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# taz.de -- Der Hausbesuch: Glücklich gescheitert
> Alles ist eine Frage der Balance, sagt Felix Adumatta Donkor aus Berlin.
> Er ist Künstler und Galerist – und putzt, um von etwas zu leben.
Bild: Bei Felix Adumatta Donkor zu Hause: Bücher, Pflanzen, Bilder
Aufzugeben bedeutet nicht nur zu scheitern, sondern vor allem zu lernen,
dass man ein eigenes Gleichgewicht finden muss. So einfach sei das, meint
Felix Adumatta Donkor.
Draußen: In einer Kindertagesstätte in der Straße, wo er wohnt in Berlin,
hängt eine gebastelte Sonne im Fenster. Sommerluft weht in den Blättern der
Bäume. Von Weitem tönt der dumpfe Ton eines Flugzeugs.
Drinnen: Bücher und viele Pflanzen hat er in seiner Wohnung. Dazu Bilder an
fast jeder Wand. Einige sind von Freund:innen, die, wie er, auch malen, und
aus verschiedenen afrikanischen Ländern kommen. Farbtuben stehen für die
nächsten Bilder bereit. An einer Wand ein Stapel seiner eigenen Werke.
Der Thron: „Ich habe mich viel mit afrikanischen Masken und Skulpturen
beschäftigt und versucht zu ergründen, was die, die sie herstellten,
dachten und was deren Bedeutung für die Gesellschaft ist“, sagt Felix
Adumatta Donkor. Eins seiner Bilder, das aufgrund dieser Fragen entstand,
hat er neben seinem Schreibtisch aufgestellt. Es zeigt einen Thron. Der hat
nur ein Bein. „Der Grundgedanke ist, dass man in Balance darauf sitzen
muss.“ Damit der Thron nicht umkippt. Es könne die Balance gemeint sein
zwischen Gegensätzen in der Gesellschaft – oder im Leben.
Die Kunst: Generell geht es ihm mit seinen Bildern darum, „Afrikanische
Kunst in einem anderen Licht zu zeigen“. Anstatt eines dunklen
Hintergrundes, vor dem Masken und Skulpturen gewöhnlich abgebildet sind,
verlagert er sie auf den Bildern in eine neue Umgebung, den Thron etwa in
die Wüste. „Ich habe mich bei meinen Bildern nicht auf ein bestimmtes
afrikanisches Land konzentriert, sondern habe mir Nord-Ost-West-Süd
angeschaut.“ Bei der Recherche sei ihm allerdings zugleich aufgefallen,
dass das, was er in den Bibliotheken fand, vor allem Literatur von weißen
Menschen über Schwarze Kunst war. Da stelle sich doch die Frage: Wer hat
die Deutungshoheit?
Sichtweisen: Schon in seinem Studium der Afrikanischen Kunstgeschichte
erging es ihm so. Bis auf ihn seien fast alle Studierenden weiß gewesen.
„Auch wenn sie Anthropologen sind – sie haben die Kultur nur von außen
gesehen. Die Frage ist: Wie kannst du das emotional fassen – ohne kulturell
voreingenommen zu sein?“ Ob das auch für diesen Text gelten könnte? „Da
würde ich mich sogar selbst einbeziehen“, sagt Adumatta Donkor. „Weil ich
hier sozialisiert wurde.“
Kind in Ghana: 1989 ist Adumatta Donkor in Accra in Ghana geboren. „Die
Jahre dort waren die schönste Zeit meines Lebens“, sagt er. „Wir sind als
Jungs auf Mangobäume geklettert und haben Autos aus Coca-Cola-Dosen
gebaut.“ Das ging so: Die Dosen aufschneiden, sie verbiegen, „sodass sie
eine Autoform hatten“. Aus Flipflops haben sie Kreise ausgeschnitten, die
zu Rädern wurden. Es gefiel ihm, dass sich die Menschen nah waren. „Jede
Frau, die um einen herum war, war keine fremde Frau, sondern auch eine
Mutter.“
Kind in Deutschland: Mit fünf Jahren ist er mit seiner Mutter nach
Deutschland gekommen. Sie wollten sich hier eine bessere Zukunft aufbauen.
„Das ist eine schwierige Story, ich bin illegal hier gewesen“, sagt er.
Auch wenn er polizeilich gemeldet war, zur Schule gehen konnte. „Es war ein
super schwerer Weg, hier anzukommen.“ Und in der 4. Klasse haben die
Behörden plötzlich gesagt: „Du musst nach Ghana gehen und dir ein Visum
holen.“ Um auf legalem Weg nach Deutschland zurückzukehren. Er weiß von
anderen, dass die meist nicht zurückkonnten.
