# taz.de -- Kulturarbeiterin über Yuca-Kollektiv: „Politik wird im Kleinen g… | |
> Migrantische Initiativen sind in Ostdeutschland wenig sichtbar. Dabei | |
> darf der öffentliche Raum nicht den Rechten überlassen werden. | |
Bild: Der Kampf gegen rechts wird nicht immer so laut wie hier bei einer Demo i… | |
taz: Frau Millán, bei den Landtagswahlen in Sachsen im September könnte die | |
AfD erstmals stärkste Kraft werden, viele migrantische ostdeutsche | |
Initiativen fühlen sich schon jetzt in ihrem Engagement erheblich bedroht. | |
Warum ist es wichtig, gerade jetzt weiterzumachen? | |
Lorena Millán: Zum einen ist es wichtig, dass migrantische Menschen [1][in | |
Ostdeutschland] sichtbar bleiben und wir Räume nicht nur den Rechten | |
überlassen, obwohl das immer anstrengender und auch gefährlicher wird. | |
Gleichzeitig können migrantische Initiativen eine Art Safe Space bieten. | |
Gerade weil die AfD immer stärker wird und sich Nazis auch [2][auf den | |
Straßen Leipzigs] zunehmend sicher fühlen, ist es wichtig, einen | |
Rückzugsort zu haben, an dem man sich austauschen, kreativ sein und eigene | |
Narrative prägen kann. Im vorigen Jahr haben wir vom [3][Yuca-Kollektiv] | |
angefangen, einen Dokumentarfilm zu drehen, in dem es um ein typisches | |
kolumbianisches Spiel geht. Auch wenn der Film nicht direkt politisch ist, | |
hat die Arbeit daran eine Wirkung auf uns: Wir können auf eine nostalgische | |
Art und Weise an unsere Heimat denken, uns über Fluchterfahrung, das | |
Ankommen und Rassismuserfahrungen in Deutschland austauschen. Gerade | |
organisieren wir Workshops für migrantische Künstler:innen und | |
Filmvorstellungen, bei denen sie ihre Arbeit präsentieren können. | |
Kann das auch dabei helfen, den Aufstieg der AfD im Osten zu verhindern? | |
Naja. Hier muss man unterscheiden: Was ist das Ziel des Kollektivs? Wollen | |
wir einen Safe Space schaffen oder wollen wir auf Konfrontation setzen? Ich | |
denke, dass beides wichtig ist. Ich würde gerne mal mit einem AfD-Wähler | |
diskutieren, mich mit ihm hinsetzen und meine Perspektive erklären. Meine | |
Erfahrung ist aber: Die wollen das meistens gar nicht. Das habe ich auch im | |
privaten Umfeld mitbekommen. Meine Familie kommt aus Kolumbien, viele von | |
ihnen wählen dort extrem rechte Parteien. Wenn ich sage: Komm, wir | |
diskutieren darüber, lehnen die meisten ab oder wechseln das Thema. Das ist | |
in rechten Kreisen sehr verbreitet. Dabei ist es wichtig, den Austausch | |
nicht abzubrechen. Gleichzeitig verstehe ich, dass andere migrantische | |
Kollektive nicht bereit sind, mit Rechten zu sprechen. Dabei geht es auch | |
um Sicherheit. | |
In den vergangenen Jahren hat sich die Situation in Ost deutschland ja auch | |
deutlich zugespitzt, es kommt vermehrt zu rassistischen Übergriffen. Wie | |
sicher ist es für migrantische Initiativen, in der Öffentlichkeit in | |
Erscheinung zu treten? | |
Bisher hatten wir Glück und sind als Kollektiv von rassistischen Angriffen | |
weitgehend verschont geblieben. Privat haben aber schon viele von uns | |
[4][Rassismuserfahrungen] gemacht und wurden bedroht. Ich habe häufig | |
Angst, wenn ich auf Demonstrationen gehe oder wir Filmvorstellungen | |
veranstalten. Auf die Polizei können wir uns dabei nicht verlassen. Dass | |
immer wieder rechtsextreme Strukturen innerhalb der Sicherheitsbehörden | |
aufgedeckt werden, hilft nicht gerade dabei, unser Vertrauen in staatliche | |
