| # taz.de -- Solidarität nach rassistischen Attacken: Ein Stadtteil hält zusam… | |
| > Die Bremer Gastronomin Şukran Özalp wurde in ihrem Café „Für Elise“ | |
| > mehrfach rassistisch angefeindet. Nun zeigen hunderte AnwohnerInnen ihre | |
| > Solidarität. | |
| Bild: Gegen die rassistischen Anfeindungen: AnwohnerInnen zeigen sich vor der K… | |
| Bremen taz | Einen kurzen Moment kämpft Şukran Özalp mit den Tränen. Etwa | |
| 300 Menschen haben sich vor ihrem Café versammelt. Sie sind gekommen, um | |
| ihre [1][Solidarität] zu bekunden. „Dass ich so willkommen bin bei euch, | |
| das ist so schön“, sagt Özalp. | |
| Özalp ist die Geschäftsführerin der Kaffeebar „Für Elise“ im Bremer | |
| Stadtteil Walle und seit einiger Zeit rassistischen und islamfeindlichen | |
| Übergriffen ausgesetzt. | |
| Viele NachbarInnen aus Walle sind geschockt. Menschen quer durch die | |
| Milieus und Altersgruppen machen deshalb deutlich: Wir stehen alle | |
| zusammen, hinter Şukran Özalp und ihrer Familie, hinter dem Café. Im Bremer | |
| Westen und auch anderswo ist kein Platz für [2][Rassismus] und [3][Nazis]. | |
| Für Elise ist ein Familienbetrieb. Ihre beiden Schwestern und ein Bruder | |
| arbeiten für Özalp. Als sie das Café vor drei Jahren übernommen hat, sei | |
| sie sehr herzlich von allen NachbarInnen aufgenommen worden, sagt sie im | |
| Gespräch. „Ich fühle mich wohl in Walle.“ | |
| Zur gleichen Zeit seien aber auch Sticker mit Aussagen „gegen Ausländer“ | |
| oder „gegen den Islam“ aufgetaucht – an ihren Fensterscheiben, an der | |
| Regenrinne oder in der näheren Umgebung des Cafés. Was genau darauf stand? | |
| „Ich nehme das alles gar nicht wahr und schmeiße es direkt weg“, sagt sie. | |
| Es klingt, als wolle sie sich schützen. | |
| Die Tische und Bänke vor dem Café stelle sie einfach wieder auf, wenn sie | |
| wie so oft umgeworfen wurden. Die Blumen in Töpfen ebenfalls, wenn sie | |
| nicht mal wieder geklaut wurden. Einer sei gegen die Fensterscheibe | |
| geworfen worden. Draußen gebe es öfter Schmierereien, zerbrochene | |
| Flaschen, Vandalismus. | |
| Die Vorfälle hätten zugenommen, seit die [4][AfD] so stark geworden ist, | |
| sagt Özalp. Auch verbale Anfeindungen. Eine Gruppe von drei, vier älteren | |
| Menschen und eine einzelne alte Frau riefen regelmäßig im Vorbeigehen und | |
| -fahren rassistische und islamfeindliche Parolen. Die alte Frau habe das | |
| Café einen „Saftladen“ genannt und sich häufiger darüber beschwert, dass | |
| „die Ausländer wieder draußen rumsitzen“. | |
| Vor der blauen Fassade von Für Elise gibt es Sitzmöglichkeiten aus | |
| Paletten an zu Tischen umfunktionierten Industriekabeltrommeln, darauf | |
| Blumentöpfe. Drinnen kann man auf den Fensterbänken sitzen und auf weichen | |
| bunten Sesseln. Wenn es dunkel wird, scheint an allen Seiten warmes Licht | |
| durch die großen Fenster. Draußen steht „Raum für Kaffee, Kids, Kultur“ | |
| dran. | |
| In drei Jahren habe es vier Einbruchstaten gegeben, berichtet Özalp. Drei | |
| Mal sei es beim Versuch geblieben, einmal hätten die Täter Erfolg gehabt: | |
| Eine Spardose für Kinder in Not und das Wechselgeld aus der Kasse seien | |
| geklaut worden. Sie habe Anzeige bei der Polizei erstattet, doch die | |
| Ermittlungen seien eingestellt worden. | |
| Die Vorfälle hätten sich in den vergangen zwei bis drei Monaten gehäuft, | |
| erzählt Özalp weiter. Zuletzt sei etwas von neuer Qualität passiert. Ihre | |
| Schwester rief sie an: Im Sanitärbereich des Cafés hatte sie gerade zwei | |
| rassistische Aufkleber gefunden. Die TäterInnen müssen sich also dort | |
| aufgehalten haben. Sie wisse nicht, wer dahinterstecke, sagt Özalp. Am | |
| Wochenende sei viel los und auch Fremde dürften hier die Toiletten | |
| benutzen. | |
| Am gleichen Tag erkundigte sich Axel Stiehler bei Özalp nach ihrem | |
| Wohlergehen und ihrem Geschäft. „Wie das eben so üblich ist unter | |
| Nachbarn“, sagt Stiehler der taz. Er ist im Stadtteil bekannt und betreibt | |
| keine Hundert Meter entfernt, gemeinsam mit seiner Frau, einen kleinen | |
| Buchladen, den einzigen in Walle. Hier finden sich viele Werke von | |
| unabhängigen Verlagen. Stiehler veranstaltet Lesungen mit Wein. Er will | |