Fügung: Adumatta Donkor brach sich kurz vor dem Abflug nach Ghana das
Handgelenk. „Es musste operiert werden.“ Zwei Tage nach der Operation war
der Flug. Nach sechs Wochen kam er mit dem Visum wieder nach Deutschland
zurück. „Ich glaube, der Bruch war der einzige Grund, warum ich überhaupt
zurück durfte.“ Aus medizinischen Gründen. Denn hätte man die Drähte, die
er seit der OP im Handgelenk hatte, nicht rausgeholt, sagt er, wäre die
Hand zum „Handicap“ geworden. Die Ärzte in Ghana hätten sich nicht
rangetraut. Der Bruch, meint er, war eine „Fügung“.
Ausbildung: Zurück in Deutschland hat er viel Fußball gespielt – seine
Leidenschaft. „Ich wollte Profifußballer werden.“ Adumatta Donkor war in
der Jugend von Hertha BSC. „Dann habe ich mit 18 oder 19 gemerkt, dass ich
mich auf die Schule konzentrieren will.“ Später begann er ein
Architekturstudium in Cottbus, aber kam in finanzielle Schwierigkeiten.
„Ich wusste nicht, wie teuer das werden würde.“ Für die Modelle, die er
bauen sollte, hat er nicht genug Geld gehabt, weshalb er das Studium nach
drei Semestern abbrach.
Geld: „Ich habe bei Adidas dann lange im Store gearbeitet“, sagt er. Und
sich dann doch wieder fürs Studieren entschieden, in Berlin, dieses Mal
„Kunstgeschichte Afrikas“. Zwischendrin habe er seine Wohnung gefunden, in
der er seit elf Jahren lebt. 2014 hat er dann eine Reinigungsfirma
gegründet, um sie zu finanzieren.
Doch Studieren und Gründen wurde zu viel. „Ich habe kein Gleichgewicht
gefunden und gemerkt, ich will das Studium abbrechen.“ Er vermutete, dass
es als Schwarzer Kunsthistoriker und mit seinem Fokus schwer werden könnte,
einen Job in einem Museum oder einer Galerie zu bekommen. Doch Kunst hat
ihn immer begeistert. „Ich glaube, die Kunst hat mich eher ausgesucht, als
dass ich mir die Kunst ausgesucht habe.“
Galerie: Adumatta Donkor gründete neben seiner Arbeit in dem
Reinigungsunternehmen gleich auch noch eine eigene Galerie in
Charlottenburg, sie hieß aaimba. Die Galerie stellte Schwarze
Künstler:innen aus. Diese hätten es in anderen Galerien schwer, auch
weil es wenige Menschen in Deutschland gebe, die ihre Kunst sammeln würden.
Er hat manches unterschätzt. „Die Galerie hat mich finanziell in eine
schwierige Situation gebracht.“ Darum gab er sie im Februar auf. „Ich muss
mir erst mal wieder neue Ressourcen aufbauen“ – mit dem
Reinigungsunternehmen, das gut läuft. Heute, sagt er, würde er vieles
anders machen.
Wagemut: „Es war ein großes Risiko“, sagt er über die Galerie. Das
Wirtschaftliche sei „super wichtig“, aber „man will ja nicht nur Dinge
machen, die sich verkaufen, sondern Kultur etablieren“. Er sagt, er sei bei
der Gründung der Galerie „naiv“ gewesen, aber das sei gut. Denn: Hätte er
vorher gewusst, was auf ihn zukommt, wäre er den Schritt nicht gegangen.
„Man macht Fehler, die sich auch zu etwas Positivem entwickeln“, sagt er.
Das gelte ebenfalls beim Malen: „Es ist oft so, dass du Farbe verschüttest
und dann merkst: Es passt eigentlich super gut. Und auf einmal wird es
vielleicht zu deinem Merkmal.“ Die Erfahrung des Scheiterns hätte ihn
geerdet – er hätte zu viele Dinge auf einmal gewollt. Deshalb pausiert er
gerade mit der Kunst und konzentriert sich derzeit ganz auf das
Reinigungsunternehmen. Nur lässt ihn das andere eben nicht los.
Leben: Er will wieder Kunst ausstellen, wieder eine Galerie haben. Aber er
kümmert sich auch um anderes. „Das, was vom Leben bleibt, ist vor allem
emotional: Freude und Leid, das gehört dazu und ist Leben an sich.“ Er ist
religiös, evangelisch. Er sagt, Religion habe für ihn vor allem mit
Vertrauen zu tun. „Es nimmt mir die Angst und zeigt mir, dass alles in
Ordnung ist.“
Zukunft: Seine Zukunft sieht er in Ghana „oder in einem anderen
afrikanischen Land“. Adumatta Donkor ist den kalten Berliner Winter leid.
Am liebsten hätte er mehrere Galerien in verschiedenen Ländern. Und er
möchte eine Frau finden, eine Familie gründen. Das sei ihm gerade noch
wichtiger als die Kunst. Trotz allem sei er sehr glücklich, sagt er und
sackt in seine Couch. „Ich bin einer der wenigen Glücklichen, der sagt: Ich
bin gescheitert.“
10 Jul 2024
## AUTOREN
Lea De Gregorio
## TAGS
Der Hausbesuch
Ghana
Kunstmarkt
Berliner Stimmen
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