# taz.de -- Neue Staffel „Kleo“ auf Netflix: „Tatort“-Ästhetik | |
> Die zweite Staffel der Netflix Serie „Kleo“ ist da. Mit der ersten kann | |
> sie aber nicht mithalten: zu schwerfällig, zu ernsthaft, zu | |
> pädagogisierend. | |
Bild: Die Netflix-Serie „Kleo“, ab 18.08. abrufbar, ist ein blutiger Rachet… | |
Sind Gefühle im Spiel, geht es selten gut aus. Die alte Weisheit aus | |
Agententhrillern wird in der zweiten Staffel der Netflix-Serie Kleo leider | |
sträflich missachtet. Dabei hatte es [1][in der ersten Staffel] so gut | |
geklappt. | |
Großartig gespielt von Jella Haase war die ehemalige Stasi-Killerin auf | |
Rachefeldzug einer der Streaming-Hits 2022. Endlich wieder mal war es einer | |
deutschen Serie gelungen, nicht schwerfällig, sondern rasant, nicht | |
klemmig, sondern freizügig zu sein und mal nicht nach irgendeiner tieferen | |
Wahrheit hinter dem Bösen zu suchen, sondern alles grotesk zu überzeichnen. | |
Obwohl es um DDR, Stasi, also graue Vorzeit ging, sah nichts scheiße, | |
sondern außerordentlich gut aus: Kleos Arbeitsdress-Kombi aus Jogginghose | |
und Blazer, die Unterhemden der alten Stasis und die bis ins Detail knallig | |
ausstaffierten Drehorte von der legendären Westberliner Disco Big Eden bis | |
zum spießigen Wohnhaus von Kleos Stasi-Opa Otto. | |
Zusammen mit vielen schlagfertigen Dialogen und der [2][tarantino]esken | |
Erzählweise hatte die Action-Parodie alles, was gute Unterhaltung ausmacht. | |
Dass die historische Kulisse nur als bunte Tapete ernst genommen wurde und | |
nicht als faktischer Hintergrund, machte den Reiz der ersten Staffel aus. | |
## Kleos autistische Seite pädagogisch entschärft | |
Doch für die 2. Staffel entschieden sich die Macher*innen leider dafür, | |
ernsthafter zu werden und lassen Kleo sagen: „Ich will verstehen, warum ich | |
bin wie ich bin.“ Was eine Ansatz für eine rasante Action-Komödie werden | |
könnte, gerät leider in großen Teilen so langatmig wie die Sitzung eines | |
Psychologen, der dabei helfen soll, zu verstehen, wer man ist. | |
Statt der Figur Kleo ihre autistische Seite zu lassen, wird sie nun | |
pädagogisch entschärft. Die Suche nach ihrer Vergangenheit wird im | |
Wesentlichen über Träume von ihrer Kindheit erzählt. Und das in der | |
gleichen langweiligen Machart wie sie aus Dutzenden ARD-„Tatorten“ bekannt | |
ist: Ästhetik: historischen Nebelschleier übers Bild, Personal: Familie | |
unterm Weihnachtsbaum, Handlung: irgendwas mit Gewalt, dazu weit | |
aufgerissene Kinderaugen. | |
Nichts davon ist aber so überzeichnet, dass es als Parodie ankommt. Auch | |
die vielen Momente, in denen Gefühle (verhinderte Liebe, unerwiderte Liebe, | |
unerkannte Liebe) eine Rolle spielen, sollen wohl Parodien auf TV-Soaps wie | |
„Gute Zeiten, schlechte Zeiten“ sein, wirken aber nur überflüssig. | |
## Historisches nur als Dekomaterial | |
Leider haben die Macher*innen auch den tollpatschigen Sven, von Dimitrij | |
Schaad wie die gutaussehende und charmante Version von Louis de Funès | |
gespielt, pädagogisiert. Ständig muss er Kleo davor warnen, Leute | |
umzubringen und sie darauf hinweisen, dass Kommunikation wichtig ist. Das | |
könnte zwar sogar lustig sein, aber bedauerlicherweise gehen selbst gute | |
komische Momente in der zweiten Kleo-Staffel im allgemeinen Blödelbrei auf. | |
Erschwerend kommt hinzu, dass Kleo ausgerechnet nach Belgrad fährt, um dort | |
herauszufinden, was mit ihrem Vater passiert ist. Wir sehen viel | |
[3][Tito]-Konterfeis, hören viel jugoslawischen Rock und Pop – aber dass | |
Honecker Tito „Faschist“ nannte, dass nur eine Handvoll lungenkranker | |
Kinder die einzigen DDR-Bürger waren, die in Titos blockfreies, | |
sozialistische Jugoslawien fahren durften, weil Tito seit dem Bruch mit | |
Stalin in der DDR als Verräter galt – wird in Kleo nicht erwähnt. | |
Sicher, Kleo nimmt Historisches nur als Dekomaterial ernst. Gleichzeitig | |
aber wird in der zweiten Staffel zigmal Politkitsch als Botschaft unter die | |
Nase gerieben, dass es heldenhaft ist, sich nicht von Ideologien | |
vereinnahmen zu lassen und alleine und unabhängig Entscheidungen zu | |
treffen. Hätten die Macher*innen ihre Jugoslawien-Episode historisch | |
ernster genommen, wäre für ihre Botschaft – Blockfreiheit ist geiler, | |
käuflich sind trotzdem alle – mehr drin gewesen. | |
## Jella Haases Talent verblasst | |
Leider verblasst auch das Talent von [4][Jella Haase] in der zweiten | |
Staffel. Sobald Kleo mehr als ihre knapp-coolen Einwort-Antworten gibt und | |
mehrere Sätze hintereinander sprechen muss, spricht Kleo mehr wie Jella | |
Haase als wie Kleo. Für Fans von Jella Haase privat geht das sicher okay. | |
Schauspielerisch aber wirkt selbst Kleos einst so erfrischend | |
selbstbewusste Mimik weniger frisch als abgedroschen. | |
Das einzige durch und durch stabile Highlight ist und bleibt Thilo. Kleos | |
verstrahlter Mitbewohner, von Julius Feldmeier überragend gespielt, | |
verkörpert mit seiner hippiesk bedröhnten Weltsicht, seiner herzensguten | |
Naivität und in seiner grandiosen Überzeichnung die Typen der frühen | |
Technozeit. Es wäre einfach gewesen, auch Thilo unter die Räder zu werfen | |
und ihn als gescheiterten Drogenzombie abzustempeln. Das nicht gemacht zu | |
haben, macht noch Hoffnung auf die nächste Staffel. Hier aber sollte Thilo | |
endlich zur Haupt- und Kleo zur Nebenfigur werden. | |
28 Jul 2024 | |
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## AUTOREN | |
Doris Akrap | |
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