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# taz.de -- Die Uefa und ihr Präsident Čeferin: Gesichtslose Uefa
> Der Verbandschef der Uefa gibt nur den Fußballromantiker. Im Hintergrund
> maximiert er kompromisslos Gewinne.
Bild: Der Präsident des Europäischen Fußballverbandes Aleksander Ceferin, hi…
Es ist nicht so, als ob es keine Kritik oder Unmutsäußerungen gegen die
Uefa gegeben hätte. Aber den Motor des Europäischen Fußballverband bringt
niemand so schnell zum Stottern. Böse Anwürfe ölen mitunter gar das
Getriebe der Organisation. „Fuck Uefa“ hatten ein paar dänische Fans beim
Spiel gegen England auf ein Stück Stoff gepinselt, das nur wenig größer war
als ein Badehandtuch.
Die Disziplinarkommission des Verbandes beriet sich, wie schwer das
Vergehen einzuordnen ist und verhängte für den dänischen Fußballverband
eine Geldstrafe von 10.000 Euro. Empfänger der Überweisung ist natürlich
der beleidigte Verband.
Wohin das Geld fließt? In Uefa-Projekte im Bereich der sozialen
Verantwortung, heißt es auf Anfrage, und in das HatTrick-Programm. Dort
werden die langfristigen Fußballentwicklungsprojekte der Mitgliedsverbände
aufgesetzt. Und dorthin fließen auch zwei Drittel der erwarteten
Uefa-Gewinne von 1,7 Milliarden Euro aus dieser Europameisterschaft.
Beleidigungsgebühren werden also auf der Gewinnseite verrechnet.
Alles dient dem guten Zweck, den Fußball größer zu machen. Mit diesem
Argument, das auch mit der sozial-gesellschaftlichen Verantwortung
unterfüttert wird, begegnet die Uefa ebenso der Kritik, ihre Gewinne würden
in keinem angemessenen Verhältnis zu den Kosten der Gastgeberländer und
ihrer Steuerzahler stehen. An der Uefa bleibt seit der Amtsübernahme von
Präsident Aleksander Čeferin im Jahr 2016 kaum noch Schmutz haften.
Seinem Vorgänger Michel Platini kostete ein undurchsichtiger Millionendeal
mit Fifa-Präsident Sepp Blatter und seine Nähe zu den katarischen
Machthabern jegliches Ansehen. Platini und Blatter sind stets wie
Sonnenkönige aufgetreten. Im Dienste des weltweit beliebtesten Spiels
Fußball, glaubten sie, schütze sie selbst beim Geschäft mit zwielichtigen
Gestalten eine Aura der Arglosigkeit. Der [1][aktuelle Fifa-Chef Gianni
Infantino] führt in diesem Sinne deren Erbe fort.
## Nirgends zu finden
Čeferin dagegen meidet die Position des sichtbaren Steuermanns. Kaum Bilder
hat es von ihm bei dieser Europameisterschaft gegeben. Auf den
TV-Bildschirmen ist er allenfalls mal für Sekundenbruchteile auf der
Tribüne zwischen zwei Verbandsvertretern zu sehen. Auf den
Social-Media-Plattformen ist er nirgends zu finden. Interviews gibt er nur
spärlich. Bei der Suche nach Statements von Aleksander Čeferin zu dieser
Europameisterschaft stößt man nur auf wenige Einträge.
Anfang dieses Jahres gab es ein wenig Aufregung. Čeferin, so hatte es
kurzzeitig den Anschein, wolle die Statuten verändern, um mit einem Kniff
seine Präsidentschaft zu verlängern. Es ging um eine Präzisierung einer
Amtszeitbeschränkungsregel, die der Slowene selbst eingeführt hatte. Der
Vorwurf stand im Raum, er wolle sich dadurch eine weitere Kandidatur bei
der Wahl 2027 erschleichen.
