# taz.de -- Berliner Konzert der Staple Jr. Singers: Und Gott spielt Blues | |
> Die US-Südstaatengospelband Staples Jr. Singers gastierte am Montag im | |
> Rahmen ihrer Europatournee im Berliner Jazzclub „Quasimodo“. | |
Bild: Fast eine Naturgewalt – die Staple Jr. Singers am Montagabend in Berlin | |
Gerade ein halbes Lied brauchen die Staples Jr. Singers, um ihr Publikum zu | |
begeistern. Die Tanzfläche vor der Bühne im Berliner Quasimodo füllt sich. | |
Und wer eben noch saß, steht allerspätestens beim funkigen Beat des zweiten | |
Songs – „Get on Board“–, kann nicht anders, als sich zum groovy Sound | |
dieser sieben Leute auf der Bühne zu bewegen. Etwas anderes lässt die | |
Gospelband aus Mississippi nicht zu. | |
„I keep on searchin’ until I found him“, singt Edward Brown. Er sitzt in | |
der ersten Reihe, rechts von seiner Schwester Annie. Während sein Bruder R. | |
C. – zu Annies linker Seite – den Blues aus den Saiten seiner E-Gitarre | |
holt. Ohne Plektrum, gelassen und so gefühlvoll, als hätte er nie etwas | |
anderes getan, als die Blue-Notes zu spielen. Hinter ihnen ihre Kinder | |
Troy, Gary und Jaylin sowie Annies Mann, die das durchgängig stabile | |
Rückgrat aus Drums, Rhythmus-Gitarre, Bass und Background-Gesang bilden. | |
Dass die drei Geschwister um die 60 noch nie etwas anderes getan haben, als | |
den Blues zu fühlen und zu spielen, stimmt. Und stimmt auch wiederum nicht. | |
Mitte der 1970er tourten die Staples Jr. Singers – damals noch zehn | |
Geschwister – als Gospelgruppe mit ihren Eltern durch den Bible Belt. | |
## Nie aufgegeben | |
Ein einziges Album nahmen sie damals auf: „When Do We Get Paid“. Fast 50 | |
Jahre blieben sie in ihrer Kleinstadt Aberdeen, gründeten Familien, | |
arbeiteten hart und gaben ihren Glauben und die Musik niemals auf. [1][Bis | |
2021 ihr Werk vom New Yorker Label Luaka Bop neu aufgelegt wurde]. 2023 | |
haben die drei noch lebenden Geschwister der Staples Jr. Singers in nur | |
zwei Tagen ein neues Album aufgenommen: „Searching“. Und damit sind sie nun | |
auf Europa-Tournee. | |
„I Don’t Need No Doctor“ heißt einer der neuen Songs, dessen Titel schon… | |
bezeichnend ist. Ihre Zuversicht, ihre Kraft – und davon haben sie jede | |
Menge – ziehen sie aus ihrem Glauben. Man braucht sie nur spielen hören, um | |
zu wissen: Der Gospel muss raus. Muss geteilt werden mit dem Publikum. | |
Edward hebt die Hände nach oben, animiert das Publikum, dasselbe zu tun. | |
„Klatscht in die Hände“, „singt mit“, sagt er. Und steht dann sogar von | |
seinem Stuhl auf – der dabei nach hinten umkippt –, nimmt das Mikro in die | |
Hand. Niemand im Raum steht mehr still. | |
## Mit Inbrunst und Energie | |
Die Staples Jr. Singers spielen markanten Südstaaten-Gospel. Edward erzählt | |
in breitem Mississippislang vom Aufwachsen im Süden der USA, von | |
Segregation, Armut, Hunger und dem unerschütterlichen Glauben an Gott. | |
[2][Ihre Inbrunst, die Energie und die Glaubwürdigkeit, die sie in jede | |
einzelne Note stecken, machen aus dem Berliner Jazz-Keller für eine Stunde | |
eine Kirche.] | |
Man möchte fast schon selbst an Gott glauben, als Annie mit | |
eindrucksvoller, bluesiger Stimme zu singen beginnt: „I was lost in a world | |
of sin.“ Sie holt einzelne Leute nach vorne. Erzählt von Liebe, von Fehlern | |
und vom Vergeben. „You see, I was blind and I could not see.“ | |
Und gibt ihnen eines mit, bevor sie sie wieder zum Tanz entlässt: „You have | |
to say – I’m sorry. I love you.“ Dann wird es noch mal rockiger, es wird | |
ohne Unterlass getanzt. Was anderes lassen die Staples Jr. Singers nicht | |
zu. Auch wenn sie immer wieder durchschimmern, im Sound ihrer Songs: die | |
harten Zeiten, der Zusammenhalt und die Hoffnung. | |
## Spirituell, mit Handkuss | |
Das muss es sein, was Annie, R. C. und Edward, und ihre Familie so stark | |
macht. Das ist Gospel, das ist spiritueller Blues und das haben die Staples | |
Jr. Singers am Montag bis nach Berlin gebracht. „Goodbye“ und Handküsse | |
heißt es nach einer Stunde durchgehender Intensität. Das Publikum will noch | |
nicht, dass das Konzert zu Ende ist. | |
Die Zugabe übernehmen zwei jüngere Bandmitglieder, zeigen, dass noch viel | |
Musik von Familie Brown kommen wird. Und dann taucht R. C. noch mal auf, | |
schnappt sich die Gitarre ein letztes Mal und überzeugt (auch wenn es | |
niemanden mehr zu überzeugen gibt) mit einem bluesigen Solo. Sollte es | |
einen Gott geben, dann muss er Blueser sein. | |
16 Jul 2024 | |
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## AUTOREN | |
Ruth Lang Fuentes | |
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