhaltigen Schlag versetzt. Der nun
ermordete Hanijeh wurde Nachfolger von Scheich Jassin – und genauso wird
sich auch für ihn wieder ein Nachfolger finden. Die Hamas als Organisation
und als islamistisch gefärbte Ideologie ist in den 1980er Jahren als
Reaktion auf die israelische Besatzung des Gazastreifens, der Westbank und
Ostjerusalems entstanden. Es wird sie so lange geben, wie die Bedingungen
fortbestehen, die ihre Existenz begründet haben.
Paradoxerweise könnte die Ermordung Hanijehs zu einem Ende der israelischen
Offensive im Gazastreifen führen. Netanjahu hat immer wieder verkündet,
sein Kriegsziel sei ein totaler Sieg über die Hamas und deren Zerstörung.
Zwar war dieses Ziel nie realistisch: Wo auch immer die israelische Armee
sich in Gaza zurückzieht, taucht die Hamas wieder auf. Dazu befördern die
vielen Toten nur neuen Hass.
Doch nun hat Netanjahu den dringend benötigten Erfolg, der ihm trotz der
Zerstörung weiter Teile des Gazastreifens bisher verwehrt wurde. Er könnte
Hanijehs Tod als erfolgreiche Antwort Israels auf den Hamas-Angriff vom 7.
Oktober darstellen und den Krieg in Gaza gesichtswahrend beenden. Das
größte Problem dabei ist: Netanjahu brauchte Hanijeh vor allem für einen
Deal, um die verbliebenen israelischen Geiseln im Gazastreifen zu befreien.
## Kurzfristig wird die Hamas ihre Position verhärten
Mohammed bin Abdulrahman Al Thani, der Premierminister von Katar, der
bisher immer als Vermittler zwischen Israel und der Hamas aufgetreten ist,
hat das vielleicht am deutlichsten ausgedrückt: „Wie kann man auf den
Erfolg von Vermittlungen hoffen, wenn eine Seite den Verhandlungsführer der
anderen Seite einfach tötet?“, fragt er. Die Hamas wird nun zumindest
kurzfristig ihre Position verhärten und sich wahrscheinlich aus allen
Verhandlungen zurückziehen. Aber am Ende steht auch die Hamas unter Druck,
den Krieg zu beenden.
Die größte Gefahr liegt darin, dass die Lage in den nächsten Tagen und
Wochen an allen Fronten so eskaliert, dass ein Punkt erreicht wird, an dem
sich das alles nicht mehr eindämmen lässt und es kein Zurück mehr gibt.
Denn nun steht die nächste Runde an. Der Hisbollah-Militärstratege Fuad
Schukr war streng genommen ein militärisches Ziel. Damit hat sich Israel
noch an die ungeschriebenen Regeln gehalten, die seit dem Ende des
Libanonkriegs zwischen der Hisbollah und der israelischen Armee gelten: Ein
militärisches Ziel für ein militärische Ziel. Natürlich kamen auf beiden
Seiten in den vergangenen Jahren immer wieder Zivilisten zu Schaden,
[3][wie bei dem Angriff am vorigen Samstag auf das Dorf Madschdal Schams,
bei dem zwölf Kinder starben.] Aber das waren bisher die Ausnahmen, die die
Regel bestätigten.
Als Antwort auf den Schlag in Beirut hätte die Hisbollah wahrscheinlich
ebenfalls ein militärisches Ziel tief in Israel ins Visier genommen. Die
militärischen Fähigkeiten dazu hat sie. Doch mit der Ermordung Hanijehs
ändert sich die Kalkulation. In ihrem Selbstverständnis ist die Hisbollah
ein Teil der „Achse des Widerstands“ gegen Israel, und damit eng mit der
Hamas verbunden. Das wird nun auch in die militärische Antwort einfließen.
Eines haben die beiden Militärschläge gegen die Hisbollah in Beirut und
gegen die Hamas in Teheran wieder einmal mehr als deutlich gemacht: Im
Nahen Osten hängt alles mit allem zusammen. Und genau darin steckt jetzt
die enorme Eskalationsgefahr.
31 Jul 2024
## LINKS
[1] /Krieg-in-Nahost/!6027289
[2] /Wer-sind-die-Huthis-im-Jemen/!5984961
[3] /Raketenangriff-auf-den-Golanhoehen/!6023891
## AUTOREN
Karim El-Gawhary
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