# taz.de -- Feministischer Protest in Argentinien: Gegen Femizide, gegen Milei | |
> Tausende Menschen haben gegen Gewalt gegen Frauen demonstriert. Im Fokus | |
> des Protests stand dieses Jahr die antifeministische Politik des | |
> Präsidenten. | |
Bild: „Ni Una Menos“: Protestierende am Montag in Buenos Aires | |
BUENOS AIRES taz | Tausende von Menschen haben am Montag in Argentinien | |
gegen geschlechtsspezifische Gewalt gegen Frauen und Mädchen demonstriert | |
und Gerechtigkeit für die Opfer von Femiziden gefordert. Vor allem in | |
Buenos Aires zogen zahlreiche, vor allem junge Frauen vor das | |
Kongressgebäude im Zentrum der Hauptstadt. | |
Der Protest richtet sich auch gegen [1][die rigorose Sparpolitik von | |
Präsident Javier Milei]. „Angesichts des Hasses und der Grausamkeit dieser | |
Regierung organisieren wir uns und bauen Netzwerke auf, die uns tragen. Wie | |
schon vor neun Jahren sagen wir auch an diesem 3. Juni: Nicht eine | |
weniger“, heißt es in der Abschlusserklärung. | |
„Ni Una Menos 2024“ war die neunte Auflage des [2][Protests an einem 3. | |
Juni]. Dazu aufgerufen hatte ein breites Bündnis aus feministischen und | |
LGBT+-Organisationen, sozialen Basisorganisationen und | |
Nachbarschaftsversammlungen. | |
Am 3. Juni 2015 waren zum ersten Mal Hunderttausende auf die Straßen | |
gegangen. Damals brachte die Ermordung der 14-jährigen Chiara Páez das Fass | |
zum Überlaufen. Weil das schwangere Mädchen nicht abtreiben wollte, | |
erschlug ihr drei Jahre älterer Freund sie und verscharrte ihre Leiche | |
mithilfe seiner Familie im Garten des Hauses. Der Fall löste Wut und | |
Entsetzen aus und in den sozialen Netzwerken lief die Kampagne „Ni Una | |
Menos – Nicht eine weniger“ an. | |
## Milei hat das Frauenministerium abgeschafft | |
Die Wut und das Entsetzen haben jedoch kaum nachgelassen. Im Gegenteil: | |
Anfang Mai wurden drei lesbische Frauen bei einem Brandanschlag in Buenos | |
Aires getötet. Der mutmaßliche Täter hatte sie zuvor mehrfach bedroht und | |
warf schließlich einen Brandsatz in ihre Unterkunft in einem Familienhotel. | |
Nach Angaben der Beobachtungsstelle für Femizide „Adriana Marisel Zambrano“ | |
gab es in den ersten fünf Monaten des Jahres bereits 127 Opfer | |
geschlechtsspezifischer Gewalt, darunter 114 Femizide, drei Lesbizide, | |
einen Transvestitizid. | |
„Neun Jahre, in denen die Statistiken nicht sinken, und jetzt mit einem | |
abwesenden Staat, der kein Interesse an Maßnahmen zur Bekämpfung und | |
Prävention geschlechtsspezifischer Gewalt hat, und mit einem | |
Unterstaatssekretariat für den Schutz vor geschlechtsspezifischer Gewalt, | |
das keine Stimme zu haben scheint“, heißt es in einer Erklärung der | |
Beobachtungsstelle. Noch immer ist die Unterstaatssekretärin für den Schutz | |
vor geschlechtsspezifischer Gewalt, Claudia Barcia, eine unbekannte Person. | |
Interviews gibt sie nicht. | |
Der libertäre Präsident Javier Milei hatte unmittelbar nach seinem | |
Amtsantritt im Dezember das Ministerium für Frauen, Geschlechterfragen und | |
Diversität abgeschafft und das jetzt zuständige Unterstaatssekretariat für | |
den Schutz vor geschlechtsspezifischer Gewalt dem Justizministerium | |
unterstellt. Dies wird nicht nur von der Beobachtungsstelle für Femizide | |
kritisiert. | |
Die Übertragung an das Justizministerium „sendet die Botschaft, dass die | |
Regierung geschlechtsspezifische Gewalt auf ein strafrechtliches Problem | |
reduziert und ihren strukturellen und multikausalen Charakter ignoriert“, | |
warnt Mariela Belsky, Direktorin von Amnesty International Argentinien. | |
## Militärs statt Frauen | |
Doch das Aus des Frauenministeriums ist nicht alles. Inzwischen hat Milei | |
auch das Nationale Institut gegen Diskriminierung, Xenophobie und Rassismus | |
aufgelöst und den Gebrauch der integrativen Sprache und die | |
Geschlechterperspektive in der gesamten öffentlichen Verwaltung und in | |
staatlichen Einrichtungen verboten. | |
Zu alldem kommen die Kürzungen durch die rigorose Sparpolitik.„Es ist eine | |
erhebliche Unterfinanzierung von Maßnahmen zur Beseitigung | |
geschlechtsspezifischer Gewalt zu beobachten“, so das Fazit der | |
unabhängigen Asociación Civil por la Igualdad y la Justicia, die die | |
Ausgaben beim Staatshaushalt in den ersten vier Monaten der Jahre 2023 und | |
2024 aus der Geschlechterperspektive verglichen hat. | |
Sein Credo in Sachen Frauenbewegung verkündete Milei im Januar vor einem | |
internationalen Publikum: „Das Einzige, was die Agenda des radikalen | |
Feminismus erreicht hat, ist mehr staatliche Intervention, um den | |
Wirtschaftsprozess zu behindern, um Bürokraten zu beschäftigen, die nichts | |
zur Gesellschaft beitragen, sei es in Form von Frauenministerien oder | |
internationalen Organisationen“, sagte Milei auf dem Wirtschaftsforum in | |
Davos. | |
Wie tief verwurzelt seine Ablehnung von allem ist, was auch nur den | |
geringsten Anflug von Unterstützung für Frauen oder Feminismus haben | |
könnte, zeigte sich am Internationalen Frauentag. Am 8. März wurde der | |
Salón de las Mujeres (Saal der Frauen) im Präsidentenpalast in Salón de los | |
Próceres (Saal der Helden) umbenannt. Die Porträts wichtiger Frauen der | |
argentinischen Geschichte wurden durch Porträts von Männern, zumeist | |
Militärs, ausgetauscht. | |
4 Jun 2024 | |
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## AUTOREN | |
Jürgen Vogt | |
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