Aber die hätte ihm nach Juristengutachten eh zugestanden, weil eingeführte
Regeln nicht rückwirkend gelten können. Obendrein kündigte Čeferin dann an,
er wolle die Möglichkeit einer erneuten Kandidatur gar nicht ausschöpfen
und 2027 aufhören. Die Uefa brauche frisches Blut, sagte der 56-Jährige.
Der Jurist Čeferin, der es als Karateka bis zum schwarzen Gürtel gebracht
hat, versteht es, selbst möglichst wenig Angriffsfläche zu bieten und die
Angriffsfläche des Gegners zu nutzen. In kritischen Fällen zählt allein die
Autorität der Organisation und nicht die einzelner Personen. Als bei der EM
der [2][Wolfsgruß-Jubel des türkischen Nationalspielers Merih Demiral] zum
großen Politikum wurde, forderte die deutsche Innenministerin Nancy Faeser
Konsequenzen von der Uefa, was die Einbestellung des deutschen Botschafters
in Ankara zur Folge hatte. Von Čeferin war kein Wort in der Angelegenheit
zu hören. Der Fall wurde bei der Uefa rein technokratisch auf Grundlage
eigener Statuten verhandelt und Demiral für zwei Spiele gesperrt.
Recht gesichtslos ist die Uefa also bei dieser EM aufgetreten. Es ist
vielmehr eine Apparatur am Werkeln gewesen, wo ein Rädchen ins andere
gegriffen hat und auch noch das letzte Detail festgelegt war. Sogar die
Aufwärmzeit der Teams vor dem Anpfiff war bis auf die Sekunde genau getimt.
Wenn auf der Anzeigetafel der Countdown runterlief, eilten die Spieler
flugs vom Rasen.
## Vermeintlicher Bewahrer von Werten
Nur in absoluten Notlagen tritt Čeferin aus dem Schatten der Organisation
heraus und holt zum Gegenschlag aus. Als vor drei Jahren zwölf
[3][europäische Spitzenklubs mit der Super League] ihren eigenen
europäischen Wettbewerb schaffen wollten, um mehr Gewinne zu erlösen,
präsentierte sich der Uefa-Chef als Verteidiger des romantischen Fußballs.
Er sprach vom Kampf von „Zynismus gegen Moral. Egoismus gegen Solidarität.
Gier gegen Wohlwollen.“ Noch beim letzten Uefa-Kongress im Februar sagte
er: „Einige Menschen denken, dass sie alles kaufen können, aber man kann
keine 70 Jahre Geschichte kaufen.“
Ebenso profilierte sich Čeferin gegen die Fifa als Bewahrer von Werten und
guter Tradition, indem er sich gegen die Pläne einer alljährlichen
Weltmeisterschaft oder einer erweiterten Klub-WM wandte oder allgemein
feststellte, die WM in Katar habe dem Fußball nicht gut getan.
Čeferin kann aus der Position der Stärke des europäischen Fußballs agieren.
So lässt sich die Verteidigung eigener Geschäftsmärkte bestens mit
moralischen Grundhaltungen verbinden. Doch ein Verband für
Fußballnostalgiker wird die Uefa gewiss nicht werden.
Für eine höhere Rendite wird die Champions League nächste Saison mit einem
neuen Format an den Start gehen. Statt 32 werden 36 Teams antreten, statt
125 Partien werden 189 gespielt. Die Europa League und Conference League
werden ebenso weiter aufgebläht. Eine knappe Milliarde Euro sollen dadurch
insgesamt mehr erlöst werden.
An Fantasie, wie noch weiter an der Schraube der Gewinnmaximierung gedreht
werden könnte, fehlt es dem Verband nicht. Es sei durchaus möglich, dass
man bedeutsame Champions-League-Spiele künftig mal in den USA austragen
lassen werde, sagte Čeferin im vergangen Jahr. Man habe angefangen, darüber
zu diskutieren. Ob das noch in seiner Amtszeit geschieht oder später, ist
nicht von großem Belang. Die Uefa scheint mittlerweile eh per Autopilot in
die Gewinnzone zu fahren.
12 Jul 2024
## LINKS
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## AUTOREN
Johannes Kopp
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