# taz.de -- Diverse Manifestationen: Schlandinisten und Antifaschisten | |
> Stolze Träger des DFB-Trikots ziehen gen Dortmund, während sich in Essen | |
> der Protest gegen die AfD formiert. Bizarre Begegnungen prägen den | |
> Spieltag. | |
Bild: Andere Fahnen im EM-Land: Demo gegen die AfD in Essen | |
Vor dem deutschen Fußballmuseum am Dortmunder Hauptbahnhof drängen sich die | |
Fußballfans. Sie tragen vornehmlich Deutschlandtrikots und stimmen sich mit | |
dem ein oder anderen Bier auf das Achtelfinale ein. Etwa hundert Meter | |
weiter steht ein Grüppchen ukrainischer Demonstranten und macht auf das | |
Leid der Menschen in ihrer Heimat aufmerksam. | |
Auf die unerträglichen Bedingungen der Soldaten in russischer | |
Gefangenschaft, auf das unbekannte Schicksal der nach Russland entführten | |
Kinder und auf viele andere Gräueltaten, die dieses Land erleiden muss. Ein | |
Mann, der im Menschenstrom vom Hauptbahnhof zur Innenstadt an der Demo | |
vorbeiläuft, ruft der Gruppe mit gereckter Faust „Wladimir Putin“ entgegen. | |
Diese brüllen voller Wut „Russia is a terrorist state“ zurück. Ein paar | |
deutsche Fans lächeln etwas hilflos ob dieser Szene und gehen weiter | |
Richtung Stadion oder Public Viewing. | |
Von dieser Europameisterschaft haben sich manche durch den Fußball etwas | |
Abstand und Erholung von den verunsichernden Nachrichten dieser Welt | |
gewünscht. Aber dafür braucht es schon auch die Fähigkeit des Weglächelns | |
oder Wegschauens. Wie sollte der Fußball auch eine Insel der Glückseligkeit | |
schaffen können. Vor den Stadiontoren lässt sich die gesellschaftliche | |
Wirklichkeit nicht aussperren. | |
In den Stadien gelingt es auch nicht. Dort wurden etwa [1][die | |
nationalistischen, auf Ausschluss bedachten Botschaften] von Österreichern, | |
Albanern oder Serben platziert. [2][Kylian Mbappé hat schon vor den Wahlen | |
in seinem Land verdeutlicht], die prekäre Lage in Frankreich sei zu | |
bedeutsam, als dass er nur über Fußball sprechen könne. Eskapisten haben es | |
schon einmal einfacher gehabt. | |
So kommt es zu bizarren Begegnungen. Die Angst vor dem Zerbröseln unseres | |
demokratischen Zusammenhalts bewegt an diesem Tag sprichwörtlich | |
Zehntausende Menschen in Essen, [3][die gegen den AfD-Parteitag | |
demonstrieren]. Die Bahnen füllen sich wie vor den EM-Spielen in den | |
letzten Tagen. Nur die Sprechchöre sind etwas andere. „Alle zusammen gegen | |
den Faschismus“, schallt es durch den Wagen. Oder: „Alerta, alerta, | |
antifascista!“ | |
Am Hauptbahnhof trifft diese Großgruppe dann auf Fußballtrikotträger auf | |
dem Weg nach Dortmund, die mit „Deutschlaaand, Deutschlaaand“-Rufen auf die | |
Bahnsteige strömen. Es ist das Aufeinandertreffen von zwei Wirklichkeiten, | |
die kaum entfernter voneinander liegen könnten. | |
Statistisch gesehen müssten zumindest vier von fünf Fußballschlandisten | |
keine AfD-Wähler sein und im besten Fall große Sympathie mit dem Anliegen | |
der Demonstranten haben. Aber so leicht wie in den letzten EM-Tagen an den | |
Bahnhöfen gegnerische Fußballfangruppen miteinander ins Gespräch kamen, | |
kommen diese beiden Lager nicht in Kontakt. Schade eigentlich. „Alle | |
zusammen gegen den Faschismus“ – das wäre doch ein Sprechchor, der auch den | |
DFB-Trikotträgern gut zu Gesicht stehen würde. | |
1 Jul 2024 | |
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## AUTOREN | |
Johannes Kopp | |
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