# taz.de -- Rechtsextremer Wolfsgruß bei EM-Spiel: Sich selbst treu geblieben | |
> Die Uefa hat den türkischen Nationalspieler Merih Demiral für zwei Spiele | |
> gesperrt. Der Fußballverband zeigt sich sicherer im Umgang mit Politik. | |
Bild: Der faschistische Gruß: Innenverteidiger Merih Demiral am Dienstag nach … | |
Die Politik ist nicht aus dem Spiel zu halten. Da hilft auch die | |
Disziplinarordnung der Uefa mit ihren 79 Artikeln nichts. Aber sie kann | |
zumindest verhindern, dass ein Turnier wie die Europameisterschaft zum | |
Spielball derer wird, die diese Bühne beispielsweise dafür nutzen, | |
rechtsextremistische Gesten und Symbole zu normalisieren. So wurde der | |
türkische Verteidiger Merih Demiral am Freitag von der Uefa auf Grundlage | |
des Artikels 11, Absatz 2 für zwei Spiele gesperrt. Der [1][nach seinem | |
zweiten Treffer gegen Österreich gezeigte Wolfsgruß] wird als Verstoß gegen | |
die allgemeinen Verhaltensregeln gewertet. | |
Im Konkreten kommt der Passus zur Anwendung, dass derjenige sanktioniert | |
wird, der „Sportereignisse für Manifestationen nichtsportlicher Natur | |
nutzt“ und dessen „Verhalten den Fußballsport und insbesondere die Uefa in | |
Verruf bringt“. | |
Der Wolfsgruß ist ein Erkennungszeichen der [2][rechtsextremistischen | |
türkischen Bewegung Graue Wölfe], die in ganz Europa ihre Blutspuren | |
hinterlassen hat und deren politischer Arm, die MHP (Partei der | |
Nationalistischen Bewegung), Regierungspartner von Präsident Recep Tayyip | |
Erdoğan ist. Selbst politische Gegenspieler von Erdoğan wie der letzte | |
Präsidentschaftskandidat Kemal Kılıçdaroğlu nutzten den Wolfsgruß, um eine | |
Brücke zu nationalistisch gesinnten Wählerkreisen zu schlagen. Als | |
unpolitisches Symbol kann dieses Zeichen nur Naivlingen verkauft werden. | |
Wie wichtig die Uefa-Sanktionierung der Geste von Demiral ist, zeigt | |
bereits die Ankündigung von Erdoğan, statt nach Aserbaidschan zum EM-Spiel | |
der Türkei gegen die Niederlande zu reisen. Die Debatte über den Gruß nutzt | |
der Regierungschef zu einer politischen Demonstration. Hätte der | |
europäische Fußballverband Demiral grünes Licht gegeben, wäre dieser samt | |
Erdoğan im Olympiastadion schon vor dem Anpfiff als siegreicher Held | |
gefeiert worden. Ein jeder hätte dies als Signal werten können, die Uefa | |
künftig am Nasenring durch die Manege ziehen zu können. | |
## Kein politikfreier Raum | |
Unglaubwürdig wäre der Verband gewesen, weil er in der Gruppenphase bereits | |
[3][den albanischen Stürmer Mirlind Daku] für zwei Partien sperrte, weil | |
dieser mit dem Megafon die eigenen Fans mit nationalistischen Gesängen | |
aufpeitschte. Wegen nationalistischer Transparente und Sprechchöre des | |
albanischen und serbischen Anhangs wurden Geldstrafen ausgesprochen. | |
Manche Beobachter fordern nun, die Uefa müsse in voller Konsequenz gegen | |
jedwede politische Botschaft vorgehen, wie sie etwa auch von | |
[4][Ausnahmestürmer Kylian Mbappé] in dieses Turnier in Deutschland | |
getragen wurde. Er rief Französinnen und Franzosen zur Wahl auf, um eine | |
Machtübernahme der Rechtspopulisten, welche die Gesellschaft spalten | |
wollten, zu verhindern. | |
Würde die Uefa allerdings solche Äußerungen sanktionieren, würde sie ihr | |
propagiertes Selbstverständnis und Handeln diskreditieren. Der Verband | |
bewegt sich nicht in einem politikfreien Raum. Die Bekenntnisse von Mbappé | |
sind nahezu ein Abbild dessen, was die Uefa nach außen kehrt, wenn sie in | |
Kampagnen den verbindenden Charakter des Fußballs, die Bedeutung von | |
Integration, Vielfalt und Antidiskriminierungsarbeit betont. | |
Was genau die in den Statuten erwähnten „Manifestationen nichtsportlicher | |
Natur“ eigentlich sein sollen, das ist dem europäischen Fußballverband | |
mitunter selbst nicht klar. Bei der EM 2021 leitete die | |
Uefa-Disziplinarkommission ein Verfahren gegen den damaligen deutschen | |
Kapitän Manuel Neuer ein, weil er im Spiel gegen die Ungarn, deren | |
Regierung für eine homophobe Politik verantwortlich ist, [5][eine | |
Regenbogenbinde am Arm trug]. Der Anfangsverdacht stand im Raum, dieses | |
Verhalten könne nicht angemessen sein. Das Verfahren wurde jedoch vom | |
Uefa-Gremium mit der Begründung und späten Einsicht eingestellt, die Binde | |
stehe für Vielfalt und „eine gute Sache“. Den Kampf gegen Homophobie | |
schreibt sich die Uefa eben ansonsten auch auf ihre Fahnen. | |
Doch ein wenig scheint die Uefa bei der Bewertung von nicht direkt | |
sportlichen Themen an Sicherheit gewonnen zu haben. Fragen zu den | |
Befindlichkeiten der französischen Spieler nach den ersten Ergebnissen der | |
vorgezogenen Neuwahlen etwa wurden auf den Pressekonferenzen nicht | |
unterbunden. Offenbar hielten es die Verantwortlichen ebenfalls für eine | |
gute oder zumindest tolerierbare Sache, wenn sich Nationalspieler nicht nur | |
gegen Ausgrenzung im Fußball, sondern auch gegen die in der Gesellschaft | |
positionieren. | |
5 Jul 2024 | |
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## AUTOREN | |
Johannes Kopp | |
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