# taz.de -- Spanien ist Europameister: All hail to the Reyes de Europa | |
> Spanien ist unumstrittener Thronfolger des letzten Europameisters | |
> Italien. Das ist eine sehr besondere Nachricht. | |
Bild: Kein Abseits! Mikel Oyarzabal erzielt den entscheidenden Treffer | |
Als Nico Williams zur letzten Pressekonferenz dieses Turniers kam, hatte er | |
seine Trikotnummer getauscht. Auf dem Rücken trug er nun die Vier, die für | |
die Anzahl der EM-Titel steht, die Spanien jetzt bislang gewonnen hat. So | |
viele wie keine andere Nation (Deutschland steht bekanntlich bei drei | |
Titeln). Und drüber stand „Reyes de Europa“: „Könige Europas“. | |
Im spanischen Fußball hat man jenseits von Real Madrid [1][ein Faible für | |
königliche Gefühle] und lebte sie auch im Berliner Olympiastadion in | |
Gegenwart des spanischen Königs Felipe VI. ungeniert aus. Aber dass das | |
spanische Nationalteam zu [2][so einem unumstrittenen Thronnachfolger des | |
letzten Europameisters] Italien werden sollte, ist innerhalb dieses eher | |
überraschungsarmen Turniers eine sehr besondere Nachricht. Vor dem | |
Eröffnungsspiel zählten die Experten das Team eher zum erweiterten | |
Favoritenkreis. | |
„Beste Mannschaft im Turnier“ und „verdienter Sieger im Finale“, räumte | |
Englands Trainer Gareth Southgate ohne Umschweife ein, auch wenn der | |
entscheidende Treffer zum 2:1 durch Mikel Oyarzabal erst in der 86. Minute | |
fiel. Ihr Meisterstück fertigten die Südeuropäer in der zweiten Hälfte | |
dieses Finales. Denn in der ersten Halbzeit schien dieses hochgelobte | |
Ensemble völlig entzaubert zu sein. Nicht einen Schuss auf das englische | |
Tor hatten die Offensivkünstler, die in allen Spielen zuvor immer | |
irgendeine Lücke gefunden hatten, abgegeben. Es waren die unansehnlichsten | |
spanischen Fußballminuten dieser EM. | |
Was aber viel schwerer wog, war der Verlust von Rodri, der sich kurz vor | |
der Pause bei einer Rettungsaktion verletzte. Seine Bedeutung für das | |
spanische Spiel wurde von Trainer Luis de la Fuente in den letzten Wochen | |
in so unermesslichen Höhen veranschlagt, dass in diesem Moment selbst der | |
neutrale Beobachter Mitleid bekommen musste. | |
## Ballon d'Or | |
Rodri, der von der Uefa zum besten Spieler dieser Europameisterschaft | |
gekürt wurde und den de la Fuente an diesem Abend am liebsten umgehend auch | |
zu Europas Fußballer des Jahres gekürt hätte („Ich möchte den Ballon d’… | |
für ihn“), wird vom Trainer als Regulativ geschätzt. Als einer, der den | |
mitunter jugendlichen Überschwang von Williams und Lamine Yamal, der mit | |
dieser EM berühmt gewordenen Flügelzange, im richtigen Moment einzubremsen | |
versteht. | |
Genau deren Unbekümmertheit und juvenile Kraft brachte Spanien unterdessen | |
wieder zu ihrem etwas verloren gegangenen Selbstverständnis zurück. Die | |
zweite Halbzeit war keine zwei Minuten alt, da nahm der gerade 17 Jahre alt | |
gewordene Yamal den Ball mit Tempo ins gegnerische Drittel mit, bediente | |
Williams, der mit seinem schwächeren linken Fuß die Führung erzielte. Von | |
da an schien der Knoten geplatzt, die spanischen Chancen häuften sich. Und | |
selbst der etwas überraschende englische Ausgleichstreffer durch Cole | |
Palmer (73.) sorgte nur kurzzeitig für Irritationen. Die Spanier behielten | |
die Initiative und wurden dafür spät belohnt. | |
Wie schon im Viertelfinale gegen Deutschland Pedri problemlos ersetzt | |
wurde, gelang dies im Finale gar im Fall des vermeintlich unersetzlichen | |
Rodri. Martin Zubimendi, der für Rodri kam, habe eine „sensationelle zweite | |
Halbzeit“ gespielt, lobte de la Fuente. Er habe eine Frische mit | |
hereingebracht. Dass sein Team insgesamt frischer in der zweiten Halbzeit | |
wirkte, sei vielleicht der größte Unterschied gewesen. Das Team in seiner | |
ganzen Breite funktionierte an diesem Abend als Selbstregulativ. „In | |
Momenten, als England eigentlich sehr gut gespielt hat, haben meine Spieler | |
