| # taz.de -- Baupläne am Molkenmarkt: Lasst es besser bleiben | |
| > Der Molkenmarkt gilt als „toter Ort“. Und ist das schlimm? Berlin hat | |
| > genug andere Plätze und Quartiere, in die der Senat investieren sollte. | |
| Bild: So sah es hier ab 2019 und auch letztes Jahr noch aus: Ausgrabungsarbeite… | |
| Hand hoch, wem der Molkenmarkt ein Begriff ist. Sicher nicht allen | |
| Berliner:innen. Schon gar nicht der Schar derer, die der Stadt nur einen | |
| Besuch abstatten. Die wollen meist zum Alex, zum Brandenburger Tor oder zum | |
| Kudamm, um nur mal drei Beispiele massenkompatibler Sehenswürdigkeiten zu | |
| nennen. Aber zum Molkenmarkt? | |
| Okay, es handelt sich um den ältesten Platz Berlins, der früher mal „Alter | |
| Markt“ hieß – was darauf hindeutet, dass hier einst mehr los war als nur | |
| Verkehr und Parkplatz und derzeit viel, sehr viel Bautätigkeit. Letzteres | |
| seit Jahren schon, denn Straßenzüge werden verlegt beziehungsweise | |
| zurückgebaut, um den Molkenmarkt und das ihn umgebende Quartier in einer an | |
| die ursprüngliche Platzgeometrie angelehnten Form zu bebauen. Außerdem | |
| sollen am Molkenmarkt [1][rund 450 Wohnungen] entstehen. Tipp fürs | |
| Wochenende: Gehen Sie da mal hin und machen sich Ihr eigenes Bild. | |
| Wahrscheinlich kommen Sie dann zur gleichen Erkenntnis wie Georg Raiser von | |
| der Wohnungsbaugesellschaft Mitte (WBM). Er hat am Montagnachmittag an der | |
| Sitzung des Baukollegiums teilgenommen. Raiser [2][nannte den Molkenmarkt | |
| einen „toten Ort“] –und hat absolut Recht damit. | |
| Das Baukollegium ist ein Gremium, das die Senatsverwaltung in | |
| städtebaulichen Fragen berät. Es soll dabei helfen, aus dem „toten Ort“ | |
| Anfang des kommenden Jahrzehnts „ein gemischtes Stadtquartier“ entstehen zu | |
| lassen. Raiser mahnte ebenfalls an, nicht zu unterschätzen, wie groß die | |
| Herausforderung sein wird, den Ort mit Leben zu füllen. Heißt ja auch: Es | |
| ist ein Haufen Geld vonnöten, um dem Areal Leben einzuhauchen. Aber | |
| immerhin, am Molkenmarkt gibt es die [3][Alte Münze], ein begehrter | |
| Kulturstandort, aus dem sich leicht und schnell und halbwegs günstig viel | |
| machen ließe. | |
| ## Hat Berlin nicht andere Sorgen? | |
| Da stellt sich die vielleicht ketzerische Frage, ob das alles so sein muss | |
| – also diesen neu entstehenden Ort mit Leben zu füllen? Denn hat Berlin | |
| erstens nicht ganz andere Sorgen in Zeiten abnehmender Budgets, hat die | |
| Stadt nicht genug andere Baustellen? Marode Schulen und Infrastruktur, | |
| unterfinanzierte Kitas, Jugendclubs, Seniorentreffs … | |
| Und gibt es zweitens in dieser riesigen Stadt, die bekanntlich viele | |
| Zentren hat, nicht eine Menge von vergleichbaren Orten und Quartieren, die | |
| längst „leben“? Warum also ein Karree wie den Molkenmarkt künstlich und m… | |
| viel Geld und Ressourcen aufpumpen, wenn es Ähnliches im ganzen Stadtraum | |
| gibt, wo mit weniger Einsatz Gleiches oder mehr erreicht werden könnte? | |
| Man muss sich doch nur umschauen in den lebendigen, quirligen und ja, auch | |
| krass übernutzten Kiezen der Stadt, am Boxhagener Platz in Friedrichshain | |
| oder am Leopoldplatz im Wedding. Oder an der [4][Hellersdorfer Promenade] | |
| inmitten von Plattenbauen, wo man viel, sehr viel für die | |
| Aufenthaltsqualität machen könnte, um die sogenannte Verweildauer zu | |
| erhöhen (durch Cafés, Restaurants, kleine Läden, Vereinslokale, | |
| Beratungsstellen). Der Senat sollte lieber Geld in Orte investieren, wo man | |
| nicht fast bei Null anfangen muss. | |
| Die Millionen wären dort besser angelegt als bei einem Platz, den viele | |
| eben doch nur als Verkehrsraum entlang einer der am stärksten befahrenen | |
| Ost-West-Verbindungen wahrnehmen. Und besser wird das laut Planung nicht | |
| wirklich: Statt der früheren Straßen mit maximal zwei bis drei Fahrstreifen | |
| pro Richtung sollen dann vier- bis sechsstreifige Straßenzüge angelegt | |
| werden – aber immerhin mit einer Straßenbahn auf einem eigenen und | |
| begrünten Gleiskörper. Der Molkenmarkt ist und bleibt wohl ein Platz zum | |
| Durchqueren. Also: Straßenumbau abschließen – das reicht. | |
| 12 Jul 2024 | |
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| ## AUTOREN | |
| Andreas Hergeth | |
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