| # taz.de -- Abtreibungsrecht in Deutschland: Sollen sich doch die Länder kümm… | |
| > Die Ampel hatte versprochen, die Versorgung ungewollt Schwangerer zu | |
| > verbessern. Für manche Vorhaben sieht sie sich nun aber nicht mehr | |
| > zuständig. | |
| Bild: Organisationen wie „Pro Familia“ fordern schon lange Schutzzonen | |
| Berlin taz | Die Bundesregierung hat viel versprochen in Sachen | |
| Abtreibungsrecht. Ein ganzes Kapitel widmet der Koalitonsvertrag dem Thema | |
| „Reproduktive Selbstbestimmung“. Von den zahlreichen Vorhaben ist bislang | |
| aber nur ein Bruchteil umgesetzt: etwa die Streichung des | |
| Informationsverbots in Paragraf 219a StGB, oder das [1][Verbot sogenannter | |
| Gehsteigbelästigungen], das gerade im parlamentarischen Verfahren ist. | |
| Weitere Ambitionen scheint die Ampelkoalition nun jedoch nicht zu haben. So | |
| liest sich die Antwort auf eine schriftliche Frage der Linken-Gruppe im | |
| Bundestag, die der taz vorliegt. | |
| Die Abgeordnete Heidi Reichinnek wollte wissen, wie die Bundesregierung | |
| gedenke, „eine flächendeckende Versorgung mit Beratungseinrichtungen | |
| sicherzustellen und Schwangerschaftsabbrüche zum Teil der ärztlichen Aus- | |
| und Weiterbildung zu machen“. Beides will die Ampel laut Koalitionsvertrag, | |
| bei beidem gibt es Handlungsbedarf. | |
| Reichinnek bezieht sich in ihrer Frage auch auf die Ergebnisse der [2][noch | |
| von der Großen Koalition in Auftrag gegebenen Elsa-Studie]. Diese hatte | |
| kürzlich gezeigt, dass die Versorgung ungewollt Schwangerer oft | |
| unzureichend ist und dass Ärzt*innen, die Abbrüche durchführen, oft | |
| Stigmatisierung erfahren. Sie zeigte zudem, dass längst nicht alle | |
| Ärzt*innen die Durchführung von Abbrüchen erlernen – und wenn, dann | |
| häufig nicht alle Methoden. | |
| In ihrer Antwort verweist die Bundesregierung nun darauf, dass die | |
| Elsa-Studie noch nicht abgeschlossen sei – und man deswegen offenbar auch | |
| noch keine Schlussfolgerungen aus den bisherigen Ergebnissen ziehen könne: | |
| „Über die weiteren Schritte wird nach Auswertung der Detailergebnisse des | |
| Projektes zu entscheiden sein.“ Jenseits dessen sieht man sich nicht | |
| zuständig: Das Frauenministerium unterstütze zwar Träger der | |
| Schwangerschaftskonfliktberatung durch Förderung. Aber das Beratungsangebot | |
| sicherzustellen sei Sache der Länder, heißt es in der Antwort. | |
| ## Zuständig sind die anderen | |
| Auch die Ausgestaltung der Lehrpläne für die ärztliche Ausbildung falle „in | |
| die Zuständigkeit der Länder“, heißt es weiter. Der nationale | |
| kompetenzbasierte Lernzielkatalog Medizin (NKLM) enthalte Lernziele zum | |
| operativen wie medikamentösen Abbruch „und dessen ethischen, rechtlichen | |
| und psychischen Aspekten“. Sich daran zu orientieren sei bislang | |
| freiwillig, solle aber mit der geplanten Reform der Approbationsordnung für | |
| Ärzt*innen verbindlich werden. | |
| Diese Reform allerdings wird ebenfalls von der Ampel verschleppt: Im | |
| Februar hätte sie durchs Kabinett gehen sollen, flog dann wieder von der | |
| Tagesordnung. Zuletzt betont die Bundesregierung: „Für die ärztliche | |