Institutionen zu stärken. Außerdem bespielt nicht nur die AfD rassistische | |
Narrative: Auch andere Parteien fordern eine restriktivere Asylpolitik und | |
Massenabschiebungen. Migrant:innen werden kriminalisiert. Zudem hat der | |
Staat scheinbar kein Interesse daran, migrantische Initiativen effektiv zu | |
unterstützen. Die finanzielle Situation vieler solcher Initiativen ist sehr | |
prekär. | |
Woran liegt das? | |
Die bürokratischen Hürden, staatliche Förderung zu beantragen, sind groß. | |
Für Menschen, die nicht muttersprachlich deutsch sprechen, ist es eine | |
große Herausforderung, Anträge korrekt auszufüllen. Selbst wenn man schon | |
ein hohes Deutschniveau hat – Bürokratie-Deutsch ist einfach etwas anderes. | |
Wir brauchen einen niedrigschwelligen Zugang zu Ressourcen. Ein Beispiel: | |
Wir haben mit unserem Dokumentarfilm bei einem Kreativwettbewerb 200 Euro | |
gewonnen. Um das Geld zu bekommen, mussten wir eine Rechnung schreiben. | |
Keiner von uns wusste, wie das geht. Außerdem gibt es kaum spezielle | |
Förderprogramme, die gezielt migrantische Initiativen ansprechen. Bis man | |
die Förderung wirklich erhält, kann es zudem sehr lange dauern. Das | |
gefährdet die Arbeit vieler Initiativen. Wir machen momentan eine Pause, | |
weil viele nicht mehr so motiviert sind wie früher oder sich auf ihre | |
Ausbildung und ihr Studium konzentrieren wollen. Wir sind außerdem noch auf | |
der Suche nach finanzieller Unterstützung, um unser aktuelles Filmprojekt | |
fertigzustellen. Ohne Förderprogramme ist es schwierig, die Arbeit in der | |
Initiative kontinuierlich aufrechtzuerhalten. Wir als recht kleine | |
Initiative sind deshalb bisher auf die Vernetzung mit anderen Initiativen | |
angewiesen. | |
Wobei genau kann die Vernetzung denn helfen? | |
Das beginnt schon im Kleinen. Zum Beispiel, was den Verleih von technischem | |
Equipment angeht. Bei einigen Filmvorstellungen konnten wir uns Beamer und | |
Beleuchtung von einer anderen Initiative leihen, ohne dafür Geld zahlen zu | |
müssen, was vor dem Hintergrund unserer finanziellen Situation essenziell | |
ist. Auch der Austausch über Erfahrungen, etwa mit Förderprogrammen, ist | |
wichtig. Insgesamt fühlen wir uns durch andere Initiativen gestärkt, können | |
uns gegenseitig unterstützen und der politischen Situation gemeinsam etwas | |
entgegensetzen, indem wir unsere eigenen Geschichten erzählen. In Leipzig | |
sind wir da natürlich privilegiert und bewegen uns in einer Blase. In | |
anderen Orten in Sachsen ist das sicher anders. | |
Was macht Ihnen trotz allem Hoffnung? | |
Wir dürfen, auch wenn die politische Lage schwierig ist, auf keinen Fall | |
aufhören. Klar: Es kann schon entmutigen, dass die AfD immer stärker wird | |
und wir dem nicht direkt etwas entgegensetzen können. Wir merken ja nicht | |
nach einer Aktion, die wir machen, dass die AfD plötzlich weniger Stimmen | |
in den Umfragen gewinnt. Politik wird aber auch im kleinen Rahmen gemacht. | |
Schon das Gefühl, dass andere Menschen die gleichen Sorgen und die gleiche | |
Vorstellung von einer gerechten Gesellschaft haben, gibt mir Kraft. Filme | |
zu drehen, kleine Künstler:innen zu unterstützen und miteinander zu | |
sprechen – all das stärkt den Kampf gegen rechts. | |
31 Jul 2024 | |
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## AUTOREN | |
Joscha Frahm | |
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