| Kultur in den Stadtteil bringen. Wer sich den Eintritt nicht leisten kann, | |
| soll ihn ansprechen. | |
| Özalp erzählte ihm von den regelmäßigen rassistischen Übergriffen. Beide | |
| wandten sich damit an Jakob Thomsen von „[5][allenachwalle]“, einem | |
| Treffpunkt für Quartiers- und Öffentlichkeitsarbeit. Sie fassten den | |
| Entschluss, zusammen mit anderen örtlichen LadenbesitzerInnen ein Foto | |
| aufzunehmen, um zu signalisieren: Şukran Özalp und ihre Familie sind nicht | |
| allein. | |
| Sie riefen dazu in einem Instragram-Post auf. Der erreichte und berührte so | |
| viele Menschen, dass Stiehler schon am nächsten Tag eine Versammlung beim | |
| Ordnungsamt anmelden musste. Was ursprünglich als kleines Foto von lokalen | |
| LadenbesitzerInnen für ein Symbol des [6][Zusammenhalts] angedacht war, | |
| mündete vergangenen Mittwoch in den Solidaritätsbekundungen eines ganzen | |
| Stadtteils. | |
| Özalp erzählt, sie habe gar nicht gewollt „dass das alles so groß wird“. | |
| Einem Fernsehteam von Radio Bremen habe sie abgesagt. Mit einem Foto von | |
| vielleicht 20 bis 30 Personen habe sie gerechnet. Die NachbarInnen sollten | |
| wissen, was los ist und ein Auge auf die Kaffeebar haben. | |
| Weitere Vorfälle aus Walle sind ihr nicht bekannt. Sie stehe in Kontakt mit | |
| migrantischen LadeninhaberInnen in der Nähe. Bei denen passiere so was | |
| nicht, „oder sie trauen sich nicht, etwas zu sagen. Aber ich sehe eben | |
| anders aus.“ Sie meint damit das Kopftuch, ein Zeichen ihrer Religion. | |
| „Vielleicht denken die, die das machen, Frauen sind nicht stark.“ Freunde | |
| in anderen Stadtteilen seien aber ähnlichen Anfeindungen ausgesetzt. | |
| Es gehe bei den Vorfällen um [7][Alltagsrassismus], sagt Stiehler auf der | |
| Versammlung. Die sei „wenn es überhaupt geht, so unpolitisch wie möglich“. | |
| Es gehe einfach darum, unter Nachbarn und Freunden ein Signal zu setzen. | |
| „Wir freuen uns, dass ihr da seid. Wir wollen einfach nur ein ganz normales | |
| Foto machen, gegen ganz normalen Scheiß-Rassismus.“ | |
| Nachdem Jakob Thomsen das Foto geknipst hat, lädt Özalp zum Kaffeetrinken | |
| in der Elise ein – alle 300 TeilnehmerInnen. | |
| 19 Jun 2024 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Solidaritaet/!t5012940 | |
| [2] /Schwerpunkt-Rassismus/!t5357160 | |
| [3] /Schwerpunkt-Neonazis/!t5008534 | |
| [4] /Schwerpunkt-AfD/!t5495296 | |
| [5] https://allenachwalle.de/ | |
| [6] /Sozialer-Zusammenhalt/!t5368252 | |
| [7] /Alltagsrassismus/!t5035191 | |
| ## AUTOREN | |
| Lilli Uhrmacher | |
| ## TAGS | |
| Bremen | |
| Schwerpunkt Rassismus | |
| antimuslimischer Rassismus | |
| Anti-Rassismus | |
| Solidarität | |
| IG | |
| Social-Auswahl | |
| Bremen | |
| Schwerpunkt Rassismus | |
| Rechtsextremismus | |
| Dokumentarfilm | |
| Schwerpunkt Fußball-EM 2024 | |
| Sozialer Zusammenhalt | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Kein Kommentar vom Verfassungsschutz: Gefährliches Schweigen | |
| Bremens Verfassungsschutz berichtet über linke Demos jeder Art, aber zur | |
| rechten Szene im Stadtteil Walle hat er nichts zu sagen. Das ist | |
| gefährlich. | |
| Bericht zur Muslimfeindlichkeit: Mehr als doppelt so viele Übergriffe | |
| Nach dem 7. Oktober ist auch die Zahl der Übergriffe auf Muslime sprunghaft | |
| gestiegen. Die meisten richten sich gegen Frauen. | |
| Appell an Bundes- und Landespolitik: Kinder vor rechter Gewalt schützen | |
| Die Länder beraten mit Olaf Scholz über Asylpolitik. Migrantische | |
| Organisationen fordern, lieber den Kampf gegen Rassismus zu stärken. | |
| Film „Niemals allein, immer zusammen“: Da geht noch was | |
| Der Dokumentarfilm „Niemals allein, immer zusammen“ zeigt das Engagement | |
| junger Menschen für eine gerechtere Welt. Es ist ein Film, der Mut macht. | |
| Rassismus und die EM 2024: Wir Meister des Selbstbetrugs | |
| Ein Sommermärchen 2.0 soll diese EM werden, wenn es nach dem DFB geht. Da | |
| muss man schon ausblenden, wie viel seit 2006 gesellschaftlich gekippt ist. | |
| Sozialwissenschaftler über Zusammenhalt: „Die Leute vertrauen nicht mehr so�… | |
| Beim sozialen Zusammenhalt gehörte Bremen zur Spitzengruppe. Doch noch vor | |
| Corona kam ein krasser Absturz, so Studienautor Klaus Boehnke im Interview. |