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# taz.de -- Büchnerpreis für Autor Oswald Egger: Die Worte treiben nach oben
> Was tue ich, während ich denke, dass ich spreche? Lyriker Oswald Egger
> leuchtet Möglichkeiten der Sprache aus. Nun erhält er den Büchnerpreis.
Bild: Österreicher, Deutscher und Italiener mit großem Wortschatz: Oswald Egg…
Bei dem Namen von Oswald Egger als Büchnerpreisträger werden sicher einige
gestutzt haben: Kenn ich den? Es war allerdings schon immer ein Zeichen für
ästhetische Wagnisse, dass sie eher am Rand und in Insiderkreisen
stattfinden als in einer in ihre Selbstverständlichkeiten längst eingeübten
Öffentlichkeit.
Und eines kann man über Oswald Egger auf jeden Fall sagen: Er ist von
Anfang an unbeirrt seinen Weg gegangen, ein Lyriker, der in den
Grenzbereichen der Sprache operiert und ihre Möglichkeiten bis ins
Detaillierteste ausleuchtet. Nicht von ungefähr lautet der Titel eines
seiner Bücher „Diskrete Stetigkeit“ (2008). Dass es dabei um die Verbindung
von Poesie und Mathematik geht, hat etwas Programmatisches.
Bekannt wurde der 1963 in Südtirol geborene Egger durch die „Kulturtage“ in
Lana, die er 1986 mitbegründete und vor allem unter Lyrikinteressierten
bald einen herausragenden Ruf genossen. Als Herausgeber der Zeitschrift Der
Prokurist intensivierte Egger von 1989 bis 1998 seine spezifischen,
unverwechselbaren sprachlichen Operationen.
Charakteristisch sind die Mehrsprachigkeit in Südtirol, die urtümlich
anmutenden Bezeichnungen für Botanik, Landschaft und geologische
Formationen, das lautlich akzentuierte, rhythmische Sprechen, das die
Grenzen zwischen Lyrik, Prosa und Theorie auflöst. Egger ist nicht nur als
jetziger Bewohner der Nachfolger von Thomas Kling in der [1][Raketenstation
Hombroich] bei Neuss in Nordrhein-Westfalen, er agiert auch als
Schriftsteller in dessen Sinn: Das Akustische, das Materielle der Sprache,
die lustvolle Erkundung von Wortvalenzen und Klangbildern bilden auch seine
poetische Praxis.
„Was tue ich eigentlich die ganze Zeit, während ich denke, dass ich
spreche?“ Solche poetologischen Selbstreflexionen sind typisch für Eggers
Sprachbewegungen. Und damit steht er für eine lyrische Linie, die in den
letzten Jahren von der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung
auffällig stark befördert wurde: nicht nur durch den [2][Büchnerpreis für
Elke Erb 2020,] sondern auch durch spezielle Veranstaltungsreihen.
## Etwas von akademischer Avantgarde
Da geht es um Sprachanalyse und Sprachkritik, um die Verbindung von Lyrik
und Theorie, um die Einbettung schöpferischer Vorgänge in aktuell virulente
wissenschaftliche Diskurse, um die Inszenierung und Dekonstruktion
kreativer Prozesse. Das bildet zwar nicht unbedingt das gesamte Spektrum
gegenwärtiger lyrischer Ausdrucksweisen ab, hat aber etwas von akademischer
Avantgarde. Und dass es diesmal Oswald Egger trifft, ist bestimmt nicht das
Schlechteste.
Egger verfügt über einen enormen Wortschatz. Diese Sprachmächtigkeit
gebiert die Farbigkeit und Üppigkeit seiner Texte, mit unerwarteten
Überraschungsmomenten – nicht nur durch die Gnome, Habergeister und anderes
Wolkengetier, das durch seine Zeilen geistert. Gern erfindet er auch voller
Wortlust wissenschaftliche Termini, die fließende Übergänge zu
metaphorischen Möglichkeiten ausloten, wie „Blockschutthaubenböden“ oder
„Sandlinsenfalten“.
Egger hat sich von seinem Debüt „Die Erde der Rede“ im bibliophilen Verlag
Kleinheinrich 1993 über andere Preziosen wie den „Kalendergedichten“ „Tag
und Nacht sind zwei Jahre“ bei Ulrich Keicher in Warmbronn bis zu dem
Großwerk „Entweder ich habe die Fahrt am Mississippi nur geträumt, oder ich
träume jetzt“ 2021 bei Suhrkamp durchgearbeitet. Und das geht dann so:
„Beim Lesen fließt mir von links blaue Tinte über das Papier, die Worte
treiben nach oben, wie Blumen windbewegte Windrädchen: immerzu kritzeln
neue herauf, strotzende, verzopfte (…)“
Feierlich verliehen wird der Büchnerpreis am 2. November in Darmstadt.
19 Jul 2024
## LINKS
[1] /Maler-Bart-van-der-Leck-in-Hombroich/!5953903
[2] /Buechnerpreistraegerin-Elke-Erb/!5722024
## AUTOREN
Helmut Böttiger
## TAGS
Literatur
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Lyrik
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