# taz.de -- 30 Jahre nach AMIA-Anschlag: Gericht verurteilt Argentinien | |
> 85 Tote forderte das Attentat auf eine jüdische Organisation. Der | |
> Interamerikanische Gerichtshof für Menschenrechte hat nun eine staatliche | |
> Mitschuld festgestellt. | |
Bild: Eine Vielzahl an Rettungshelfern suchte nach dem Anschlag auf die jüdisc… | |
BUENOS AIRES taz | 30 Jahre nach dem Anschlag auf das Gebäude der AMIA hat | |
der Interamerikanische Gerichtshof für Menschenrechte (Corte IDH) | |
Argentinien wegen Verletzung der Sorgfaltspflicht und Vertuschung | |
verurteilt. „Dieses Gericht kommt zu dem Schluss, dass der Staat einen | |
schwerwiegenden Verstoß gegen seine Pflicht zur Untersuchung eines der | |
größten Terroranschläge in der Geschichte der Region begangen hat“, heißt | |
es [1][in der Urteilsbegründung]. | |
Bei dem Bombenanschlag am 18. Juli 1994 auf das Gebäude der jüdischen | |
Hilfsorganisation im Zentrum von Buenos Aires waren 85 Menschen getötet, | |
300 verletzt und mehr als 400 umliegende Wohnungen und Geschäfte zerstört | |
oder beschädigt worden. Es ist der [2][blutigste Terrorakt, der je in | |
Argentinien verübt worden ist]. Bis heute hat sich niemand des Anschlags | |
bezichtigt. | |
Die Ermittlungen wurden von einer Serie von Pannen, Ungereimtheiten und dem | |
wiederholten [3][Auswechseln von Ermittlern, Staatsanwälten und Richtern | |
begleitet]. Für den Anschlag selbst wurde niemand verurteilt. Die Reihe der | |
Verdächtigen reicht von Iran, Syrien und der libanesischen Hisbollah bis zu | |
deren Helfern und Helfershelfern in Argentinien selbst. | |
Das Gericht macht den argentinischen Staat einstimmig dafür verantwortlich, | |
dass er keine angemessenen Maßnahmen zur Verhinderung des Anschlags | |
ergriffen und sich an dessen Vertuschung beteiligt hat, anstatt sich um die | |
Aufklärung zu bemühen. Er wies den argentinischen Staat an, alle | |
Hindernisse zu beseitigen, die einer Aufklärung im Wege stehen. So stehe | |
die Geheimhaltung der Informationen der Geheimdienste im klaren Widerspruch | |
zum in der amerikanischen Menschenrechtskonvention verankerten Recht auf | |
Informationen. | |
„Das Versäumnis des Staates, seine Ermittlungspflicht zu erfüllen, die | |
ungerechtfertigten Verzögerungen im Verfahren und allgemein die fehlende | |
Aufklärung und die Situation der Straflosigkeit haben bei den Familien der | |
Opfer Gefühle der Angst, Trauer und Frustration hervorgerufen,“ so das | |
Gericht. Es verurteilte Argentinien zu einer Entschädigung der Angehörigen | |
der Opfer und zur Anerkennung seiner Verantwortung bei einem öffentlichen | |
und internationalen Akt. | |
„30 Jahre nach dem Anschlag auf die AMIA endlich ein Urteil zur | |
Wiedergutmachung“, [4][schrieb die Gruppe der Angehörigen und Freunde der | |
Opfer „Memoria Activa“ auf der Plattform X]. Das Urteil zeige, „dass | |
Gerechtigkeit ein knappes Gut ist, aber dass es sie gibt, und dass 30 Jahre | |
ungleicher Kämpfe es wert sind, ein bisschen weniger Straflosigkeit zu | |
haben, wie klein die Strafe auch sein mag“, hieß es dort weiter. | |
„Memoria Activa“ hatte die Beschwerde gegen den argentinischen Staat im | |
Juli 1999 bei der Interamerikanischen Menschenrechtskommission eingereicht. | |
2019 stellte die Kommission die Verantwortung des argentinischen Staates | |
fest, weil er es versäumt hatte, den Anschlag zu verhindern, obwohl er über | |
die entsprechenden Informationen verfügte. Im Januar 2024 erließ der Corte | |
IDH das Urteil, das am Freitag veröffentlicht wurde. Die Kommission und der | |
Gerichtshof sind der 33 Mitglieder zählenden Organisation Amerikanischer | |
Staaten (OAS) unterstellt und haben ihren Sitz in der Hauptstadt Costa | |
Ricas, San José. | |
15 Jun 2024 | |
## LINKS | |
[1] https://corteidh.or.cr/index.cfm?lang=en | |
[2] /25-Jahre-nach-antisemitischem-Anschlag/!5607594 | |
[3] /Ex-Praesident-von-Argentinien/!5751942 | |
[4] https://x.com/MemoriaActiva/status/1801623357567217823 | |
## AUTOREN | |
Jürgen Vogt | |
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