ihre Aufgaben sehr gut interpretiert. Sie wussten, wie sie Lösungen | |
implementieren konnten“, schwärmte ihr Coach. | |
Der 63-Jährige hat in den vergangenen viereinhalb Wochen ohnehin die | |
größten Elogen auf sein Team gehalten. Wenige vermögen es, so viele | |
Superlative in einem Satz unterzubringen wie er. Europameisterschaft hin | |
oder her, de la Fuente bilanzierte am Sonntagabend: „Ich denke, ich habe | |
die besten 26 Spieler der Welt. Es sei eine Generation von Spielern, die | |
„eine tolle Zukunft vor sich haben und Geschichte schreiben können.“ | |
Der Coach wies ein weiteres Mal auf sein tiefes Insiderwissen hin, das ihn | |
begünstige, Prognosen zu treffen. Als früherer Juniorennationaltrainer hat | |
er den Weg vieler Spieler schon seit Langem begleitet. | |
Für Außenstehende ist der Abstand, den Spanien bei dieser | |
Europameisterschaft zur Konkurrenz markierte, jedoch überraschend. Zwar | |
fühlten sich etliche deutsche Fans im Berliner Olympiastadion wohl als | |
heimlicher Europameister, weil es einzig der DFB-Elf gelang, den Spaniern | |
in einer Partie Paroli zu bieten. Sie hatten es Marc Cucurella immer noch | |
nicht verziehen, dass er sich von Jamal Musiala im Strafraum hatte | |
anschießen lassen. Elfmeterwürdig, wie sie glaubten, weshalb sie ihn wieder | |
auspfiffen. | |
## Nicht ein Spiel | |
Die Konstanz der Spanier in diesem Turnier ist indes verblüffend gewesen. | |
Nicht ein Spiel haben sie verloren. Mit den Qualitäten und der | |
Geschwindigkeit von Nico Williams und Lamine Yamal, der zum besten jüngsten | |
Spieler der EM gewählt wurde, haben sie ihren Ballbesitzfußball um eine | |
neue Facette bereichert, auf die ihre Gegner bislang keine Antwort finden | |
konnten. | |
Weil die Weiterentwicklung einer eigenen Fußballidee in Spanien schon seit | |
Jahren eng und systematisch mit dem Ausbildungssystem verknüpft ist, kann | |
man die Ausgangslage derzeit als höchst komfortabel bezeichnen. So konnten | |
auch [3][die spanischen Fußballerinnen vergangenes Jahr Weltmeisterinnen] | |
werden. Folgt nun bei den Männern wieder eine Ära der Dominanz wie zwischen | |
2008 und 2012, als das Team zwei Mal Europameister und ein Mal Weltmeister | |
wurden? | |
In der Euphorie des Erfolgs hat sich schon mancher unschlagbar gefühlt. | |
Erinnert sei an Franz Beckenbauer nach dem WM-Titel 1990. Der 22-jährige | |
Nico Williams konnte am Sonntagabend in den Katakomben des Berliner | |
Olympiastadions einen gewissen Tatendrang nicht verhehlen, aber formulierte | |
es vorsichtiger: „Wir haben hier jedes Spiel gewonnen. Jetzt sind wir für | |
die nächste Herausforderung bereit.“ | |
15 Jul 2024 | |
## LINKS | |
[1] /Nach-der-Fussball-EM/!6023398 | |
[2] /Fussball-EM/!6020874 | |
[3] /Endspiel-der-Fussball-WM/!5950693 | |
## AUTOREN | |
Johannes Kopp | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Fußball-EM 2024 | |
Finale | |
Fußball-EM 2024 | |
Spanien | |
Schwerpunkt Fußball-EM 2024 | |
Schwerpunkt Fußball-EM 2024 | |
Schwerpunkt Fußball-EM 2024 | |
England | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Englands Niederlage im Finale: Wer scheitert als Nächstes? | |
Mit guten Spielern haben die Three Lions das Finale verloren. Nun wird über | |
die Zukunft von Trainer Gareth Southgate diskutiert. | |
Nach der Fußball-EM: Verhandelte Politik | |
Die Euro24 ist vorbei und hat eines gezeigt: Wenn wir über Demokratie und | |
Gerechtigkeit sprechen wollen, müssen wir über Fußball reden. | |
Fußball und Nationalismus: Ein kräftiges Aufbäumen | |
Der bessere Fußball wird von Klubs mit Milliardenumsätzen gespielt. Aber | |
die Europameisterschaft ist längst noch nicht tot. | |
Vor dem Finale Spanien vs. England: 22 Gründe für den Europameister | |
Am Sonntag, 14. Juli, um 21 Uhr beginnt das Finale um die Fußball-EM. Die | |
taz weiß, wer und warum den Titel holt. Und was Harry Kane damit zu tun | |
hat. |