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# taz.de -- Rassistischer Angriff in Grevesmühlen: Polizei nennt neue Details
> Ein mutmaßlicher rassistischer Übergriff auf zwei Kinder in Grevesmühlen
> hat für Empörung gesorgt. Ein Video zeigt, wie die Familie bedrängt wird.
Bild: In diesem Wohngebiet in Grevesmühlen kam es am 14. Juni mutmaßlich zu e…
Grevesmühlen/Berlin dpa/taz | Zu dem rassistischen Übergriff gegen die
beiden Mädchen im mecklenburgischen Grevesmühlen hat die Polizei neue
Erkenntnisse genannt. In einem Video, das am Dienstag im Netz kursierte,
ist zu sehen, wie eine Gruppe von Jugendlichen die ghanaische Familie
rassistisch beleidigt und die beiden Kinder teilweise umringt. Zuvor soll
ein Jugendlicher dem achtjährigen Mädchen ein Bein gestellt und sie dabei
mit der Fußspitze getroffen haben. [1][Der Vorfall hatte sich am
Freitagabend ereignet.]
Nach der Auswertung der Aufnahmen teilte die Polizei [2][in Rostock am
Montagabend] mit, dass sie anders als am Sonntag nicht mehr davon ausginge,
dass das Kind ins Gesicht getreten worden sei. „Nach derzeitigem
Ermittlungsstand hat das achtjährige Mädchen keine körperlichen
Verletzungen erlitten, die auf die in der Erstmeldung geschilderte
Tathandlung hindeuten.“ Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela
Schwesig (SPD) sagte am Dienstag, es gebe dennoch keinen Grund den Vorfall
zu verharmlosen. „Es ist gut, dass das Mädchen körperlich unverletzt
geblieben ist.“
Das Kind war mit seiner zehnjährigen Schwester unterwegs, als sich der
mutmaßliche Angriff ereignete. Die Ermittler gehen davon aus, dass die
Achtjährige mit ihrem Roller an einem Jugendlichen vorbeifahren wollte.
„Dieser versperrte dem Mädchen offenbar mit seinem ausgestreckten Bein den
Weg und traf sie mit seiner Fußspitze.“ Zu diesem Zeitpunkt habe sich eine
größere Gruppe Jugendlicher in dem Bereich aufgehalten. Die Kinder hätten
sich daraufhin verängstigt und weinend an ihre Eltern gewandt.
Die Eltern wollten die Jugendlichen zur Rede stellen, wie die Polizei
weiter mitteilte. Daraufhin sei es zu verbalen und körperlichen
Auseinandersetzungen gekommen, bei der die Familie rassistisch beleidigt
worden sei. Die Polizei hatte zunächst mitgeteilt, das achtjährige Kind und
der Vater seien leicht verletzt worden. Eine Polizeisprecherin sagte nun,
das Mädchen sei körperlich unverletzt, der Vater schon.
## Video zeigt Gewaltandrohungen und Rassismus
Die zehnköpfige Ermittlergruppe unter Leitung des für politische Delikte
zuständigen Staatsschutzes der Polizei hatte um Hinweise aus der
Bevölkerung gebeten. Daraufhin gingen unter anderem Foto- und
Videoaufnahmen bei der Polizei ein. Die Ermittlungen dauerten weiter an,
hieß es. Der Vater der Mädchen sagte der Bild, er und seine Familie wollten
sich nicht aus der Stadt vertreiben lassen „Wir leben seit 2016 in
Grevesmühlen, wir bleiben hier“, zitierte ihn die Zeitung. Der Sportverein
„Einheit Grevesmühlen“, in dem der Vater und ein Sohn der Familie offenbar
aktiv sind, solidarisierte sich mit einer [3][Fotoaktion vorm Vereinsheim].
Auch wenn das Mädchen körperlich unverletzt geblieben ist, war der Vorfall
alles andere als harmlos: Das Video zeigt eine unübersichtliche Situation,
in der sich zahlreiche Jugendliche bedrohlich vor der ghanaischen Familie
aufgebaut haben, teils sind die Kinder von der Gruppe umringt. Stellenweise
kommt es zu einem Handgemenge. Die Jugendlichen haben teils kurzgeschorene
Haare, mehrere tragen Camouflage-Hosen sowie weitere in der rechten Szene
beliebte Kleidung, einer trägt einen Pullover mit der Aufschrift
„Deutschland“, einer schwarze Stiefel mit weißen Schnürsenkeln.
