# taz.de -- Firmen fordern neue Unternehmensform: Wenn Gewinn nicht alles sein … | |
> Hunderte Firmen fordern eine neue Unternehmensform, die Profit nicht ins | |
> Zentrum stellt. Die Ampel-Koalition ist dafür – eigentlich. | |
Bild: Die Stiftung Verantwortungseigentum hofft auf eine neue Unternehmensform … | |
BERLIN taz | Mehr als 900 kleine und mittelständische Unternehmen in | |
Deutschland fordern von der Bundesregierung die Schaffung einer | |
Unternehmensform, die ein Wirtschaften jenseits von Profitinteressen | |
erleichtern würde. Ihr Anliegen: Gesellschaften „mit gebundenem Vermögen“ | |
sollen Gewinne nicht an Gesellschafter:innen ausschütten. Stattdessen | |
sollen erwirtschaftete Gewinne entweder wieder ins Unternehmen fließen oder | |
gemeinnützig gespendet werden. | |
Innerhalb von knapp zwei Wochen hätten sich die Unternehmen auf eine Art | |
symbolische Warteliste setzen lassen, berichtet die [1][Stiftung | |
Verantwortungseigentum], die die Aktion initiiert hat. [2][Bereits vor | |
einem Jahr] hatten sich rund 20 Wirtschaftsverbände für die Schaffung einer | |
derartigen Unternehmensform ausgesprochen. Darunter waren unter anderem der | |
Bundesverband mittelständische Wirtschaft, der Bundesverband Deutsche | |
Start-ups und der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft. | |
Bislang hat das jedoch keine Wirkung gezeigt – und daher drängen die | |
Unternehmen nun. Bei einigen stehe die Zeit für eine Nachfolgeregelung an, | |
so die Stiftung, da komme es darauf an, bald zu handeln. „Da die Nachfolge | |
in der Familie bei uns nicht infrage kommt, haben wir ein Stiftungsmodell | |
versucht umzusetzen und verzweifeln an den Hürden und der Bürokratie“, sagt | |
etwa Gerhard Behles vom Musiksoftwarehersteller Ableton. Eine Gesellschaft | |
mit gebundenem Vermögen wäre für ihn die „perfekte Lösung“. „Es kostet | |
keine Steuergelder, Gesetzentwürfe aus der Wissenschaft liegen vor – worauf | |
wartet die Politik?“ | |
„Wir werden in den nächsten Jahren in den Ruhestand gehen und wollen dabei | |
aber dafür sorgen, dass langfristig die Qualität unserer Produkte erhalten | |
bleibt“, sagt Brigitta Sui Dschen Mattke von Moin Bio Backwaren. Momentan | |
ist das Unternehmen eine GmbH. „Wir brauchen dringend eine neue Rechtsform, | |
die langfristig und sicher garantiert, dass Gewinne dem Unternehmen dienen | |
und Kontrolle weitergegeben werden kann, ohne dass sich die Mitarbeiter | |
einkaufen müssen.“ | |
Mehrere Unternehmer:innen berichten, dass sie keine Erben haben oder | |
diese die Firma nicht übernehmen wollen oder können. Sie möchten dennoch | |
den Kern und den wirtschaftlichen Geist sichern – und fürchten, dass eine | |
klassische Unternehmensform früher oder später dazu kommt, dass die Firma | |
an die Konkurrenz oder Investor:innen verkauft wird. | |
## Momentan sind Umwege nötig | |
Momentan muss, wer das möchte, Umwege gehen und zusätzlichen Aufwand auf | |
sich nehmen. So hat es beispielsweise der Gründer der Suchmaschine | |
[3][Ecosia] gemacht. Ecosia leitet Suchanfragen an Bing oder Google weiter | |
und investiert den Gewinn aus Werbeeinnahmen in Aufforstungsprojekte. Als | |
GmbH gegründet, wurde sie von Gründer Christian Kroll vor einigen Jahren | |
umgewandelt. Eine Stiftung hält nun einen 1-Prozent-Anteil und bestimmte | |
Vetorechte. | |
Parallel zu der symbolischen Warteliste werben 14 | |
Familienunternehmer:innen in einem Brief an Bundesregierung und | |
Bundestag um Unterstützung für die neue Unternehmensform. Mit dabei sind | |
unter anderem Antje von Dewitz, Geschäftsführerin und Gesellschafterin von | |
Vaude, Miele-Gesellschafter Christian Miele und Michael Otto, | |
Aufsichtsratsvorsitzender Otto Group. | |
Politiker:innen der Ampel-Koalition hatten sich in der Vergangenheit | |
immer wieder positiv über die Schaffung einer solchen Unternehmensform | |
geäußert – und sie, gemeinsam mit anderen Formen des gemeinwohlorientierten | |
Wirtschaftens, auch im Koalitionsvertrag verankert. | |
Die Stiftung Verantwortungseigentum hofft indessen auf das | |
„Dynamisierungspaket“, also die aktuellen Verhandlungen in der | |
Bundesregierung für Maßnahmen zur Stärkung der Wirtschaft, in deren Kontext | |
die Schaffung einer neuen Unternehmensform sinnvoll wäre. | |
Eine Sprecherin des Bundesjustizministeriums teilte mit, dass derzeit ein | |
Eckpunktepapier zu einer neuen Rechtsform innerhalb der Bundesregierung | |
abgestimmt wird. Ziel sei „eine Rechtsgrundlage, die einen Mehrwert bietet, | |
rechtssicher ist, keinen überbordenden Bürokratieaufwand verursacht und | |
nicht als Steuersparkonstruktion genutzt werden kann“. | |
22 Jun 2024 | |
## LINKS | |
[1] https://stiftung-verantwortungseigentum.de/ | |
[2] /Neue-Unternehmensform-gefordert/!5938837 | |
[3] /Nachhaltige-Unternehmen/!5618213 | |
## AUTOREN | |
Svenja Bergt | |
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