| Weiterbildung sind die Länder zuständig, die ihre Zuständigkeit auf die | |
| Ärztekammern übertragen haben.“ | |
| Die Linke Heidi Reichinnek ist mit diesen Antworten nicht zufrieden. „Wenn | |
| die Bundesregierung sich schon einen Haufen Maßnahmen in den | |
| Koalitionsvertrag schreibt, für die sie sich im Endeffekt gar nicht | |
| zuständig fühlt, dann sollte sie vielleicht die eine Sache umsetzen, für | |
| die sie sehr wohl die Kompetenz hat – nämlich die Abschaffung von §218 | |
| Strafgesetzbuch.“ | |
| Paragraf 218 regelt, dass Schwangerschaftsabbrüche in Deutschland | |
| grundsätzlich rechtswidrig sind – unter Bedingungen aber straffrei bleiben. | |
| Die Ampel hatte eine Kommission prüfen lassen, ob und wie Abbrüche | |
| außerhalb des Strafrechts geregelt werden können. Diese war zum Schluss | |
| gekommen, dass nach verfassungs-, völker- und europarechtlicher Prüfung die | |
| [3][grundsätzliche Rechtswidrigkeit von Schwangerschaftsabbrüchen in den | |
| ersten drei Monaten „nicht haltbar“ sei]. | |
| Nun stand im Koalitionsvertrag nicht zufällig nur ein Prüfauftrag: Zwar | |
| hatten SPD und Grüne die Abschaffung von Paragraf 218 im Wahlprogramm | |
| stehen, die FDP ist aber dagegen. Entsprechend verhalten reagierte die | |
| Ampel auf die Ergebnisse der Kommission: [4][Dieses Ergebnis müsse man nun | |
| erst mal in Ruhe auswerten,] hieß es. Passiert ist bislang nichts. | |
| 12 Jun 2024 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Juristin-zu-Abtreibungsgegner-Gesetz/!6002307 | |
| [2] /Daphne-Hahn-zum-Stigma-der-Abtreibung/!6000665 | |
| [3] /Schwangerschaftsabbrueche-in-Deutschland/!6000620 | |
| [4] /Abtreibungen-in-Deutschland/!6001744 | |
| ## AUTOREN | |
| Dinah Riese | |
| ## TAGS | |
| Schwerpunkt Abtreibung | |
| Schwangerschaftsabbruch | |
| sexuelle Selbstbestimmung | |
| Ampel-Koalition | |
| Frauenrechte | |
| Schwerpunkt „Marsch für das Leben“ | |
| Schwerpunkt Abtreibung | |
| Schwerpunkt Europawahl | |
| Schwerpunkt Abtreibung | |
| Katholische Kirche | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Pro-Life-Bewegung: Nach rechts offen | |
| Die Zustimmung für die Abtreibungsgegner*innen in Deutschland nimmt | |
| ab. Doch das macht die Bewegung nicht weniger gefährlich. | |
| Kampagne für legale Abtreibungen: Bündnis will die Ampel treiben | |
| Mit der Kampagne „Abtreibung legalisieren – jetzt!“ will ein Bündnis Dru… | |
| machen: Die Bundesregierung soll den Strafrechtsparagrafen 218 streichen. | |
| Experte über reproduktive Rechte: „Eine progressive Richtung“ | |
| Schwangerschaftsabbrüche drohen schwieriger zu werden, wenn rechte Parteien | |
| bei der EU-Wahl zulegen, sagt Neil Datta. Warum er trotzdem viel Gutes | |
| sieht. | |
| Legalisierung von Abtreibungen: Drei Länder machen Druck | |
| Während die Ampel trödelt, fordern die Justizministerinnen von Hamburg, | |
| Niedersachsen und Sachsen, das Abtreibungsrecht zu liberalisieren. | |
| Katholikentag in Erfurt: Katholiken im Handgemenge | |
| Beim Katholikentag ging es um die Kirche in Ostdeutschland und das Recht | |
| auf Schwangerschaftsabbruch – und die Frage: Wie halten wir es mit der AfD? |