Ein Jugendlicher droht offenbar der augenscheinlichen Mutter des Mädchens
Prügel an, beschimpft die Familie außerem als „Drecksn*****schweine!“ Ein…
ruft: „Ich hasse N****!“, ebenso wird aus der Gruppe „schwarzer Hurensohn…
gerufen. Nach den rassistischen Beleidigungen regt sich die Mutter
lautstark darüber auf. Das Video haben offenbar Jugendliche aufgenommen,
die selbst Teil der Gruppe waren. Sie amüsieren sich anscheinend über die
Situation, bis am Ende die Polizei anrückt und das Video abrupt endet mit
den Worten: „Lauf lauf! Die Bullen kommen!“
## Thematisierung bei Innenministerkonferenz gefordert
Der Fall hatte vor allem wegen der zuerst von der Polizei gemeldeten Tritte
ins Gesicht der Kinder bundesweit Empörung ausgelöst. Aus der
Grünen-Bundestagsfraktion wurden die Innenminister von Bund und Ländern
aufgefordert, sich bei ihrer Frühjahrskonferenz in dieser Woche mit
Maßnahmen gegen rassistische Gewalt zu beschäftigen.
Auf Basis des ursprünglichen Kenntnisstands hatte die
Parlamentsgeschäftsführerin der Grünen im Bundestag, Irene Mihalic, der
Deutschen Presse-Agentur gesagt: „Der abscheuliche rassistische und feige
Angriff durch eine große Gruppe von Menschen auf zwei ghanaische Kinder in
Grevesmühlen darf nicht folgenlos bleiben.“ Die Innenministerkonferenz sei
gefordert, sich mit den nötigen Konsequenzen zu befassen. „Eine solche
Attacke kann zu Nachfolgetaten animieren und darüber hinaus verheerende
Auswirkungen auf das Sicherheitsgefühl von schwarzen und migrantischen
Kindern und Jugendlichen in Deutschland haben.“
Die Innenministerinnen und Innenminister von Bund und Ländern treffen sich
an diesem Mittwoch zu Beratungen in Potsdam. Bei ihrem dreitägigen Treffen
wird es unter anderem um Bevölkerungsschutz, europäische Asylpolitik und
Abschiebungen gehen. Im ersten Quartal dieses Jahres zählte die Polizei
laut vorläufigen Zahlen bundesweit 46 rechts motivierte Gewalttaten, bei
denen Rassismus eine Rolle spielte. Acht dieser Straftaten wurden demnach
in Mecklenburg-Vorpommern registriert.
## Forscher sehen eskalierende Enthemmung
Der Direktor des Kompetenzzentrums für Rechtsextremismus- und
Demokratieforschung der Universität Leipzig, Oliver Decker, sah auf Basis
der ersten Informationen einen Zusammenhang mit der Europawahl am 9. Juni,
bei der die AfD in allen ostdeutschen Flächenländern jeweils die meisten
Stimmen erhalten hatte. Er erklärte: „Wenn ich vermute, dass die Norm der
Ächtung von Gewalt in meinem Umfeld nicht mehr gilt, dann kann ich dem
Bedürfnis nachgehen.“ In diesem Fall bedeute dies, den eigenen
Ressentiments freien Lauf zu lassen, bis hin zur Ausübung von Gewalt. Die
AfD zu wählen, sei bereits „Kennzeichen einer Radikalisierung“, fügte er
hinzu.
In den vergangenen Wochen hatten mehrere Vorfälle für Schlagzeilen gesorgt,
bei denen Feiernde bei Volksfesten und privaten Partys mit rassistischen
Gesängen aufgefallen waren. Wegen rechtsextremer Parolen und
volksverhetzendem Gegröle hat es im Saarland in der Nacht zum Samstag
gleich zwei Polizeieinsätze gegeben.
18 Jun 2024
## LINKS
[1] /Angriff-auf-Kinder-aus-Ghana/!6014453
[2] https://www.polizei.mvnet.de/Presse/Pressemitteilungen/?id=202082&proce…
[3] https://x.com/glr_berlin/status/1802738825816350972
## AUTOREN
Gareth Joswig
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Schwerpunkt Rassismus
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