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# taz.de -- Antiziganismus im Hotel: Gleiche Regeln für Sinti-Nachnamen
> Kelly Laubinger von der Sinti-Union bekam aufgrund ihres Nachnamens kein
> Zimmer in einem Hotel. Der Hotelier muss dafür jetzt Strafe zahlen.
Bild: Kelly Laubinger von der Sinti Union Schleswig-Holstein hat vor Gericht re…
Neumünster taz | Nach dem Urteil musste Kelly Laubinger erst einmal tief
durchatmen, bevor sie ihre Freude in Worte fassen konnte: „Das ist ein
großer Schritt für die Minderheit.“ Zuvor hatte das Amtsgericht Neumünster
einen Hotelier aus dem schleswig-holsteinischen Neumünster zu einer
Geldstrafe von 1.000 Euro sowie zur Übernahme der Prozess- und
Anwaltskosten verurteilt. Nach Meinung des Richters hatte der Mann gegen
das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verstoßen, indem er Kelly
Laubinger ein Hotelzimmer verweigerte.
In ihrer Funktion als Geschäftsführerin der Sinti-Union wollte die Sinteza
das Zimmer im vergangenen Herbst für den Schriftsteller Max Czollek buchen,
der als Gast des Vereins in Neumünster lesen sollte. Nachdem eine erste
Anfrage positiv beantwortet wurde, [1][lehnte das Hotel die verbindliche
Buchung ab]: „Leider darf ich Ihnen kein Zimmer vermieten, da wir mit der
Familie Laubinger schlechte Erfahrungen gemacht haben“, hieß es per Mail.
[2][Kelly Laubinger klagte].
Bei der Verhandlung erklärten der Hotelier und eine Angestellte, das Hotel
führe eine „Rote Liste“ mit Personen, denen wegen schlechten Benehmens
Zimmer verweigert werden. Kelly Laubingers Anwalt Martin Klingners fragte
nach, ob denn grundsätzlich alle „Meiers“ abgelehnt werden, wenn ein Meier
randaliert habe. Das sei nicht der Fall, versicherte der Hotelier. Doch bei
Laubinger galten offenbar andere Regeln: „Laubinger kriegt hier kein
Zimmer“, hatte der Hotelier seiner Angestellten gesagt.
[3][Der Name „Laubinger“ ist typisch für die Sinti-Minderheit]. In
Neumünster leben eine Reihe von Personen mit diesem Namen, er findet sich
auch auf dem örtlichen Mahnmal für die Opfer des Nationalsozialismus. Der
Hotelier hatte bei der Verhandlung versichert, er wisse nichts von einer
Verbindung zur [4][ethnischen Gruppe der Sinti]. Seine Ablehnung beruhe
einzig auf einem Vorfall, bei dem ein Mann dieses Namens ein Zimmer
verwüstet habe.
## „Gewisse ethnische Klischees“
Er sei überzeugt, dass der Hotelier nicht grundsätzlich bestimmte Gruppen
diskriminiere, sagte der Richter in seiner Urteilsbegründung. Er hielt es
auch für wahrscheinlich, dass eine „irrtümliche Kommunikation“, sprich ein
Missverständnis, schuld an der harschen Ablehnung sei. Dennoch gehe er „in
der Gesamtschau“ davon aus, dass [5][„gewisse ethnische Klischees“] eine
Rolle gespielt haben mögen. Zumindest sei es dem Hotelier nicht gelungen,
diesen Verdacht vollends aus der Welt zu räumen.
Bei Fällen, die nach dem [6][Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz]
verhandelt werden, verlagert sich die Beweislast auf den Beschuldigten,
wenn es ausreichend Gründe für eine Benachteiligung gibt. Dann muss die
beschuldigte Seite beweisen, dass keine Diskriminierung vorlag. Das konnte
der Hotelier nach Bewertung des Richters nicht.
„Dieses Urteil gibt uns Hoffnung und zeigt, dass der Kampf gegen Rassismus
und Diskriminierung nicht umsonst ist“, sagte Kelly Laubinger nach dem Ende
der Verhandlung. Sie freue sich besonders über die Unterstützung, nicht nur
aus der Sinti-Minderheit, sondern auch von Vertreter:innen der
jüdischen Community, darunter Hanna Veiler von der Jüdischen
Studierendenunion Deutschlands sowie Leah und Max Czollek.
Der Schriftsteller gratulierte in einem Statement: „Ich freue mich, dass
das Gericht die Diskriminierung nun juristisch bestätigt hat. Gleichzeitig
ist es eine Bestätigung der traurigen Realität, in der Sinti*ze und
Rom*nja auch 2024 noch leben. Der Kampf dagegen kann nicht von den
Gerichten allein geleistet werden. Das müssen wir alle gemeinsam machen.“
## Viele Betroffene melden sich nicht
Für Kelly Laubinger ist es der zweite gerichtliche Sieg: [7][Sie hatte
bereits erfolgreich gegen ein Fitnessstudio geklagt], das sie nicht
aufnehmen wollte. Damals und auch beim jetzigen Verfahren erhielt sie Hilfe
vom Antidiskriminierungsverband Schleswig-Holstein.
„Wir freuen uns über das Urteil“, sagte Stefan Wickmann, Leiter des
Kompetenz- und Beratungszentrums gegen Diskriminierung unter dem Dach des
Verbandes. Leider meldeten sich nur wenige Betroffene und versuchten, ihre
Rechte durchzusetzen. In Schleswig-Holstein können sich Opfer von
Diskriminierung und Ungleichbehandlung entweder ans Büro der
Bürgerbeauftragten oder an den Verband wenden. Die meisten Fälle betreffen
Rassismus, etwa R[8][acial Profiling].
Aber es gebe auch arbeitsrechtliche Fragen: „An uns wenden sich Menschen
mit Behinderung, die trotz passender Qualifikation nicht zum
Vorstellungsgespräch eingeladen werden“, berichtet Wickmann. Auch bei
Altersdiskriminierung oder sexueller Belästigung am Arbeitsplatz werde der
Verband aktiv. „Firmen oder Behörden fragen bei uns nach Seminaren für
Verhalten im Arbeitsalltag – allerdings meist, wenn es bereits einen
Vorfall gab.“
31 Jul 2024
## LINKS
[1] /Antiziganismus-im-Alltag/!6000310
[2] /Prozess-um-moegliche-Diskriminierung/!6023272
[3] /Kelly-Laubinger-ueber-Diskriminierung/!5972181
[4] /Denkmal-fuer-Sinti-und-Roma-zerstoert/!6013883
[5] /Gipsy-Village-auf-der-Travemuender-Woche/!6022836
[6] https://www.antidiskriminierungsstelle.de/DE/ueber-diskriminierung/recht-un…
[7] /Fitnessstudio-nimmt-Sinteza-nicht-auf/!5888734
[8] /Linke-Forderungen-an-die-Bundesregierung/!6020530
## AUTOREN
Esther Geißlinger
## TAGS
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